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Bolitho nickte. Es bedrückte ihn, daß der Wind immer mehr abflaute und rasche Manöver unmöglich machte. Wenn sie schnell weg mußten, konnten sie sich nur auf die Riemen verlassen, und je mehr Zeit dabei verstrich, desto größer war die Erfolgschance der Angreifer.

Er verfluchte Sparkes Eifer, seine starrsinnige Entschlossenheit, alles allein zu machen. Jeden Augenblick konnte eine Fregatte vorbeikommen, die ihnen beim Entladen hätte helfen können, nur hätte er dann den Ruhm des Sieges teilen müssen.

Schließlich befahl Bolitho:»Macht das Dory klar, ich fahre hinüber. «Er deutete auf die beiden roten Tupfen am Hang.»Es ist kein Risiko dabei.»

Fähnrich Weston stapfte über das Deck, seine plumpen Füße verfingen sich in den hochstehenden Splittern der zerschossenen Planken.

Bolitho befahl ihm:»Sie übernehmen hier das Kommando. «Beinahe konnte er Westons Angst riechen.»Ich bleibe die ganze Zeit in Sichtweite.»

Stockdale und zwei Seeleute waren bereits in das Dory geklettert, froh darüber, etwas tun zu können oder der Stätte des kürzlichen Gemetzels zu entfliehen.

Als Bolitho den winzigen Sandstrand betrat, der kaum größer war als das Boot, tat es ihm gut, die Pflanzen zu riechen, die Vögel und sonstiges kleines Getier zu hören. Es war Balsam nach so langer

Zeit.

Plötzlich rief ein Seemann:»Dort, Sir! Mr. Libbys Boot!«Bolitho sah des Fähnrichs Kopf und Schulter, bevor er noch das Klatschen der Riemen hörte.»Hierher!»

Libby winkte mit seinem Hut, ein Grinsen der Erleichterung trat auf sein gebräuntes Gesicht.

Er rief:»Mr. Sparke läßt Ihnen sagen, Sie sollen den Kutter herbringen, Sir! Es sind keinerlei Feinde am Ufer, er meint, sie seien alle geflohen, als sie die Schiffe sahen!»

Bolitho fragte:»Was macht er jetzt?»

«Er geht gerade an Bord der Brigantine, Sir. Ein hübsches kleines Schiff, aber durchlöchert wie ein Sieb.»

Sparke wollte wahrscheinlich überprüfen, ob es nicht doch eine Möglichkeit gab, sie samt Ladung seinem Geschwader einzuverleiben.

Füße rutschten den Abhang hinab. Bolitho fuhr herum und sah Moffitt, gefolgt von einem Marineinfanteristen, stolpernd und strauchelnd auf ihn zustürzen.

«Was ist los, Moffitt?«Die Angst starrte dem Mann aus dem Gesicht.»Sir!«Er bekam die Worte kaum heraus.»Wir haben versucht, Mr. Sparke ein Zeichen zu geben, aber er hat uns nicht gesehen. «Er gestikulierte wild.»Diese Teufel haben eine Zündschnur angesteckt, ich kann den Rauch sehen! Sie wollen die Brigantine in die Luft sprengen, müssen uns erwartet haben!»

Libby blickte voll Entsetzen hinüber.»Klar bei Riemen! Wir fahren zurück!»

Bolitho rannte ins Wasser, um ihn zurückzuhalten, aber während er noch sprach, schienen Himmel und Erde in einer einzigen, ungeheuren Detonation auseinanderzubersten.

Die Leute im Boot duckten sich und hielten den Atem an, während rings um sie Bruchstücke von Planken und Takelage herunterprasselten und sich die Wasserfläche mit großen und kleinen Geysiren schmückte. Dann kam der gewaltige Rauchpilz, der die ganze Bucht füllte, bis das Sonnenlicht völlig verdunkelt war.

Bolitho tastete sich zum Dory; seine Ohren, sein ganzer Kopf dröhnten von dem betäubenden Lärm der Detonation.

Marineinfanteristen stolperten den Hang hinab und warteten, bis Libbys Leute sich so weit gefangen hatten, daß sie imstande waren, das Boot zu der kleinen Bucht zu rudern.

Aber alles, was Bolitho sehen konnte, war Sparkes Gesicht, als er seinen letzten Plan erklärt hatte. Auch er hatte eine Art von Tapferkeit besessen. Aber ihn hatte sie nicht erhalten.

Bolitho nahm sich zusammen, als d'Esterre und sein Feldwebel mit zwei Schützen auf ihn zukamen. Er meinte Sparkes scharfe Stimme an Bord des Schoners zu hören, als der Schock nach dem Kampf sie zu lahmen begonnen hatte: «Sie blicken auf uns, also wollen wir unser Mitleid für später aufheben.»

Es hätte seine Grabinschrift sein können.

Bolitho sagte heiser:»Die Soldaten sollen so rasch wie möglich übersetzen. «Dann wandte er sich von dem beizenden Gestank nach brennendem Holz und Teer ab.»Wir lichten sofort Anker.»

D'Esterre betrachtete ihn seltsam.»Ein paar Minuten später, und es hätte Libbys Boot sein können. Oder deines!»

Bolitho begegnete seinem Blick:»Wir werden wahrscheinlich nicht viel Zeit haben; also wollen wir uns beeilen, ja?»

D'Esterre beobachtete, wie die letzte Gruppe seiner Soldaten antrat, um auf die Rückkehr des Bootes zu warten. Er sah Bolitho und Stockdale aus dem Dory an Bord der Faithful klettern, sah, wie

Frowd über das Deck zu ihnen hinlief.

D'Esterre war schon in zu vielen Gefechten der verschiedensten Art gewesen, um längere Zeit von dem Geschehen beeindruckt zu sein. Aber diesmal war es anders. Er dachte an Bolithos Gesicht unter dem dunklen Haar, als er seine ganze Kraft zusammennahm, um seine Gefühle zu verbergen.

An Dienstjahren mochte Bolitho jünger sein, aber d'Esterre hatte in diesem Augenblick gefühlt, daß er seinem neuen Vorgesetzten gegenüberstand.

VI Eines Leutnants Pflichten

Neil Cairns blickte von seinem kleinen Klapptisch auf, als jemand an die Tür seiner Kammer klopfte.»Herein!»

Bolitho trat ein, den Hut unterm Arm, das Gesicht von Müdigkeit gezeichnet.

Cairns wies auf den einzigen anderen Stuhl im Raum.»Nehmen Sie die Bücher herunter und setzen Sie sich, Mann!«Er tastete zwischen Papierstapeln, Listen und gekritzelten Notizen herum und fügte hinzu:»Hier sollten eigentlich ein paar Gläser stehen. Sie sehen aus, als müßten Sie sofort etwas trinken. Ich brauche auf jeden Fall einen Schluck. Sollte Ihnen jemand mal den Posten eines Ersten Offiziers anbieten, so jagen Sie ihn zum Teufel!»

Bolitho setzte sich und lockerte sein Halstuch. Nach dem stundenlangen Marsch kreuz und quer durch New York und der endlosen Bootsfahrt durch den Hafen fühlte er sich verschwitzt und erschöpft und genoß die Andeutung einer kühlen Brise in der Kammer. Er war an Land geschickt worden, um neue Leute aufzutreiben, als Ersatz für die auf der Faithful Gefallenen und Verwundeten, sowie für Sparkes Leute, die mit der Brigantine in die Luft geflogen waren. Das alles schien ihm jetzt wie ein verschwommener, böser Traum. Es war erst drei Monate her, doch schon konnte er sich kaum noch an die richtige Reihenfolge der Ereignisse erinnern. Auch das Wetter machte das Ganze so verworren. Damals war es kalt und stürmisch gewesen, die See rauh bis zum Aufkommen des Nebels, der wie durch ein Wunder rechtzeitig erschienen war. Jetzt herrschte drückende Hitze, die Sonne brannte erbarmungslos, und von Wind keine Spur. Der Rumpf der Trojan knarrte vor Trockenheit, das Pech in den Decksnähten glänzte feucht, klebte an den Schuhsohlen und an den nackten Füßen der Seeleute.

Cairns betrachtete Bolitho nachdenklich und stellte fest, daß er sich erheblich verändert hatte. Er war mit den beiden Prisen als ein anderer Mann nach New York zurückgekehrt. Irgendwie schien er reifer, und ihm fehlte der jugendliche Optimismus, der ihn früher ausgezeichnet hatte.

Die Ereignisse, die ihn so verändert hatten, vor allem Sparkes schrecklicher Tod, waren selbst am Kommandanten nicht spurlos vorübergegangen.

Cairns fand die Gläser und sagte:»Rotwein, Dick, und warm, aber besser als nichts. Ich habe ihn bei einem Händler an Land gekauft.»

Bolitho neigte den Kopf, die Locke klebte an seiner Stirn und verbarg die schreckliche Narbe. Trotz des Dienstes in diesen Gewässern war er blaß, und das Grau seiner Augen wirkte wie der Winter, den sie gerade hinter sich gebracht hatten.

Bolitho merkte, daß er beobachtet wurde, aber das war er schon gewohnt. Wenn er sich verändert hatte, so auch seine Umgebung mit ihm. Durch Sparkes Tod waren die Offiziere eine Sprosse der Beförderungsleiter höhergestiegen. Bolitho war jetzt Dritter Offizier, und der am unteren Ende freigewordene Posten war von Libby besetzt worden. Dieser war also jetzt Sechster Offizier der Trojan, unter dem Vorbehalt, daß er später sein Examen bestand. Der Altersunterschied zwischen dem Kommandanten und seinen Offizieren war jetzt erheblich. Bolitho wurde im Oktober erst einundzwanzig, die anderen waren noch jünger, Libby sogar erst siebzehn.