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Einen Augenblick lang hörte man keinen Laut, dann hallten erregte Stimmen und Getrappel im Hof wider. Bolitho schrie:»Mach auf, schnell!»

Schüsse, aufs Geratewohl abgefeuert, krachten in die Pfähle oder pfiffen harmlos über das Wasser. Er konnte sich die Verwirrung und das Durcheinander bei der Besatzung vorstellen; viele schienen anzunehmen, der Angriff käme von See her, von außerhalb der Mauern.

Licht fiel aus der plötzlich aufgestoßenen Tür der Wachstube, und Bolitho sah nackte Gestalten auf sich zulaufen, von denen eine ein Gewehr abfeuerte und dann von den nachfolgenden über den Haufen gerannt wurde. Die blasse Haut dieser Männer hob sich von dem dunklen Hintergrund deutlich ab. Nun hörte er jemanden schreien:»Laden und feuern, so schnell ihr könnt, Jungs!»

Stahl krachte auf Stahl, Rufe wandelten sich zu schrillen Schmerzenschreien, und noch hatte niemand von Bolithos Gruppe einen Schuß abgegeben.

Ein Mann stieß mit aufgepflanztem Seitengewehr nach ihm, aber Bolitho wich aus, so daß der Angreifer durch seinen eigenen Schwung vornüber fiel, vor Entsetzen keuchend, bis Stockdales Dolch ihm den Garaus machte.

Bolitho schrie: «Trojaner, hierher!»

Mehr Schreie, dann Jubelrufe, als der erste Torflügel sich bewe gte und Stockdale den gewaltigen Balken wie die Lanze eines Riesen mitten zwischen die verwirrten Gestalten bei der Tür schleuderte.

Weitere Männer erschienen von der anderen Hofseite. Eine Andeutung von Ordnung kam in ihre Reihen, Kommandos erschallten, und eine Gewehrsalve holte zwei Seeleute von der Brüstung herunter.

Stockdale packte sein Entermesser und hieb es mit aller Wucht einem Angreifer quer über die Brust, warf sich dann blitzschnell herum und schlitzte einem anderen den Bauch auf, der versucht hatte, Bolitho zu unterlaufen.

Kutbi, der Araber, raste herum wie ein Amokläufer und wirbelte schreiend sein Enterbeil über den Kopf, völlig dem Drang zu töten verfallen.

Einer der Seeleute fiel, Blut hustend, zu Bolithos Füßen nieder, und er hörte Quinns Leute mit der Wachmannschaft des Turmes die Klingen kreuzen, näher und lauter, je mehr sie zu den Toren zurückwichen. Er glaubte, sein Arm würde brechen, als er auf einen Uniformierten einhackte oder dessen Hiebe parieren mußte. Der Mann hatte sich direkt neben ihm von Boden erhoben. Bolitho spürte des Gegners Stärke und Entschlossenheit, als dieser ihn jetzt Schritt für Schritt zurückdrängte.

Völlig klar und ohne Furcht oder Emotion fühlte er: dies war das Ende, der Augenblick war gekommen.

Sein Arm wurde schwerer und schwerer, der Mann besaß mehr

Kraft als er, das bekam er erneut zu spüren, als sich jetzt sein Degengriff an dem des Gegners festhakte. Er hörte Stockdale brüllen, der verzweifelt versuchte, sich zu ihm durchzuschlagen.

Bolithos Instinkt sagte ihm, daß es diesmal keine Hilfe gab. Der Mann riß ihn herum, die verhakten Griffe als Hebel benutzend, als Bolitho eine Pistole aus seinem Gürtel ragen sah. Mit einer letzten, übermenschlichen Anstrengung warf er sich vor, ließ den Degen los und riß die Pistole heraus, sie gleichzeitig abdrückend.

Die Detonation schleuderte ihm die Waffe aus der Hand, aber er sah den Gegner lautlos zusammensinken. Der Schmerz, mit dem die schwere Kugel wie geschmolzenes Blei durch seine Eingeweide fuhr, war wohl selbst zum Schreien zu groß.

Bolitho hob seinen Dolch, um dem Todeskampf des Gegners ein Ende zu bereiten, aber er senkte die Waffe wieder. Es wäre sicher menschlicher gewesen, ihn von seinen Schmerzen zu befreien, aber er brachte es bei einem Wehrlosen nicht fertig.

Im nächsten Augenblick wurde der zweite Torflügel aufgerissen, und durch die Pulverdampfschwaden sah Bolitho die weißen Gürtel und schwach glitzernden Bajonette der eindringenden Marineinfanteristen.

Bis auf ein paar Widerstandsnester war alles vorbei. Eine kleine Gruppe kämpfte noch auf den Palisaden, eine andere versuchte, sich in einem Keller zu verschanzen; sie wurden alle niedergemäht, auch als sie sich ergeben wollten. Die wenigen, die aus den Toren entkommen waren und zum Strand liefen, fielen Pagets zweiter Schützenreihe zum Opfer.

Probyn hinkte durch das Chaos von Toten, Sterbenden und Gefangenen, die flehend die Hände hoben, erkannte Bolitho und grunzte:»Das war knapp.»

Dieser nickte, an einen Pfosten gelehnt und Luft in seine schmerzenden Lungen pumpend. Er bemerkte Probyns Hinken und keuchte:»Sind Sie verwundet?»

Probyn erwiderte wütend:»Diese verdammten Idioten mit ihrer Leiter haben mir fast das Bein gebrochen!»

Es klang inmitten von Schmerz und Tod so absurd, daß Bolitho an sich halten mußte, um nicht laut zu lachen; denn er wußte, daß er das Gelächter sonst nicht mehr unter Kontrolle bringen konnte.

D'Esterre trat unter dem Stalldach hervor.»Das Fort ist genommen. Alles vorüber. «Er ließ sich von einem Soldaten seinen Hut reichen, wischte ihn sorgfältig ab und fügte hinzu:»Die Teufel hatten ein Geschütz schon geladen und auf die Mauerkrone gerichtet. Wenn sie uns früher bemerkt hätten, wären wir niedergemäht worden, ob beim Angriff oder auf der Flucht!»

Rowhurst wartete, bis Bolitho ihn anblickte, und sagte dann schwer atmend:»Wir haben drei Mann verloren, Sir. «Er wies mit dem Daumen hinter sich auf den Wachturm.»Und zwei sind schwer verwundet.»

Bolitho fragte:»Wo ist Mr. Quinn?»

Rowhurst erwiderte schroff:»Ihm geht's gut, Sir.»

Was bedeutete das? Bolitho sah Paget und weitere Marineinfanteristen durch die offenen Tore kommen und beschloß, nicht nachzuhaken. Noch nicht.

Paget blickte auf die herumhastenden Soldaten und Seeleute und schnauzte:»Wo ist der Kommandant des Forts?»

D'Esterre antwortete:»Er war nicht hier, aber wir haben seinen Stellvertreter.»

«Das genügt«, knurrte Paget.»Führen Sie mich zu seinem Quartier. «Er sah Probyn an.»Ihre Leute sollen ein paar Geschütze auf den Logger richten. Wenn er auslauten will, raten Sie ihm davon ab, klar?»

Probyn tippte an seinen Hut und knurrte säuerlich:»Das würde ihm schlecht bekommen!»

Rowhurst blickte bereits mit fachmännischem Blick zu den Geschützen auf.»Ich werde das übernehmen, Sir. «Er lief davon und rief einige Namen, froh über eine Arbeit, von der er etwas verstand.

Der Mann, dessen Pistole Bolitho vor wenigen Minuten gegen ihn selbst gerichtet hatte, stieß einen heiseren Schrei aus und starb. Bolitho blickte ihn an und versuchte, sich über seine Gefühle gegenüber einem Menschen, der ihn hatte umbringen wollen, klarzuwerden.

Plötzlich erschien ein Marineinfanterist, lief über den Hof auf sie zu und konnte sich kaum das Grinsen verkneifen, als er meldete:»Verzeihung, Sir, aber einer Ihrer jungen Herren hat einen Gefangenen gemacht!»

Im nächsten Augenblick kam Couzens mit zwei Seeleuten durch das Tor, anscheinend geführt von dem französischen Offizier, der seinen Rock über dem Arm und seinen Dreispitz keß nach hinten geschoben trug, als sei er auf einem Spaziergang.

Couzens erklärte:»Er rannte zu den Booten, Sir, uns genau in die Arme!«Dabei glühte er vor Stolz über seinen Fang.

Der Franzose blickte von Bolitho zu Probyn und sagte gelassen:»Ich bin nicht gerannt, meine Herren, das versichere ich Ihnen. Ich habe nur die Umstände genutzt. «Er verbeugte sich leicht.»Leutnant Yves Contenay, stehe zu Ihren Diensten.»

Probyn starrte ihn wütend an.»Sie stehen unter Arrest, verdammt!»

Der Franzose lächelte liebenswürdig:»Wohl kaum. Ich befehlige dieses Schiff dort und lief hier ein, um zu…«Er hob die Schultern.»Der Grund ist unwichtig.»

Er blickte auf, als einige Seeleute mit Handspaken daran arbeiteten, eins der Geschütze auf den Ankerplatz zu richten. Zum ersten Mal zeigte er Unruhe, ja Furcht.

Probyn sagte:»Soso, unwichtig. Sagen Sie Ihren Leuten, daß sie nicht etwa den Versuch machen, auszulaufen oder das Schiff zu beschädigen. Denn sonst lasse ich ohne Pardon auf sie feuern.»