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Bolitho blickte Cairns an und tippte an seinen Hut.»Kurs liegt an, Sir.»

Cairns nickte.»Schicken Sie bitte die Freiwache unter Deck.»

Als die Seeleute, so schnell sie konnten, verschwanden, warf Bo-litho rasch einen Blick auf Pears, der mit dem Admiral zusammen auf der Luvseite des Achterdecks stand.

Es war einer jener feurigen Sonnenuntergänge dieser Breiten. Die beiden Männer hoben sich als Silhouetten gegen den blutroten Himmel ab, ihre Gesichter lagen im Schatten. Es war kein Irrtum möglich, man spürte Coutts Gereiztheit, Pears verbissenen Eigensinn.

Das vergnügte Abendessen in der großen Kajüte schien schon weit zurückzuliegen. Coutts hatte den größten Teil der Unterhaltung mit Witz und guter Laune bestritten, Pausen gab es nur, wenn die Gläser nachgefüllt wurden. Er hatte die Leutnants in seinen Bann geschlagen — mit Geschichten über Intrigen und Korruption bei der Militärregierung in New York, über die großen, alten Londoner Häuser, deren Herren — und noch öfter Damen — , in ihren Händen die Zügel der Macht hielten.

Als erst einmal Pears und der Master ihre navigatorischen Berechnungen beendet hatten, war der Zweck der Fahrt und der Zielort wie ein Lauffeuer durch die Decks gegangen.

Es war also eine kleine Insel in einer ganzen Inselgruppe, die in der Monapassage zwischen Santo Domingo und Puerto Rico lag. Von den meisten wegen der schwierigen Navigation gemieden, war sie ein idealer Umschlagsort für Waffen und Munition, bestimmt für Washingtons wachsende Flotte von Versorgungsschiffen.

Als Coutts seine Hoffnung auf eine rasche Beendigung ihrer Mission begründet hatte, spürten Bolitho und die anderen seinen Eifer, seine Erregung bei der Aussicht auf einen schnellen Sieg. Diesmal sollte ihm niemand mit einer Warnung zuvorkommen, kein noch so schneller Reiter konnte die Nachricht vom Nahen der Briten übermitteln. Diesmal nicht. Mit der Breite des Atlantik in ihrem Rük-ken, der scharfäugigen Spite vor ihnen, hatte Coutts guten Grund zur Zuversicht.

Aber das war vor fünfzehn Tagen gewesen. Inzwischen hatte es Verzögerungen gegeben, die Coutts und seinen Offizieren den Stempel der Ungeduld aufgedrückt hatten. Mehrmals war die Trojan zum Beidrehen gezwungen, während die Spite unter vollen Segeln davonbrauste, um ein fremdes Schiff zu untersuchen, und dann mühselig zur Berichterstattung wieder zurückkreuzen mußte. Der Wind hatte auch verschiedentlich geschralt, wie Bunce vorausgesagt hatte. Im großen und ganzen war er ihnen jedoch günstig gewesen.

Jetzt, da wieder ein Sonnenuntergang Dunkelheit über das Schiff breitete, spürte Bolitho die wachsende Ungeduld, ja den Ärger in Coutts raschen Bewegungen.

Wieder einmal war die Spite vorausgeschickt worden um festzustellen, ob die kleine Insel in der Tat diejenige war, die in den von Paget gefundenen Dokumenten beschrieben wurde. Falls dies zutraf, sollte Cunningham ein Boot an Land schicken und nach Möglichkeit die Stärke des Feindes feststellen. Wenn er niemanden antraf, sollte er sofort zurückkommen und berichten. In jedem Fall hätte er inzwischen zurück sein müssen. Bei dem in den Tropen üblichen raschen Hereinbrechen der Dunkelheit war mit einer Kontaktaufnahme vor morgen früh nicht mehr zu rechnen: wieder ein Tag verstrichen, weitere Ungewißheit.

Bolitho stand stramm und berührte grüßend seinen Hut, als Pears mit lauten Schritten an ihm vorbeiging. Das Zuschlagen der Karten-raumtür war ein weiterer Beweis seiner schlechten Laune.

Bolitho wartete nun darauf, daß Coutts ihn ansprach.

«Ein langer Tag, Bolitho.»

«Aye, Sir. «Bolitho blickte ihn an und versuchte, des Admirals Gefühle zu ergründen.»Das Barometer steht gleichmäßig hoch, wir sollten diesen Kurs die Nacht über beibehalten können.»

Coutts hatte gar nicht hingehört. Er stützte sich auf die Reling und starrte hinunter zur Backbordbatterie von Achtzehnpfündern. Er trug keinen Hut, und der Wind blies ihm das Haar in die Stirn, was ihn noch jugendlicher erscheinen ließ.

Dann fragte er leise:»Sind Sie wie die anderen, Bolitho? Halten auch Sie mich für verrückt, weil ich dieses Unternehmen mit aller Gewalt zu Ende führen will, obwohl es auf nichts weiter fußt als auf einem gekritzelten Zettel?»

«Ich bin nur ein Leutnant, Sir. Ich wußte gar nicht, daß Zweifel daran bestehen.»

Coutts lachte bitter.»Zweifel? Mein Gott, Mann, ganze Berge davon!»

Bolitho wartete. Er fühlte des Admirals Ungeduld, seine Enttäuschung.

Coutts fuhr fort:»Wenn Sie den Rang eines Flaggoffiziers erreichen, glauben Sie, die Welt gehört Ihnen. Aber das stimmt nur zum Teil. Ich war Kommandant einer Fregatte, und kein schlechter.»

«Ich weiß, Sir.»

«Danke. «Coutts schien überrascht.»Die meisten Leute, die einen Admiral sehen, scheinen zu denken, er sei nie etwas anderes gewesen — kein Seemann, kein Leutnant. «Vage zeigte er auf das Gewirr von Wanten und Spieren über ihnen.»Aber ich halte diese Information für wertvoll, sonst würde ich nicht meine Schiffe und meinen Ruf aufs Spiel setzen. Es kümmert mich nicht, was ein weichlicher Regierungsbeamter von mir denkt. Ich möchte, daß dieser Krieg rasch beendet wird, mit mehr Trümpfen auf unserer Seite als auf der des Feindes. «Er sprach schnell, seine Hände unterstrichen mit knappen Bewegungen seine Worte, seine Befürchtungen.»Jeder verstrichene Tag bringt uns mehr Feinde, dem Gegner mehr Schiffe, mehr Waffen. Wir haben keine Geschwader mehr übrig, aber die Aktivität des Feindes ist so groß, daß wir jede seiner Bewegungen überwachen und abdecken müssen. Kein Handelsschiff ist ohne Geleitschutz mehr sicher. Wir sind sogar gezwungen, Kriegsschiffe in die Davis Strait hinaufzuschicken, um unseren Walfang zu schützen! Dies ist keine Zeit für Furchtsame oder Zauderer, die darauf warten, daß der Feind zuerst handelt.»

Seine knappe, eindringliche Art zu sprechen, seine Gedanken mitzuteilen, war etwas Neues für Bolitho. Es kam ihm vor, als öffne sich seine enge Welt weit über den Rumpf des Schiffes hinaus und weiter in alle Seegebiete, wo Britanniens Autorität herausgefordert wurde.

«Ich habe mich gefragt, Sir…«Bolitho zögerte und fuhr dann fort:»Warum Sie das nicht von Antigua aus erledigen ließen. Wir sind die vierfache Entfernung gesegelt, die ein Patrouillenschiff von dort bis zur Insel zu bewältigen gehabt hätte.»

Coutts betrachtete ihn forschend und zunächst schweigend; sein eigenes Gesicht lag im Schatten, als suche er in Bolithos Frage nach Spuren von Kritik.

Dann sagte er:»Ich hätte die Spite zum Admiral nach Antigua schicken können, das wäre zweifellos schneller gegangen. «Er wandte sich ab.»Aber hätten sie dort etwas unternommen? Kaum. New York und die Bedrohung durch Washingtons Armeen sche inen von der Karibik aus unendlich weit entfernt zu sein. Nur vom Oberbefehlshaber hätte diese Anforderung kommen können, und da Sir George Helpman ihm über die Schulter sieht, zweifle ich, daß er mehr getan hätte, als einen Bericht an die Admiralität nach London zu schicken.»

Bolitho verstand. Eine siegreiche Seeschlacht war etwas anderes als der zähe Kleinkrieg hinter den Kulissen.

Coutts hatte Beweise in Händen, aber sie genügten nicht. Zu viele Leute waren gefallen, und jetzt, nach Probyns Gefangennahme und dem Verlust der Prise würde im fernen London möglicherwe i-se sogar die Zerstörung von Fort Exeter als unbedeutend angesehen. Mit der Genehmigung eines weiteren risikoreichen Unternehmens war kaum zu rechnen.

Andererseits konnte ein rascher, entschlossener Angriff auf eine Nachschubbasis direkt vor der Nase der Franzosen, die ihre Neutralität wie eine falsche Flagge zur Schau stellten, das Gleichgewicht wiederherstellen; besonders dann, wenn er erfolgreich beendet war, bevor ihn irgend jemand verbieten konnte.

Coutts schien seine Gedanken zu lesen.»Merken Sie sich eins, Bolitho. Wenn Sie einen hohen Rang erreicht haben, fragen Sie nie oben nach, was Sie tun sollen. Die höheren Geister bei der Admiralität neigen stets viel eher dazu, nein zu sagen, als ein Risiko einzugehen, das ihre wohlgeordnete Existenz gefährden könnte. Selbst wenn Sie Ihre Karriere, ja Ihr Leben aufs Spiel setzen, handeln Sie immer so, wie Sie es für richtig halten, und wie es für Ihr Land am besten ist. Wer nur handelt, um seinem Vorgesetzten zu gefallen, dessen Leben ist eine Lüge.»