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Bolitho nestelte nervös an seinem Degengriff und fragte sich, warum es so lange dauerte. Cairns war nach achtern gerufen worden, ebenso d'Esterre und Bunce. Es war eine gräßliche Sache, ähnlich wie der Anblick der Kriegsgerichtsflagge oder wie die rituelle Prozession von Booten bei einem öffentlichen Auspeitschen oder beim Erhängen.

Er sagte:»Ich hatte auch Angst, also muß es für ihn noch viel schlimmer gewesen sein. Aber.»

Frowd sagte heftig: — »Aber, Sir, dieses kleine Wort macht den Unterschied. Jeder einfache Seemann würde schon längst von der Großrah baumeln.»

Bolitho sagte nichts, sondern wartete darauf, daß Frowd wegging, um mit dem Wachboot zu sprechen, das längsseits lag. Frowd verstand dies nicht. Wie sollte er auch? Es war schwer genug für einen jungen Mann, den Rang eines Leutnants zu erwerben. Auf dem Weg über das untere Deck war dies noch viel, viel schwerer. Frowd hatte es mit Schweiß, aber wenig Erziehung geschafft. Er mußte Quinns Versagen eher als Verrat denn als Schwäche ansehen.

Sergeant Shears marschierte über das Achterdeck und berührte grüßend seinen Hut. Bolitho sah ihn an.»Ich?»

«Ja, Sir. «Shears warf einen raschen Blick auf die Umstehenden.»Es sieht nicht gut aus, Sir. «Er senkte die Stimme zu einem Flüstern.»Mein Hauptmann machte seine Aussage, und ein Ausschußmitglied bemerkte hochnäsig: „Was weiß schon ein Marineinfanterist über Seeoffiziere!"«Wütend fügte Shears hinzu:»Ich habe noch nie solche Arroganz erlebt, Sir!»

Bolitho ging rasch nach achtern und packte dabei seinen Degengriff mit aller Kraft, um sich innerlich vorzubereiten.

Pears Salon war ausgeräumt worden, an Stelle der Möbel stand ein großer, kahler Tisch da, an dem drei Kapitäne saßen.

Andere Offiziere saßen ringsum an den Wänden, größtenteils waren sie ihm unbekannt; aber er sah auch die Zeugen: Cairns, d'Esterre und, die Hände im Schoß gefaltet, Kapitän Pears.

Der älteste Kapitän musterte ihn kühl.»Mr. Bolitho?»

Bolitho klemmte den Hut unter den Arm und sagte:»Aye, Sir. Zweiter Offizier.»

Der Kapitän zur Rechten, ein scharfgesichtiger, schmallippiger Mann, fragte:»Waren Sie an Deck, als sich der Vorfall, der zu diesem Verfahren führte, ereignet hat?»

Bolitho sah des Schreibers Feder über dem Papier warten. Dann blickte er sich das erste Mal nach Quinn um.

Der stand steif an der Tür zum Speiseraum und schien nur mit Mühe Luft zu bekommen.

«Das war ich, Sir. «Wie absurd, dachte er. Sie wußten alle genau, wo sich jeder einzelne bis hinunter zum Schiffskoch aufgehalten hatte.»Ich führte das Kommando auf dem oberen Batteriedeck, wir schössen nach Steuerbord.»

Der Vorsitzende des Ausschusses, ein Kapitän, den Bolitho schon in New York gesehen hatte, sagte trocken:»Vergessen Sie die Formalitäten. Sie stehen hier nicht unter Anklage. «Dann, mit einem Seitenblick auf den schmallippigen Kapitän:»Es wäre gut, wenn alle daran dächten. «Sein ruhiger, ausgeglichener Blick wandte sich wieder Bolitho zu.»Was haben Sie gesehen?»

Bolitho fühlte, wie die hinter ihm Sitzenden ihn beobachteten, auf seine Aussage warteten. Wenn er nur gewußt hätte, was bisher ausgesagt worden war, besonders von Pears.

Er räusperte sich.»Wir hatten nicht erwartet, daß es zum Kampf kommen würde. Aber die Argonaute hatte die Spite ohne jede Herausforderung von deren Seite und ohne Warnung entmastet. Uns blieb keine andere Wahl.»

«Uns?«Die Frage klang milde.

Bolitho wurde rot und fühlte sich unter den Blicken der drei Augenpaare unbehaglich.»Ich hörte den Admiral die Ansicht äußern, daß wir, wenn nötig, kämpfen würden, Sir.»

«Aha. «Ein winziges Lächeln.»Fahren Sie fort.»

«Es war ein blutiger Kampf, Sir, und wir waren schon vor dem Gefecht äußerst knapp an Leuten. «Er sah die Verachtung im Blick des schmallippigen Kapitäns und fügte ruhig hinzu:»Das soll nicht als Entschuldigung gelten, Sir. Hätten Sie gesehen, wie unsere Leute an diesem Tage kämpften und starben, dann wüßten Sie, was ich mit meinen Worten gemeint habe.»

Er spürte ihr Schweigen, es war unheimlich wie die Ruhe vor dem Sturm. Aber er konnte jetzt nicht mehr aufhören. Was wußten sie schon von alledem? Sie hatten vielleicht noch nie mit so unerfahrenen Offizieren und so schlecht ausgebildeten Leuten kämpfen müssen. Bolitho dachte an den Mann auf dem Operationstisch, der um sein Bein flehte, an den Marineinfanteristen, der als erster aus dem Mast gestürzt und in der See davongetrieben war. So viele waren es. Zu viele.

Er fuhr fort:»Der Franzose kam längsseits. Sie enterten uns oder versuchten es wenigstens. «Er stockte, sah wieder den französischen Leutnant zwischen die Schiffsrümpfe fallen.»Denn wir schlugen sie zurück. «Er wandte sich ab und blickte direkt in Quinns verzweifeltes Gesicht.»Mr. Quinn half mir bis zu diesem Augenblick und stand im feindlichen Feuer, bis der Kampf abgebrochen wurde.»

Der Vorsitzende ergänzte:»Dann wurden Sie nach unten geschafft. Wie alt sind Sie eigentlich?»

«Diesen Monat werde ich einundzwanzig, Sir. «Er glaubte, jemanden hinter sich kichern zu hören.

«Und Sie traten mit zwölf Jahren in die Marine ein, wie die me i-sten von uns, wenn ich recht unterrichtet bin. Außerdem kommen

Sie aus einer alten Seefahrerfamilie. «Seine Stimme wurde plötzlich hart.»Nach Ihrer Erfahrung als Offizier des Königs, Mr. Bo-litho — hatten Sie zu irgendeinem Zeitpunkt während dieser unglückseligen Ereignisse den Eindruck, daß Mr. Quinns Verhalten Mangel an Können oder Mut aufwies?»

Bolitho erwiderte:»Nach meiner Meinung, Sir…«Er kam nicht weiter.

Der Vorsitzende beharrte:»Nach Ihrer Erfahrung!»

Bolitho fühlte sich verzweifelt, wie in einer Falle.»Ich weiß nicht, wie ich antworten soll, Sir.»

Er erwartete, zurechtgewiesen oder von der Verhandlung ausgeschlossen zu werden, aber der Vorsitzende fragte lediglich:»Er war Ihr Freund, stimmt's?»

Bolitho blickte zu Quinn hinüber, haßte plötzlich die drei Kapitäne, die atemlosen Zuschauer, alles hier, und sagte mit fester Stimme:»Er ist mein Freund, Sir. «Er hörte das überraschte Gemurmel und fügte hinzu:»Vielleicht hatte er Angst, aber die hatten wir alle. Dies zu leugnen, wäre töricht.»

Bevor er sich wieder dem Tisch zuwandte, sah er, daß Quinn in einer rührenden Anwandlung von Trotz das Kinn hob.

Bolitho fuhr fort:»Sein Ruf war gut, er begleitete mich auf mehreren schwierigen und gefährlichen Unternehmen. Er wurde schwer verwundet und.»

Der schmallippige Kapitän lehnte sich vor und blickte seine beiden Kameraden an.»Ich glaube, wir haben genug gehört. Der Zeuge hat dem wenig hinzuzufügen. «Dann sah er Bolitho an.»Ich weiß, daß Sie ein eigenes Kommando abgelehnt haben, das Konteradmiral Coutts Ihnen anbot. Sagen Sie mir doch, geschah das aus Mangel an Ehrgeiz?»

Der Vorsitzende runzelte die Stirn und wandte sich dann um, als er das Scharren von Füßen hörte.

Ohne hinzublicken, wußte Bolitho, daß Pears aufgestanden war.

Der Vorsitzende fragte:»Sie wollen etwas sagen, Kapitän Pears?»

Die wohlbekannte, heisere Stimme war bemerkenswert ruhig.»Diese letzte Frage — ich möchte darauf antworten. Es war nicht Mangel an Ehrgeiz, Sir. In meiner Familie nennen wir es Treue, verdammt noch mal!»

Der Vorsitzende hob die Hand, um die plötzliche Erregung zu dämpfen.»Genauso ist es. «Bedauernd sah er Bolitho an.»Ich fürchte jedoch, daß Treue im Fall des Leutnant Quinn nicht genügt. «Damit stand er auf, und alle in der Kajüte erhoben sich ebenfalls, Zeugen wie Zuschauer.»Die Verhandlung wird vertagt.»

Draußen auf dem sonnenüberfluteten Achterdeck wartete Bolitho auf das Abrücken der Zuschauer.

Dalyell und der neue Leutnant Pointer standen bei ihm, als Quinn an Deck erschien. Er ging hinüber zu Bolitho und murmelte:»Ich danke dir für deine Worte, Dick.»