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Bolitho wußte nicht, ob Tracy noch lebte. Es war eine Ironie des Schicksals, daß er mit seinen Kanonen auf den Mann gefeuert hatte, der mitverantwortlich war für den Tod seines Bruders.

Bolitho wusch sich in seiner kleinen Kabine, als er eine Bewegung an Deck hörte und den fernen Ruf eines Ausgucks vom Mast, daß ein Segel in Sicht sei.

Das andere Schiff erwies sich bald als eine Fregatte, die sich rasch näherte, dann beidrehte und ohne viel Umstände ein Boot zu Wasser ließ, das den Kommandanten herüberbrachte.

Bolitho warf sein Hemd über und eilte an Deck. Die Fregatte war die Kittiwake, die er schon in Antigua gesehen hatte.

Mit einem Zeremoniell, als läge sie sicher verankert auf der Reede in Plymouth, empfing die Trojan den Besucher. Während die Wachen das Gewehr präsentierten und die Bootsmannspfeifen schrillten, schritt Pears herbei, um den anderen Kommandanten zu begrüßen. Bolitho erkannte ihn, es war einer der Beisitzer des Untersuchungsausschusses bei Quinns Verhandlung gewesen, nicht der dünnlippige, sondern der andere, der, soweit sich Bolitho erinnerte, überhaupt nichts gesagt hatte.

Der Sonnenuntergang stand kurz bevor, als der Kapitän der Kittiwake sich verabschiedete, wobei sein Schritt nicht mehr ganz so fest war wie beim Anbordkommen.

Die Fregatte setzte wieder volle Segel, ihr Tuch glänzte wie goldene Seide in den letzten Strahlen der Sonne. Bald würde sie außer Sicht und ihr Kommandant frei sein von Admiralen und sonstigen Obrigkeiten. Bolitho seufzte.

Cairns gesellte sich zu ihm, beobachtete dabei die Wache, die das Segelsetzen vorbereitete.

«Sie kam mit Depeschen von Antigua«, sagte er.»Ist von ihrem Geschwader entlassen worden, um vor uns her nach Jamaika zu segeln. Wir sind also doch keine Ausgestoßenen mehr. «Seine Stimme klang, als sei er in Gedanken ganz woanders.

«Ist irgend etwas los?»

Cairns blickte ihn an, sein Gesicht glühte im letzten Sonnenlicht.»Kapitän Pears denkt, daß der Seekrieg im karibischen Raum beendet wird.»

«Nicht in Amerika?«Bolitho verstand das nicht.

«Wie ich ist auch er der Ansicht, daß der Krieg schon vorbei ist. Siege wird es geben, muß es geben, wenn wir auf die Franzosen treffen und sie sich stellen. Aber einen Krieg zu gewinnen, dazu gehört mehr als das, Dick. «Er klopfte ihm auf die Schulter und lächelte traurig.»Ich halte dich auf, der Kommandant möchte dich sprechen. «Damit ging er weiter und rief:»Mr. Dalyell, was ist das für ein wüstes Durcheinander? Schicken Sie die Toppsgasten nach oben und pfeifen Sie die Leute an die Brassen. Das ist hier ja der reinste Fischmarkt!»

Bolitho tastete sich durch den bereits in tiefem Dunkel liegenden Gang zu Pears Kabine.

Der saß an seinem Tisch und betrachtete mit grimmiger Konzentration eine vor ihm stehende Weinflasche.

«Setzen Sie sich!«befahl er.

Bolitho hörte das Stampfen nackter Füße über seinem Kopf und fragte sich, wie sie wohl mit dem Manöver zurechtkamen, ohne daß der Kommandant an seinem gewohnten Platz an der Querreling stand.

Er setzte sich.

Die Kajüte wirkte behaglich. Bolitho fühlte sich plötzlich müde, als sei alle Kraft aus ihm gerieselt wie Sand aus einem Stundenglas.

Pears verkündete langsam:»Wir bekommen gleich neuen Bordeaux.»

Bolitho leckte sich die Lippen.»Danke, Sir. «Er wartete ratlos. Erst Cairns, jetzt Pears, was hatten sie bloß?

«Kapitän Viney von der Kittiwake brachte Befehle vom Flaggschiff aus Antigua. Mr. Frowd ist mit sofortiger Wirkung auf die Maid of Norfolk versetzt worden. Ein bewaffneter Transporter.»

«Aber sein Bein, Sir?»

«Ich weiß. Der Arzt hat ihn notdürftig wieder zurechtgeflickt. «Sein Blick traf den Bolithos.»Was wünscht er sich am meisten?»

«Ein Schiff, Sir. Vielleicht eines Tages ein eigenes Kommando.»

Er sah im Geiste Frowds Gesicht an Bord der Yawl vor sich. Wahrscheinlich hatte er sogar dort an nichts anderes gedacht: ein Schiff, selbst ein bewaffneter Transporter, würde ihm für den Anfang genügen.

«Ich stimme mit Ihnen überein. Wenn er hier herumliegt, wird es zu spät. Wenn er dann nach Antigua zurückkommt — «, er hob die Schultern,»- kann sich sein Glück vielleicht schon gewendet haben.»

Bolitho blickte Pears an, fasziniert von seinem Sachverstand und Einfühlungsvermögen. Er hatte in Schlachten gekämpft, fuhr mit seinem Schiff jetzt Gott weiß welchen Unternehmungen in Jamaika entgegen und fand doch die Zeit, sich über Frowds Verwendung Gedanken zu machen.

«Dann ist da noch Mr. Quinn. «Pears öffnete die Flasche, wobei er sich zur Seite neigte, um die Bewegung des Schiffes auszugleichen.»Er ist nicht vergessen worden.»

Bolitho wartete und versuchte, Pears wahre Gefühle zu erraten.

«Er wird nach Antigua zurückkehren und dort eine Passage nach England bekommen. Den Rest wissen wir schon. Ich habe einen Brief an seinen Vater geschrieben, auch wenn das nicht viel helfen wird. Er soll aber verstehen, daß sein Sohn nur eine bestimmte Menge Mut besaß, und als ihn dieser verließ, war er hilflos wie Frowd mit seinem Bein. «Pears schob mit der Flasche einen dicken Briefumschlag in die Mitte des Tisches.»Aber er hat es versucht, und wenn mehr junge Leute wenigstens das täten, statt bequem zu Hause zu sitzen, sähe es besser bei uns aus.»

Bolitho blickte auf den dicken Brief: Quinns Leben.

Pears wurde beinahe lebhaft.»Aber genug jetzt davon. Ich habe anderes zu tun, Befehle zu diktieren.»

Er schenkte zwei große Gläser Bordeaux ein und schob sie über den Tisch, bis Bolitho eines davon nahm. Das Schiff holte so stark über, daß sie beinahe vom Tisch gerutscht wären.

Seltsam, daß sonst niemand anwesend war. Bolitho hatte d'Esterre erwartet oder vielleicht Cairns, sobald dieser mit dem Manöver an Deck fertig war.

Pears hob sein Glas und sagte:»Ich nehme an, dies wird eine lange Nacht für Sie werden. Aber glauben Sie mir, es gibt noch längere.»

Das erhobene Glas wirkte in seiner gewaltigen Faust wie ein Fingerhut.

«Ich wünsche Ihnen Glück, Mr. Bolitho, und, wie unser Master sagen würde, segeln Sie mit Gott.»

Bolitho starrte ihn an, sein Wein war noch unberührt.

«Ich übertrage Ihnen hiermit das Kommando über die White Hills. Wir werden die Prisenbesatzung morgen früh einteilen, wenn es hell genug ist, und die Verwundeten hinüberbringen.»

Bolitho versuchte, seines Erstaunens Herr zu werden. Er stotterte:»Der Erste Offizier, Sir, mit allem Respekt.»

Pears hielt sein Glas hoch. Es war leer, wie Probyns einst zu sein pflegte.

«Ich wollte ihn hinüberschicken. Zwar brauche ich ihn hier an

Bord, mehr denn je, aber er verdient längst ein eigenes Kommando, und wenn es auch erst nur eine Prise wäre. Aber er tat dasselbe wie Sie bei Konteradmiral Coutts und wies meinen Vorschlag zurück. «Er lächelte ernst» So liegen also die Dinge.»

Bolitho sah, daß auch sein Glas wieder gefüllt wurde, und sagte verwirrt:»Ich danke Ihnen, Sir!»

Pears zog eine Grimasse.»Also kippen Sie Ihren Bordeaux hinunter und gehen Sie sich verabschieden. Von nun an können Sie jemand anderem Ihre Meinung sagen!»

Bolitho stand draußen vor der Kajüte neben dem bewegungslosen Posten, als wäre alles nur ein Traum gewesen.

Er fand Cairns noch an Deck, gegen das Luvwant gelehnt und zu den Lichtern der Brigg hinüberblickend.

Bevor Bolitho den Mund öffnen konnte, sagte Cairns energisch:»Du gehst morgen als Prisenkommandant hinüber, das ist beschlossene Sache, und wenn ich dich in Eisen hinschaffen lassen muß.»

Bolitho stand neben ihm und nahm fast unbewußt die verschiedenen Geräusche wahr, das Knarren des Ruders, das Schlagen des Tauwerks gegen Mast, Stagen und Segel.

Ich nehme an, dies wird eine lange Nacht für Sie werden.

«Was war denn los, Neu?»

Er fühlte sich diesem ruhigen Schotten mit seiner weichen Sprache sehr nahe.