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Couzens starrte zum Schiff zurück, der Wind trieb ihm Tränen in die Augen. Es sah so aus, als ob er weinte. Was Bolitho nicht wußte: Es war der glücklichste Tag in des Fähnrichs bisherigem kurzem Leben.

Bolitho hob noch einmal grüßend die Hand und sah Cairns dasselbe tun. Von Pears war nichts zu sehen. Wie die Trojan, blieb auch er achteraus.

Bolitho wandte sich um und studierte die White Hills. Sie war sein, für kurze Zeit nur, aber immerhin.

Wie Bunce vorausgesagt hatte, wuchs der Wind rasch zum Sturm an, und damit verwandelten sich auch die weißen Schaumkämme in lange, tiefe Wellentäler mit gelblichem, verwehtem Gischt.

Die Prisenbesatzung ging mit grimmigem Ernst an die Arbeit. Sie wandten das Schiff nach Süden, während der Wind schralte, und braßten es so hart an, daß die Rahen keinen Finger breit zu bewegen waren.

Bolitho legte Rock und Hut ab und stand neben dem ungeschützten Ruder; seine Ohren dröhnten vom Brausen des Windes und der See, sein Körper triefte von Gischt.

Es war ein Glück, daß die White Hills ein Ersatzsegel für das zerschossene Vormarssegel an Bord hatte. Das zerrissene konnte nur noch zum Flicken verwandt werden.

Nur unter gerefften Marssegeln und Klüver, hart am Wind, jagte die White Hills nach Süden, weg von den Inseln und Riffen.

Quinn arbeitete mit steinernem Gesicht und fast wortlos an Deck, und Bolitho fragte sich, was er ohne ihn hätte tun sollen. Couzens hatte die Entschlossenheit und den Eifer von zehn Männern, aber

Erfahrung mit der Takelage in einem ausgewachsenen Sturm, die besaß er nicht.

Stockdale kam nach achtern und verstärkte die beiden Männer am Ruder. Wie Bolitho, so war auch er bis auf die Haut durchnäßt, seine Kleidung schmutzig von Teer und Salz. Er lächelte Bolitho durch die peitschenden Gischtschwaden zu.

«Feine kleine Dame, nicht?»

Den größten Teil des Tages fuhren sie nach Süden, aber gegen Sonnenuntergang flaute der Wind etwas ab, und die zerschunde-nen, atemlosen Seeleute konnten aufentern, um Großsegel und Fock zu setzen. Das zusätzliche Tuch gab der Brigg zwar noch mehr Schlagseite, aber sie lag jetzt stetiger und ließ sich besser steuern.

Bolitho rief Quinn zu:»Übernimm die Wache, ich gehe nach unten!»

Nach dem Lärm und dem Gewühl an Deck schien es unten beinahe ruhig zu sein, sobald er sich durch den engen Niedergang gezwängt hatte.

Wie klein sie wirkte nach den gewaltigen Ausmaßen der Trojan. Er tastete sich nach achtern zur Kajüte, einer Miniaturausgabe von Pears geräumigem Quartier. Sie wäre kaum groß genug gewesen, um Pears mächtigen Tisch aufzunehmen, dachte er. Aber es wirkte alles einladend und zu neu, um Spuren des vorherigen Bewohners zu zeigen.

Er wirbelte herum, als eine kochende See am Achterschiff vorbeidonnerte, dann trat er an die beiden Heckfenster. Nirgends konnte er aufrecht stehen, nur unter dem geschlossenen Oberlicht. Wie es dann in den Messen aussah, konnte er sich gut vorstellen. Als Fähnrich hatte er einst auf einer ähnlichen Brigg Dienst getan. Auch sie war schnell, lebhaft und fast niemals ruhig gewesen.

Er überlegte, was wohl aus Tracys anderem Schiff, der gekaperten Brigg geworden war, die er Revenge genannt hatte. Ob sie noch immer britische Geleitzüge angriff, reiche Ladung für willig angebotenes Prisengeld erbeutete?

Die Kabinentür flog auf, und Moffitt kam herein, einen Krug mit Rum und ein Glas in der Hand.

Er sagte:»Mr. Frowd meint, Sie könnten jetzt einen Schluck vertragen.»

Bolitho verabscheute Rum, aber er brauchte etwas Belebendes. Also trank er das gefüllte Glas auf einmal leer, obwohl er beinahe daran erstickte.

«Ist bei Mr. Frowd alles in Ordnung?«Er mußte ihn bald besuchen gehen, aber vorläufig wurde er noch an Deck benötigt.

Moffitt nahm das geleerte Glas und grinste bewundernd.»Aye, Sir. Ich habe ihn in seiner Koje festgelascht, dort ist er sicher.»

«Gut. Schicken Sie Buller zu mir.»

Bolitho lehnte sich zurück und fühlte, wie das Heck unter ihm erst hochstieg, dann wegsackte, während die See das Ruder wie ein Stück Treibholz schüttelte.

Buller kam in die Kajüte, den Kopf wegen der Decksbalken gesenkt.

«Sir?»

«Sie übernehmen die Aufsicht über die Lebensmittel. Suchen Sie sich jemanden, der kochen kann. Wenn es weiter abflaut, machen Sie das Kombüsenfeuer wieder an und sehen zu, daß die Leute etwas Heißes in den Magen bekommen.»

Buller zeigte seine starken Zähne.»Allright, Sir. «Dann war er auch schon wieder draußen.

Bolitho seufzte, das Aroma des Rums umwehte ihn wie eine Droge. Kommandokette. Er mußte sie aufbauen, niemand sonst war hier, der ihn hätte ermutigen oder tadeln können.

Sein Kopf fiel zur Seite, aber er schnellte mit plötzlichem Widerwillen hoch. Wie George Probyn, das war ein feiner Anfang! Er sprang auf und fluchte, als sein Kopf gegen einen Decksbalken krachte. Aber das machte ihn sofort wieder nüchtern.

Er ging weiter nach vorn, schwankend und sich bei den heftigen Bewegungen der Brigg festhaltend.

Winzige Kabinen auf beiden Seiten eines kleinen, quadratischen Raumes: die Messe. Vorräte, Schießpulver, dann weiter vorn im Gang schwankende Hängematten. Alles roch neu, bis hinunter zu den Messetischen, den großen Rollen aufgeschossenen, starken Tauwerks im Vorschiff.

Er fand den verwundeten Tracy in einer winzigen, noch nicht ganz fertiggestellten Kammer. Ein Seemann mit rotgeränderten Augen saß in einer Ecke, die Pistole in den Händen.

Bolitho betrachtete die Gestalt in der Koje: ein mächtiger, hartgesichtiger Mann von etwa dreißig Jahren, der trotz seiner fürchterlichen Wunden und des Blutverlustes sehr lebendig aussah. Aber mit dem an der Schulter abgerissenen Arm stellte er keine große Gefahr mehr dar.

Die anderen Verwundeten waren einigermaßen gut untergekommen und verhielten sich ruhig. Sie waren alle verbunden und mit Kissen, freien Hängematten, Decken und Kleidungsstücken einigermaßen gegen die heftigen Schiffsbewegungen abgestützt.

Bolitho hielt unter einer wild hin und her schwingenden Lampe inne und fühlte den Schmerz der Verwundeten, ihr fehlendes Verständnis der Situation. Er schämte sich, an seinen eigenen Vorteil zu denken. Die armen Teufel wußten nur, daß sie von ihrem Schiff weggeschafft wurden, das — gut oder schlecht — ihr Heim gewesen war. Wohin ging es jetzt? Mit irgendeinem heimkehrenden Schiff nach England, und dann was weiter? An Land geworfen, ein weiterer Haufen verkrüppelter Seeleute. Helden für die einen, Witzfiguren für die anderen.

«Bald bekommt ihr etwas Heißes zu essen, Jungs.»

Ein paar Köpfe wandten sich ihm zu. Einen Mann erkannte er als Gallimore, einen Seemann, der auf der Trojan als Anstreicher eingesetzt gewesen war. Er war durch Kartätschentreffer schwer verwundet, hatte den größten Teil der rechten Hand verloren und war von großen Holzsplittern im Gesicht getroffen worden.

Es gelang ihm zu flüstern:»Wo segeln wir hin, Sir?»

Bolitho kniete neben ihm nieder. Der Mann würde sterben. Er wußte nicht, wieso, aber es war ihm klar. Andere hier waren schwerer verwundet, trugen aber ihren Schmerz mit Trotz, mit wütender Resignation. Sie würden überleben.

Er antwortete:»Nach English Harbour. Die Ärzte dort können Ihnen helfen. Das werden Sie sehen.»

Der Mann faßte nach Bolithos Hand.»Ich will nicht sterben, Sir. Ich habe Frau und Kinder in Plymouth. «Er versuchte, den Kopf zu schütteln.»Ich muß doch nicht sterben, Sir?»

Bolitho fühlte einen Klumpen in seiner Kehle. Plymouth. Genausogut hätte es Rußland sein können.

«Ruhen Sie sich aus, Gallimore. «Er entzog ihm vorsichtig die Hand.»Sie sind unter Freunden.»

Er ging wieder nach achtern zum Niedergang, tief gebeugt wegen der Decksbalken.

Wind und Gischt waren ihm jetzt beinahe willkommen. Er fand Couzens mit Stockdale am Ruder, während Quinn sich mit zwei Seeleuten nach vorn hangelte.