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Sie sahen sich überraschend ähnlich, wie sie so dasaßen in ihren lehmbraunen Anzügen aus schmiegsamem Stoff, der im Innern der Schutzkombination weder knüllte noch rieb. Sie sahen aus wie Geschwister, obwohl sich Geschwister selten so ähnlich sehen, und sie waren sich einig wie die Angehörigen einer Sekte.

Pünktlich um 20 Uhr, wie vorgesehen, kam über Funk ein Lagebericht aus dem Hauptquartier, der nicht viel mehr besagte, als daß es keine Zwischenfälle gegeben habe. Danach gab der Offizier vom Dienst die Tagesinstruktionen durch – Ausgabe von Treibstoff und Proviant für morgen, Einteilung der Wachen.

Danach kam der Befehlshaber der Abteilung zu einem kurzen Besuch in ihr Zelt. Eigentlich war er ihr Vorgesetzter, aber er gab sich freundschaftlich. Er setzte sich auf die Gummimatratze – neben Sonja, worüber sie alle verstohlen lächelten.

»Kaffee oder Bier?«

»Habt ihr noch Mineralwasser?«

Er hatte den Rang eines Obersten, doch seine Machtbefugnisse reichten weit darüber hinaus. Es war ein offenes Geheimnis, daß er im IKD eine führende Rolle spielte. Seine Scherze waren plump, doch er schien es nicht zu merken, und so wirkten sie nie peinlich; seine Versuche, mit Sonja zu flirten, brachten ihm nur gelassene Antworten ein. Wieder registrierten sie es mit Genugtuung; keiner hatte bei Sonja Erfolg gehabt – jeder hatte es versucht –, und nun gaben sie sich damit zufrieden und empfanden es als eine Art Treue, daß sie den Offizier abblitzen ließ.

»Ihr habt einen Sonderauftrag«, sagte der Oberst, »und ihr seid sorgfältig darauf vorbereitet worden. Die Schwierigkeit liegt darin, daß niemand genau weiß, was ihr tun sollt. Wir wissen zu wenig über die Bewohner der Städte. Was wir wissen, ist Jahrhunderte alt, überholt. Das habt ihr alles gelernt: die gesellschaftliche Ordnung, die Verhaltensweisen, die ethischen Werte, die Sprache...

Ich fürchte nur, daß das meiste sinnlos ist, daß ihr damit nichts anfangen könnt. Wahrscheinlich hat sich alles verändert, ist die Entwicklung weitergegangen – auch bei uns hat sich einiges getan.

Aber in welcher Richtung ging die Entwicklung? Hat ihre Technik weiterhin so große Fortschritte gemacht? Wie sieht ihr politisches System heute aus? Wie läuft ihr Leben ab? Woran arbeiten sie? Welche Ziele haben sie? Wir wissen nicht einmal, wie sie aussehen. Sind sie durch Mutationen verändert? Sind sie degeneriert?«

»Vielleicht leben sie nicht mehr.«

»Aber es gibt doch Anzeichen – die Funksignale...«

»Automaten, die ihre Schöpfer überlebten?«

»Niemand kann sagen, ob die Signale Bedeutung haben.«

»Seit der Isolation gab es keine Nachricht mehr von drüben.«

»Wir waren es selbst, die abgeriegelt haben.«

»Ja, weil wir erkannt haben, daß die größte Gefahr für die Störung eines Systems in der Infiltration von fremdem Gedankengut liegt.«

»Fremdes Gedankengut ist nicht unbedingt schlecht.«

»Es ist destruktiv – für das eigene System, das nach anderen Prinzipien funktioniert.«

»Ob es richtig war oder falsch, was damals geschah... jetzt sind wir in die nächste Phase der Geschichte eingetreten.«

»Warum gerade jetzt?«

Der Oberst beachtete diese Frage nicht. Er veränderte seine Stellung auf der Luftmatratze und versuchte sich bequemer zu setzen.

»Was ich jetzt sagen werde, ist streng geheim. Es betrifft die Vorgeschichte und darf auf keinen Fall an die Öffentlichkeit dringen. Es könnte Unruhe stiften. Das ist auch der Grund dafür, daß es euch erst jetzt mitgeteilt wird.«

Tibor räusperte sich, aber er sagte nichts.

»Die Versuche, die Sperre zu durchbrechen, begannen schon sehr früh, eigentlich schon kurz nach der Isolation. Selbstverständlich wurde der Funkverkehr abgehört, aber wir sind sicher, daß die abgefangenen Zeichen ohne semantischen Inhalt waren. Die Analyse deutete eher auf Steuersignale für Kontrollgeräte, und wir wissen ja, daß diese aktiv waren.

Wir haben das systematisch überprüft – zuerst mit Versuchstieren, später mit Automaten. Die Sperre war lückenlos. Ob am Boden, in der Luft oder unter der Erde, unsere Objekte wurden abgefangen. Sie wurden geortet – und sie wurden zerstört. Nicht immer auf die gleiche Art, aber stets wirkungsvoll. Manchmal waren es ferngesteuerte Flugkörper, manchmal Energiefelder, Licht, Schall oder Elektrizität, manchmal konnten wir nicht feststellen, was sie vernichtet hatte.«

»Und ein direkter Angriff? Wurden auch schnelle Raketen abgefangen?«

»Das ist ein weiteres Kapitel unserer Erfahrungen mit diesem Land. Wir bereiteten uns natürlich auf einen Angriff vor – aus vorsorglichen Gründen selbstverständlich. Plötzlich kam eine Warnung; es ist bis heute ungeklärt geblieben, wie sie von unseren Plänen Wind bekamen.«

»Vielleicht dachten sie nur logisch?«

»Unvermittelt kündigten sie eine Demonstration ihrer Stärke an. Ihr wißt, daß der Mond Sperrgebiet ist, aber ihr wißt nicht warum. Sie benützen ihn als Zielscheibe. Jedes Jahr erfolgt auf der Hinterseite, von der Erde aus unsichtbar, aber durch die Seismographen genau zu orten, eine Explosion. Offenbar handelt es sich um eine Kernwaffe unbekannter Art. Sie haben bereits ein richtiges Muster in den Mondboden gepflügt... witzigerweise ein Sechseckmuster – man weiß nie, wo der nächste Einschlag erfolgt, aber er liegt stets präzise in einem Rasterpunkt.«

»Eine wirksame Abschreckung!«

»Und jetzt?«

»Das Bombardement hat aufgehört.«

»Wann?«

»Vor fünf Jahren.«

»Eine Finte?«

»Wozu?«

»Was steckt dahinter?«

»Vielleicht ist ihr System zusammengebrochen.«

»Vielleicht fühlen sie sich stark genug, um auf eine solche Abschreckung verzichten zu können.«

»Eine Geste der Versöhnung?«

Der Oberst hob die Schultern, rutschte auf seinem Sitz hin und her, wobei er näher an Sonja rückte.

»Vielleicht ein Zeichen der Resignation. Sie müssen bemerkt haben, daß sich unser technischer Stand dem ihren nähert – wir holen auf, besonders auf dem wichtigsten Gebiet, dem der Kybernetik. Vor zwanzig Jahren haben wir unsere groben Probeobjekte durch miniaturisierte Automaten ersetzt. Einige waren nicht größer als Spielwürfel. Einige haben wir als Gesteinsbrocken oder Holzsplitter getarnt, einige in Tiere eingebaut, in Vögel oder Fluginsekten. Sie wurden trotzdem abgefangen, aber immerhin – sie konnten ein gehöriges Stück weit eindringen.«

»Wie steht es jetzt? Ist das Abwehrsystem noch in Betrieb?«

»Soweit wir festgestellt haben, nein. Seit fünf Jahren kommen wir mit unseren Automaten bis an den Rand ihrer Städte. Unsere jetzige Aktion ist die Konsequenz daraus.«

»Aber niemand kann sicher sein...«

»Niemand. Natürlich nicht. Wir tragen ein Risiko. Aber der negative Fall interessiert uns im Moment nicht. Wir stellen uns auf den positiven Fall ein. Morgen werden wir die Stadtgrenze erreichen. Wir haben den Befehl einzudringen. Und dann beginnt eure Aufgabe. Wir werden euch beschützen.«

*

Dan lag auf dem Rücken und starrte zur Decke. Das Lager war weich, der Ventilator trieb einen schwachen Luftzug über ihn hinweg. Die Luft kam aus der Umwälzanlage, aus den Filtern, und nicht von außen. Es gab keine Verbindung mit der Außenwelt. Die Tür war abgeschlossen und ließ sich nur mit einem Spezialschlüssel öffnen, die Fenster waren keine Öffnungen, sondern durchsichtige Stellen in der Kunststoffwand.