»Sehen wir nach!« schlug der Oberst vor.
Sie gingen hinüber, näherten sich dem Stab auf zehn Meter, sahen eine blinkende Kugel am oberen Ende... plötzlich versank das Gebilde im Boden. An seinem Platz fanden sie nichts als eine winzige Mulde, und auch als sie den Sand beiseitescharrten, war keine Spur des Stabs zu finden.
Der Oberst befahl zwei Soldaten, einen Graben auszuheben. In fünfzig Zentimeter Tiefe wurde der Boden merklich härter, sie stießen auf eine Schicht von zusammengebackenem Material, zwischen den Blöcken gab es mit Sand gefüllte Löcher; das war aber auch alles.
»Was meint ihr?« fragte der Major. »Ein Mikrophon? Eine Fernsehkamera?«
»Möglich. Es könnte eine Kugellinse sein, die das Gesamtbild der Umgebung auffängt.«
»... und weiterleitet.«
»Wohin weiterleitet?«
»Wer weiß?«
»Also hat man von uns Kenntnis genommen«, stellte der Oberst fest. Er sagte es völlig ruhig, aber er hatte sich ein wenig geduckt, und seine Hand lag an der Waffe.
»Dieses Ding verrät uns nichts darüber, ob noch Menschen hier sind«, sagte Greg. Sie schlenderten zu den Zelten zurück. »Es könnte zu den automatischen Anlagen gehören.«
»Da!«
»Er ist wieder da!«
»Er beobachtet uns!«
Der Oberst drehte sich um, zog die MP, stellte sie auf Korpuskularstrahlung ein, zielte kurz und schnitt den Stab knapp über dem Boden ab.
»Das hätten Sie nicht tun sollen«, sagte Dan.
Sie liefen hin und sahen, wie der Stumpf im Sand verschwand. Pavel hob den Rest des Stabes auf und gab ihn dem Oberst. Dieser betrachtete ihn und reichte ihn an Josef weiter.
»Untersuchen!«
Unmittelbar danach wurde erste Alarmstufe gegeben. Auf allen Anhöhen ringsum waren schwarze Stäbe erschienen.
Die Stunden flossen zäh dahin. Die Mannschaften hatten nichts zu tun, und der Oberst befahl, um sie abzulenken, die Fahrzeuge zu reinigen. Das war mit den schweren, bleigefüllten Anzügen, mit den heruntergeklappten Visieren eine schwierige Aufgabe, und überdies, wie alle wußten, auch eine unnötige Aufgabe. Sie gehorchten, aber sie gehorchten ungern, und sie waren irritiert durch die schlanken Stäbe, die sie offenbar beobachteten – Stielaugen von Polypen.
Am späten Nachmittag versanken die stummen Wächter plötzlich, und die Stimmung wurde besser.
Josef und Greg bastelten an ihren Funkgeräten herum. Um 18 Uhr gelang es ihnen, über einen Umsetzer Musik zu empfangen. Es war ein Klingen, wie es Stimmgabeln hervorbringen, kurze Glockentöne, kein durchgehender Takt, doch rhythmische Sequenzen, scheinbar willkürlich gereiht.
»Ich weiß nicht, ob das Klangbild stimmt – ich habe möglichst reine Sinustöne zugrunde gelegt.«
»Müßte sich dann nicht auch die Sprache verstehen lassen?«
»Horcht!«
Alle sechs hatten sich eingeschaltet, und jetzt hörten sie Laute, die sicher menschlich waren, obgleich sie verzerrt klangen. Josef änderte die Modulation, und mit einem Mal fiel der quäkende Tonfall weg – sie vernahmen jene Sprache, die sie gelernt hatten, von den Büchern her kannten, von den alten Tonbändern, und von der sie kaum geglaubt hatten, daß sich ihrer noch jemand bediente.
»... 17, 29, 31 gewonnen; 2, 10, 33 pari; 11, 13, 20 verdoppelt; 9, 19, 31 Depot; 12, 18, 23 verloren; 14, 26, 35...«
Es war eine freundliche weibliche Stimme, so präzis, daß sie nicht unbedingt von einem Menschen stammen mußte, und was sie sagte, war nicht besonders inhaltsreich, doch im Moment bewegte es sie, daß sie überhaupt etwas verstehen konnten, und sie lauschten aufmerksam, gewöhnten sich zunehmend an die Aussprache, die nicht ganz mit jener übereinstimmte, die sie geübt hatten, versuchten nachzusprechen...
Als Josef abschaltete, protestierten sie, aber es gab technische Probleme zu lösen – Empfang in anderen Wellenbereichen, vielleicht sogar Video.
»Ist das ein Beweis für Leben?« Alle stellten sich diese Frage.
»Ein Spielmechanismus kann auch weiterlaufen, wenn niemand mehr mitspielt.«
»Wünscht ihr eigentlich, daß wir Menschen finden? Oder wäre es euch lieber, sie lebten nicht mehr?«
»Dann fiele alles ohne Schwierigkeiten in unsere Hände.«
»Es gäbe keinen Widerstand und keine Auseinandersetzung.«
»Und doch – es wäre wunderbar, Menschen zu finden. Dazu sind wir doch schließlich hier!«
Um zwanzig Uhr hatte Josef seine Apparatur soweit, daß er mehrere Stationen empfangen konnte. Die meisten sendeten Zeichenreihen, die unverständlich waren. Greg saß am Computer und suchte nach einem Schlüssel. Er hätte eine größere und schnellere Maschine gebraucht, als sie ihm hier zur Verfügung stand. Doch Funkkontakt mit außen gab es nicht – nach wie vor waren sie auf sich allein angewiesen.
Es wurde 21 Uhr, die Helligkeit der Beleuchtungskörper änderte sich nicht; offenbar gab es hier keinen Wechsel von Tag und Nacht. Sie waren müde, doch als der Befehl zur Nachtruhe kam, konnten die wenigsten einschlafen. Sie lagen in ihren Zelten, auf ihren Luftmatratzen und wälzten sich unruhig hin und her.
»Laß uns doch noch ein wenig Musik hören, Josef!«
Die weichen, dahinspielenden Klänge waren seltsam unwirklich. Sie kamen aus dem Unbestimmten, und sie hörten sich auch so an. Aber sie wirkten beruhigend. Sie erzeugten einen Dämmerzustand, eine entspannte Ruhe.
Und dann wurde die Musik leiser, und eine sanfte Stimme fing zu sprechen an.
... lösen Sie sich von den Dingen die Signale sind leer die Zeichen bedeuten nichts alle Zweifel sind vorbei es war ein schöner Tag kommen Sie mit uns die Erde ist fern wir sind außerhalb des Raums wir sind außerhalb der Zeit
Gedanken sind grenzenlos wir fühlen nichts wir denken nichts wir wünschen nichts löschen Sie Ihr Gedächtnis machen Sie sich schwerelos das Sternenlicht verblaßt es ist Zeit, um auszuruhen es ist alles getan, was zu tun war wer hofft, fürchtet auch wer sich freut, leidet auch der Morgen dämmert es ist alles geschehen, was geschehen konnte es ist alles gedacht, was Sinn hatte es ist alles entstanden, was sich fügen läßt es gibt keine Tatsachen mehr die Wirklichkeit liegt jenseits eines Abgrunds nur ein Schritt führt zum Sirius nur ein Hauch löscht die Sonne kommen Sie mit uns lassen Sie Ihre Augen zurück
Sie werden das Unsichtbare sehen
Sie werden die Unendlichkeit fühlen
Sie werden keine Stunden mehr zählen keine Maße mehr messen es gibt nichts zu erwägen es gibt nichts zu entscheiden es gibt nichts mehr zu tun es war ein schöner Tag heute es war ein Leben voller Wunder werden Sie wie wir bleiben Sie bei uns
Sie gehören zu uns
Sie gehören zu uns...
Sie wurden schläfrig und zufrieden und schlummerten lächelnd ein.
Als am frühen Morgen Alarm gegeben wurde, lag ein Ausdruck des Glücks auf ihren Gesichtern, als hätten sie einen wunderbaren Traum gehabt.
Der Sender schwieg, leise summte das Mikrophon. Josef schaltete es ab.
Strategie der Integration
Integration (lat.) a) allg.: Zusammenschluß, Bildung übergeordneter Ganzheiten b) math.: Aufsummierung differentieller Elemente c) soz.: funktionale Eingliederung eines soziologischen Teilsystems in das Gesamtsystem
Phasen der Integration (soz.) o. propagandistische Präparation
0.1 Funk
0.2 Agenten
0.21 materielle Störaktionen, Sabotage
0.22 psychologische Verunsicherung
1. militärische Aktion, Brechung des Widerstandes
1.0 Psychopharmaka (per Trinkwasser, Nahrungsmittel Versorgung, Klimaanlagen)
1.1 Bakterien, Viren
1.2 chemische Kampfstoffe
1.3 konventionelle Waffen
1.4 A-Waffen (nur im Falle eines Rückzugs)
2. Invasion
2.1 Kommunikationssystem
2.2 medizinisch-psychologische Zentren