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Zu Hause gehe ich mit voller Energie meinem neuen Job nach. Die bedruckten und bestickten T-Shirts kommen überall gut an, sei es als Werbegeschenk oder als Uniform in verschiedenen Unternehmen. Mittlerweile ist der Boom so groß, dass viele Gastronomiebetriebe flippige T-Shirts und bestickte Mützen als Werbeträger sogar verkaufen können. Das Geschäft blüht und damit stimmt die Haushaltskasse. So kann ich einer Frau aus unserer Gruppe, die sich mit ihren zwei Kindern nicht einmal den Bus leisten kann, einen Hunderter zustecken, und durch meine Beziehungen bin ich auch in der Lage, der einen oder anderen Mutter eine bessere Arbeit zu verschaffen.

Ich lerne interessante Frauen kennen, mit denen ich mich häufig auch privat treffe. Eine von ihnen ist Hanni, die sich immer wieder meine Afrikageschichten anhört, während ich ihr die Kollektion zeige. Sie ist so begeistert von den Erzählungen, dass sie mir jedes Mal rät, mein Leben in Buchform zu fassen. Ich lache und sage: »Hanni, erstens kann ich das nicht und zweitens habe ich einen Vollzeitjob, und dazu noch eine Tochter und einen Haushalt.« Für mich ist das Thema damit erledigt, doch Hanni wird auch in den kommenden Monaten keine Ruhe mehr geben.

Mitte Februar 1994 erhalte ich erneut einen Brief aus Kenia. Voller Neugier öffne ich ihn und lese zuerst wie immer die lieben Grüße von der ganzen Familie. Dann schreibt James, dass er in Mombasa gewesen sei und Lketinga gefunden hätte. Er sei in einem sehr schlechten, abgemagerten Zustand gewesen und hätte viele Probleme gehabt. Er besitze kein Auto mehr, ja nicht einmal mehr ordentliche Kleider. Er, James, hätte ihm erst einmal welche kaufen müssen und habe ihn nun nach Hause begleitet. Jetzt sei er bei Mama. Lketinga wolle wieder heiraten, doch James denke nicht, dass das möglich sein wird, weil er für eine Heirat nicht genug besitzt. Weiter schreibt er, dass das monatliche Geld, das ich für Mama auf die Mission einbezahlt hatte, seit diesem Monat aufgebraucht sei. Mama wolle sich bei mir nochmals bedanken für die lang andauernde Unterstützung. Dann bittet er um einen erneuten Geldbetrag, da Mama Augenprobleme habe, die nur ein Arzt lösen kann. Er werde wieder schreiben, sobald es Neues zu berichten gäbe, speziell über Lketinga.

Ich bin beruhigt, dass Lketinga nun endlich, nach so langer Zeit, wieder zu Hause wohnt. Gleichzeitig bin ich traurig, dass nichts, aber auch gar nichts von dem einstigen Reichtum übrig geblieben ist. Trotzdem hoffe ich, dass er einen Weg finden wird, um wieder heiraten zu können. Komisch, denke ich, vor nicht einmal zwei Monaten wurde ich von Lketinga geschieden, nachdem ich über drei Jahre nichts mehr von ihm gehört hatte, und jetzt taucht er zu Hause auf und spricht seinerseits von Heirat. Wie seltsam das Schicksal doch ist!

Die Zeit vergeht wie im Flug. Die Wochenenden sind meistens für meine Freundinnen und ihre Kinder reserviert. Jetzt im Winter gehen wir öfter Schlittschuhlaufen oder an den Hängen am Dorfrand Schlitten fahren, was uns vor allem nachts großen Spaß macht. Danach sitzen wir alle in meiner warmen Wohnung und quatschen, während die Kinder am Boden spielen.

Eines Tages, es geht auf den Frühling zu, klingelt das Telefon und ich bin erstaunt, die Stimme von Andrea, der Deutschen mit den langen blonden Haaren, zu vernehmen. Im Urlaub tauscht man ja oft Adressen aus, wenn die Ferien dem Ende zugehen, aber in der Regel hört man dann nichts mehr voneinander. Andrea möchte uns nun besuchen. Napirai freut sich sehr. Bereits eine Woche später trifft sie bei uns ein, allerdings ohne ihren Lebenspartner. Wir tauschen Urlaubsfotos aus und erzählen einander viel. Dabei erfahre ich, dass sie in ihrer Beziehung nicht mehr recht glücklich ist, da ihr Freund nahezu keine Zeit für sie hat. Napirai schlägt vor, sie solle uns einfach mehr besuchen kommen. Sie werde ihr dafür wunderschöne Frisuren machen. Andrea ist zwar von dieser Aussicht nicht allzu sehr begeistert, doch verspricht sie ihr, bald wieder zu kommen. Bereits einige Wochen später löst sie dieses Versprechen ein, nachdem ich sie gefragt hatte, ob sie Lust und Zeit hätte, bei einer Geschäftseröffnung von Freunden, die auch gute Kunden sind, mitzuhelfen. Sie war sofort einverstanden und so bewältigen wir gemeinsam die Organisation einer gelungenen Unternehmung. Dieser Abend wird ihr Leben verändern, denn sie verliebt sich. Ein halbes Jahr später wird sie in die Schweiz ziehen und ein Jahr darauf verheiratet sein. Wir pflegen weiterhin eine gute Freundschaft, die später auch mein Leben nochmals drastisch verändern wird.

Anfang 1995 trifft ein erfreulicher Brief von James ein. Er schreibt, dass Lketinga eine junge Frau geheiratet hat, die auch gleich schwanger wurde. Über diese Neuigkeit bin ich überglücklich und sehr erleichtert, dass er wieder Vater werden wird. Seine Frau sei ein Mädchen, das nahe bei unserer Manyatta gewohnt habe. Er werde mir ein Bild schicken, sobald er die Möglichkeit hat, sich einen Fotoapparat zu borgen. Ich bin sehr gespannt, wer dieses Mädchen ist, denn wenn sie in unserer Nähe gelebt hat, werde ich sie sicher erkennen. Ich freue mich so sehr für Lketinga, dass ich umgehend einen Antwortbrief schreibe und auch Geld überweise, damit er sich eine Kuh für die Hochzeit kaufen kann. Wie das Kind der beiden wohl aussehen wird? Ob vielleicht eine Ähnlichkeit mit Napirai zu erkennen ist? Im Moment muss ich meine Neugier zügeln und mich in Geduld üben. Auch wenn es James gelingt, einen Fotoapparat zu organisieren, wird das Entwickeln weitere zwei Monate dauern.

Meine Arbeit macht immer noch viel Spaß, unter anderem auch deshalb, weil mein Umsatz nach wie vor erfreulich steigt. Allerdings bekommen wir im Verlauf des Frühlings einen neuen Mitarbeiter, der zur Unterstützung der Geschäftsleitung eingesetzt werden soll. Schon bei der ersten Begegnung merke ich, dass er ein völlig anderer Typ als mein jetziger Chef ist und ich kann mir nicht vorstellen, wie die beiden zusammenarbeiten sollen. Aber mir kann es egal sein, denn ich arbeite sozusagen selbstständig und bin selten im Betrieb. Ich habe andere Probleme, denn Napirai wird nach den Sommerferien in den Kindergarten gehen. Das bedeutet, dass ich einen neuen Betreuungsplatz suchen muss, weil ihre jetzige Tagesmutter nicht in unserer Gemeinde wohnt. Wieder haben wir großes Glück, denn meine Tochter kann bei einer Familie unterkommen, die sie bereits kennt. Die neuen Pflegeeltern haben vier eigene Kinder, ein Mädchen und drei Jungen. Auch hier dauert es nicht allzu lange, bis Napirai sich zu Hause fühlt, obwohl es am Anfang für sie eine große Umstellung ist, die Aufmerksamkeit mit so vielen anderen Kindern teilen zu müssen. Im selben Jahr ziehen auch meine Mutter und Hanspeter in unser Dorf.