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Die Rückkehr

Athos und Aramis hatten sich auf den Weg begeben, den ihnen d'Artagnan angedeutet, und sich nach Kräften beeilt. Wenn sie schon verhaftet werden sollten, so schien ihnen das vorteilhafter in der Nähe von Paris, als weit davon entfernt. Sonach hatten sie, aus Besorgnis, festgenommen zu werden, jeden Abend, entweder an die Wand oder an die Fensterscheiben, das verabredete Erkennungssignal gezeichnet, doch erwachten sie jeden Morgen frei, zu ihrer großen Verwunderung. Während der sechs Wochen ihrer Abwesenheit hatten sich in Frankreich so viele kleine Dinge ereignet, daß sie fast ein großartiges Ereignis ausmachten. Als die Pariser am Morgen ohne König und ohne Königin erwachten, waren sie ob dieser Verlassenheit sehr bestürzt, und die gewünschte Abwesenheit Mazarins leistete für die zwei erlauchten Flüchtlinge keinen Ersatz. Die erste Empfindung, welche Paris erschütterte, als es die Flucht nach Saint-Germain vernahm, eine Flucht, von der wir den Leser zum Zeugen gemacht haben, war somit jene Art von Schrecken, der die Kinder ergreift, wenn sie bei Nacht oder in der Einsamkeit aufwachen. Das Parlament geriet in Unruhe, und man beschloß, eine Deputation an die Königin zu schicken und sie bitten zu lassen, daß sie Paris nicht länger ihrer königlichen Gegenwart berauben wolle. Allein, die Königin fühlte noch den doppelten Eindruck des Triumphes von Lens und des Stolzes über ihre gelungene Flucht. Die Abgesandten genossen nicht allein nicht die Ehre, von ihr empfangen zu werden, man ließ sie auch noch auf der Straße warten, wo ihnen der Kanzler - jener Kanzler Seguier, welchen wir im ersten Teile des Werkes hartnackig einen Brief bis in das Mieder der Königin verfolgen sahen - den Endbeschluß des Hofes überbrachte, der dahin lautete, daß, falls sich das Parlament vor der königlichen Majestät nicht demütige und sein Unrecht über alle die Punkte eingestehe, welche den Streit veranlaßt haben, der sie entzweite, Paris am nächsten Tage belagert werden sollte; daß sogar in der Voraussicht dieser Belagerung der Herzog von Orleans bereits Saint-Cloud, und der Prinz, von seinem Siege bei Lens noch ganz strahlend, Charenton und Saint-Denis besetzt halten. Für den Hof, dem vielleicht eine gemäßigte Antwort wieder eine große Anzahl Parteigänger verschafft hätte, hatte diese drohende Antwort leider eine Wirkung hervorgebracht, die der erwarteten ganz entgegengesetzt war. Sie beleidigte den Stolz des Parlaments, da es sich von der Bürgerschaft energisch unterstützt fühlte, der die Begnadigung Broussels den Maßstab von ihrer Kraft gegeben hatte, und das auf diese offenen Briefe mit der Erklärung antwortete, daß es den Kardinal Mazarin, als anerkannten Urheber all dieser Zerwürfnisse, für den Feind des Königs und des Landes erkläre, und ihm gebiete, sich noch am nämlichen Tage vom Hofe und innerhalb acht Tagen aus Frankreich zu entfernen, und alle Untertanen des Königs aufforderte, ihn, falls er nicht gehorchte, nach Verlauf dieser Frist festzunehmen. Diese energische Antwort, welche der Hof nicht im geringsten erwartet hatte, erklärte zugleich Paris und Mazarin außerhalb der Gesetze. Es erübrigte nur noch, zu erfahren, ob das Parlament oder der Hof obsiegen würde. Der Hof traf nun seine Anstalten zum Angriff, und Paris traf Anstalten zur Verteidigung. Die Bürger beschäftigten sich sonach mit dem, was Bürger zur Zeit eines Aufruhrs zu tun pflegen, sie spannten nämlich Ketten und rissen das Pflaster der Stadt auf, als sie in Begleitung des Koadjukars den Prinzen von Conti, Bruder des Prinzen von Conde, und den Herzog von Longueville, seinen Schwager, zu ihrem Beistande herbeikommen sahen. Jetzt waren sie getröstet, da sie zwei Prinzen von Geblüt für sich und überdies den Vorteil der Mehrzahl hatten. Diese unvermutete Hilfe war den Parisern am zehnten Januar gekommen. Nach einer stürmischen Diskussion wurde der Prinz von Conti zum Generalissimus des königlichen Heeres außerhalb Paris erwählt, und die Herzoge von Elboeuf und von Bouillon nebst dem Marschall de la Mothe zu Generalleutnants. Der Herzog von Longueville, ohne Rang und Titel, begnügte sich mit dem Amte, seinem Schwager beizustehen. Was Herrn von Beaufort betrifft, so war er von Vendomois angekommen, während er, laut der Chronik, seine stolze Miene, die schönen und langen Haare und jene Volkstümlichkeit mitbrachte, die ihm das Königtum der Hallen verschaffte. Die Pariser Armee organisierte sich nun mit jener Geschwindigkeit, welche die Bürger zu haben pflegen, wenn sie durch irgendein Gefühl angeregt werden, sich in Soldaten zu verwandeln. Am neunzehnten versuchte dieses improvisierte Heer einen Ausfall, weit mehr, um sich und die anderen von seiner Existenz zu überzeugen, als etwas Ernstes zu wagen, während es eine Fahne in der Luft flattern ließ, auf der man den sonderbaren Spruch laß: »Wir suchen unseren König!« In den folgenden Tagen beschäftigte man sich mit kleinen, vereinzelten Operationen, die kein anderes Resultat herbeiführten, als daß man einige Herden wegtrieb, und zwei bis drei Häuser in Brand steckte. So kam der Februar heran, und am ersten dieses Monats waren unsere vier Freunde in Boulogne gelandet, wo sie dann, jeder nach seiner Seite, ihren Weg nach Paris einschlugen. Gegen das Ende des vierten Tages ihrer Reise vermieden sie vorsichtig Nanterre, um nicht irgendeiner Partei der Königin in die Hände zu geraten. Athos traf höchst ungern diese Vorsichtsmaßregeln, allein Aramis machte ihm sehr einsichtsvoll begreiflich, daß sie kein Recht hätten, unvorsichtig zu sein, daß ihnen König Karl eine letzte, geheiligte Sendung anvertraut habe, und daß diese am Fuße des Schafotts erhaltene Sendung erst zu den Füßen der Königin vollbracht wäre. Athos gab also nach. In den Vorstädten trafen unsere Reisenden eine gute Bewachung; ganz Paris stand unter den Waffen. Die Schildwache verwehrte den zwei Edelleuten den Einlaß, und rief ihren Sergeanten. Dieser kam sogleich hervor, gab sich ganz die wichtige Miene, welche die Bürger anzunehmen pflegen, wenn sie so glücklich sind, mit einer militärischen Würde bekleidet zu werden, und fragte: »Wer seid Ihr, meine Herren?« »Zwei Kavaliere,« entgegnete Athos. »Woher kommt Ihr?« »Von London.« »Was wollt Ihr in Paris?« »Einen Auftrag an

Ihre Majestät die Königin von England ausrichten.« »Wie das, heute geht ja alles zu der Königin von England,« versetzte der Sergeant. »Wir haben bereits drei Edelleute auf diesem Posten in ihren Pässen untersucht, welche zu Ihrer Majestät gehen. Wo sind Eure Pässe?« »Wir haben keine.« »Wie doch, Ihr habt leine.« »Nein, wir kommen, wie schon gesagt, aus England, und wissen ganz und gar nicht, wie sich die politischen Angelegenheiten verhalten, da wir Paris vor der Abreise des Königs verlassen haben.« »Ha,« rief der Sergeant mit verschmitzer Miene, »Ihr seid Mazariner und möchtet gern zu uns übertreten, um uns auszukundschaften.« »Lieber Freund,« erwiderte Athos, der die Sorge zu antworten, bisher Aramis überlassen hatte, »wenn wir Mazariner wären, hätten wir gewiß alle möglichen Pässe. O, glaubt mir, setzt in Eurer Stellung vornehmlich in diejenigen ein Mißtrauen, deren Papiere vollkommen in Ordnung sind.« »Geht hinein in die Wachstube,« sprach der Sergeant, »und tragt Eure Gründe dem Wachkommandanten vor.« Er winkte der Schildwache, und diese trat zur Seite; der Sergeant ging in die Wachstube voraus, und die zwei Kavaliere folgten ihm. Die Wachstube war von Bürgern und Leuten aus dem Volke angefüllt; die einen spielten, die andern tranken und wieder andere unterredeten sich. In einer Ecke standen die drei zuerst angekommenen Edelleute, deren Pässe der Offizier untersucht hatte. Der Offizier befand sich in einem anstoßenden Zimmer, da ihm die Wichtigkeit seines Ranges eine besondere Wohnung einräumte. Die erste Bewegung der neuen Ankömmlinge und der zuerst Angekommenen war, daß sie sich von den beiden Enden der Wachstube einen schnellen und forschenden Blick zuwarfen. Die zuerst Angekommenen waren in lange Mäntel gehüllt. Der eine von ihnen war weniger groß als sein Begleiter, und stand im dunklen Hintergrunde. Auf die Anzeige des Sergeanten bei seinem Eintreten, daß er wahrscheinlich zwei Mazariner bringe, spannten die drei Kavaliere die Ohren und lauschten. Der kleinste von ihnen, der zwei Schritte vorgetreten war, wich wieder zurück und stand abermals im Schatten. Bei der Anzeige, daß die neuen Ankömmlinge ohne Pässe seien, schien die einhellige Meinung der Wache dahin zu gehen, daß sie die Stadt nicht betreten sollten. »Ha doch, meine Herren,« sprach Athos, »es ist im Gegenteile wahrscheinlich, daß Ihr uns einlasset, da wir wohl, wie ich glaube, mit vernünftigen Männern zu tun haben. Die Sache macht sich sehr einfach; man melde nämlich unsere Namen Ihrer Majestät der Königin von England, und wenn sie für uns bürgt, so werdet Ihr, wie ich hoffe, unserm freien Eingang durchaus kein Hindernis mehr in den Weg legen.« Bei diesen Worten verdoppelte jener Edelmann, der im Schatten stand, seine Aufmerksamkeit, und machte dabei eine solche Bewegung der Überraschung, daß sein Hut, zurückgestoßen von dem Mantel, in welchen er sich noch sorgfältiger einhüllte, zu Boden fiel; er bückte sich und hob ihn schnell wieder auf. »O Gott,« flüsterte Aramis, während er Arthos mit dem Ellenbogen anstieß; »habt Ihr gesehen?«