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Die Botschafter

Die zwei Freunde begaben sich sogleich auf den Weg, und ritten über den steilen Abhang der Vorstadt hinab, als sie aber unten ankamen, sahen sie mit Schrecken, daß die Straßen von Paris in Flüsse und die Plätze in Seen verwandelt waren; infolge des großen Regengusses im Monat Januar war die Seine über die Ufer getreten, und der Strom überschwemmte zuletzt die halbe Hauptstadt. Athos und Aramis ritten verwegen in diese Überflutung; doch standen die armen Pferde alsbald bis an die Brust im Wasser, und die zwei Kavaliere mußten sich entschließen, abzusteigen und einen Kahn zu nehmen, wonach sie den Bedienten auftrugen, sie bei den Hallen zu erwarten. Somit kamen sie zu Schiffe nach dem Louvre.

Man gelangte Wohl zur Königin, mußte jedoch im Vorzimmer warten, weil Ihre Majestät soeben Edelleuten Audienz gab, welche ihr Nachrichten aus

England brachten. »Auch wir,« sprach Athos zu dem Diener, der ihm diese Antwort gab, »auch wir bringen nicht bloß Nachrichten von England, sondern kommen soeben von dort an.«

»Wie nennen Sie sich denn, meine Herren?« fragte der Bediente. »Graf de la Fere und Chevalier d'Herblay,« entgegnete Aramis. Als der Diener diese Namen vernahm, welche die Königin so oft in ihrer Hoffnung ausgesprochen hatte, erwiderte er ihnen: »Meine Herren, in diesem Falle ist es etwas anderes, und ich denke, Ihre Majestät würde mir nicht vergeben, wollte ich Sie eine Minute lang warten lassen. Ich bitte also, folgen Sie mir.« Er ging voraus, Athos und Aramis folgten.

Als sie bei dem Zimmer ankamen, gab er ihnen einen Wink, zu warten, und während er die Tür öffnete, sprach er: »Madame, ich hoffe, daß mir Ihre Majestät vergeben wird, wider Ihre Befehle gehandelt zu haben, wenn sie erfährt, daß diejenigen, welche ich anmelde, der Herr Graf de la Fere und der Chevalier d'Herblay sind,« Auf diese zwei Namen erhob die Königin einen Freudenschrei, den auch die beiden Kavaliere von ihrem Platze aus hörten. »Die arme Königin!« murmelte Athos. »O, laßt sie eintreten! laßt sie eintreten!« rief nun auch die junge Prinzessin, und eilte nach der Türe. Das arme Kind verließ seine Mutter nicht, und suchte, sie durch seine kindliche Sorgfalt die Abwesenheit ihrer beiden Brüder und der Schwester vergessen zu machen. »Tretet ein, meine Herren!« rief sie, »tretet ein!« Sie öffnete ihnen selbst die Türe. Athos und Aramis traten ein. Die Königin saß in einem Lehnstuhl, und vor ihr standen zwei von jenen drei Kavalieren, welche sie in der Wachstube gesehen hatten. Es waren die Herren von Flamarens und Gaspard von Coligny, Herzog von Chatillon. Als die zwei Freunde angemeldet wurden, traten sie einen Schritt zurück, und flüsterten sich besorgt einige Worte zu.

»Nun, meine Herren,« sprach die Königin von England, als sie Athos und Aramis sah, »endlich seid Ihr hier, treue Freunde! jedoch die Staatskuriere reisen noch schneller als Ihr. Der Hof war von den Angelegenheiten in London in dem Augenblicke unterrichtet, als ihr an die Tore von Paris kamet, und hier sind die Herren von Flamarens und von Chatillon, welche mir im Namen Ihrer Majestät der Königin Anna die neuesten Nachrichten bringen.«

Aramis und Athos blickten sich an; sie staunten ungemein über die Ruhe und selbst Freude, welche in den Blicken der Königin strahlte.

»Erzählt gefälligst weiter,« sprach sie, indem sie sich an die Herren von Flamarens und von Chatillon wandte; »Ihr habt also gesagt, Se. Majestät. Karl I., mein erlauchter Gemahl, sei trotz des Wunsches der Mehrheit der englischen Nation zum Tode verurteilt worden?«

»Ja, Madame,« stammelte Chatillon.

Athos und Aramis blickten sich stets verwunderter an.

»Er sei auf das Schafott geführt,« fuhr die Königin fort, »auf das Schafott, ach, mein Herr und mein König! - er sei auf das Schafott geführt, und von dem entrüsteten Volke gerettet worden.«

»Ja, Madame,« erwiderte Chatillon mit so leiser Stimme, daß die zwei Kavaliere, ungeachtet ihrer Aufmerksamkeit, diese Bejahung kaum hören konnten. Die Königin faltete die Hände mit großherziger Dankbarkeit, indes die Tochter einen Arm um den Hals der Mutter schlang und ihre von Freudentränen feuchten Augen küßte.

»Nun erübrigt uns nur noch, uns Ihrer Majestät untertänigst zu empfehlen,« sprach Chatillon, dem die Rolle beschwerlich schien und der unter Athos' festem, durchbohrendem Blicke sichtlich errötete.

»Noch einen Augenblick, meine Herren,« sprach die Königin, und hielt sie mit einem Winke zurück. »Einen Augenblick, denn hier sind die Herren de la Fere und d'Herblay, welche von London kommen, wie Ihr hören konntet, und die Euch vielleicht als Augenzeugen Näheres, was Ihr nicht wisset, werden berichten können. Überbringt sodann diese näheren Umstände der Königin, meiner guten Schwester. Redet, meine Herren, redet, ich höre. Verheimlicht nichts und schonet nichts. Wenn Se. Majestät noch lebt und die königliche Ehre bewahrt ist, so ist mir alles übrige gleichgültig.«

Athos wurde blaß und legte eine Hand auf sein Herz.

»Nun,« sprach die Königin, welche diese Bewegung und diese Blässe bemerkte, »so redet doch, mein Herr, ich bitte Euch.«

»Um Vergebung, Madame,« erwiderte Athos, »allein ich will dem Berichte dieser Herren nichts beifügen, ehe sie nicht selber einsehen, das sie sich vielleicht geirrt haben.«

»Geirrt!« rief die Königin fast erstickt, »geirrt! - Was ist es denn? Ach mein Gott!«

»Meine Herren,« versetzte Herr von Flamarens, zu Athos gewendet; »wenn wir uns geirrt haben, so kommt der Irrtum von seiten der Königin, und ich sehe voraus, Ihr werdet nicht so vermessen sein, ihn zu berichtigen und damit Ihre Majestät Lügen strafen.« »Mein Herr, von seiten der Königin?« fragte Athos mit seiner ruhigen und klangvollem Stimme, »Ja,« murmelte Flamarens mit niedergeschlagenen Augen. Athos seufzte traurig. »Geschieht das nicht vielmehr von seiten desjenigen, der Euch begleitete, und den wir mit Euch in der Wachstube der Barriere Roule gesehen haben, daß dieser Irrtum bestehe?« fragte Aramis mit seiner beißenden Höflichkeit; »denn wenn wir uns nicht getäuscht haben, der Graf de la Fere und ich, so seid Ihr zu dreien nach Paris gekommen.« Chatillon und Flamarens erbebten. »Doch erklärt Euch, Graf,« sprach die Königin in ihrer Beängstigung, die sich von Augenblick zu Augenblick vermehrte; »ich lese auf Eurer Stirn die Verzweiflung. Euer Mund zaudert, mir eine entsetzliche Botschaft zu bringen, Eure Hände beben — Ach, mein Gott, mein Gott, was ist denn vorgefallen!« »O Herr!« seufzte die junge Prinzessin, während sie neben ihrer Mutter auf die Knie sank, »erbarmet Euch unser!« »Mein Herr,« versetzte Chatillon, »wenn Ihr eine traurige Botschaft bringt, so handelt Ihr grausam, wenn Ihr sie der Königin mitteilt.«