Beide stiegen wieder in den Kahn, der sie hergeführt hatte, und ließen sich nach den Hallen rudern. Dort trafen sie Grimaud und Blaisois, welche ihre Pferde hielten, und alle vier ritten nach der Straße Guonegaud. Allein Rudolf befand sich nicht im Gasthause »Karl der Große«; er hatte dieser Tage einen Brief von dem Prinzen bekommen und sich auf der Stelle mit Olivain auf den Weg gemacht.
Die drei Leutnants des Generalissimus.
Wie Athos und Aramis übereingekommen und in der abgemachten Ordnung begaben sie sich von dem Gasthause »Kaiser Karl der Große« nach dem Hotel des Herzogs von Bouillon. Athos und Aramis waren nicht hundert Schritt weit gekommen, ohne daß sie von den Schildwachen an den Barrikaden angehalten wurden, die sie um das Losungswort befragten; sie gaben zur Antwort, daß sie zu Herrn von Bouillon gingen, um ihm eine wichtige Nachricht zu bringen; und so gab man ihnen bloß einen Führer mit, der unter dem Vorwande, sie zu begleiten und ihnen den Durchgang zu erleichtern, über sie zu wachen hatte. Dieser schritt ihnen voran und sang:
»Ce brave monsieur de Bouillon
Est incommode de la goutte.
(Dieser brave Herr von Bouillon
Ist gequält vom Zipperlein.)
Das war ein neues Triolett, welches aus, ich weiß nicht wie vielen Couplets bestand, worin jeder sein Teil bekam. Als man in die Nähe des Hotels von Bouillon kam, kreuzte man eine kleine Schar von drei Reitern, die alle Losungsworte von der Welt hatten, denn sie ritten ohne Führer und Eskorte, und hatten an den Barrikaden bloß mit denen, welche sie bewachten, einige Worte zu wechseln, um sie mit all der Ehrerbietung vorüber zu lassen, welche sie zweifelsohne ihrem Range schuldig waren. Bei ihrem Anblick hielten Athos und Aramis an. »O!« rief Aramis. »Graf, seht Ihr?« »Ja,« entgegnete Athos. »Was haltet Ihr von diesen drei Reitern?« »Und Ihr, Aramis?« »Nun, daß es unsere Männer sind.« »Ihr habt nicht geirrt, ich habe Herrn von Flamarens sicher erkannt.« »Und ich Herrn von Chatillon.« »Was den Reiter im braunen Mantel betrifft... .« »Es ist der Kardinal.« »In Person.« »Potz Wetter, er wagt sich so in die Nähe des Hotels von Bouillon,« versetzte Aramis. Athos lächelte, ohne zu antworten. Fünf Minuten später klopften sie an der Türe des Prinzen. An der Türe stand eine Schildwache, wie es bei Personen höheren Standes der Gebrauch ist; es war sogar ein kleiner Posten im Hofraum, gewärtig, den Befehlen des Leutnants des Prinzen von Conti Folge zu leisten. Wie es im Liede hieß, so litt der Herzog von Bouillon an der Gicht und lag im Bett; allein trotz dieses bedenklichen Übels, das ihn seit Monatsfrist, das ist seit Paris belagert wurde, abgehalten hatte, ein Pferd zu besteigen, ließ er doch zurückmelden, er sei bereit, den Herrn Grafen de la Fere und Herrn Chevalier d'Herblay zu empfangen. Die zwei Freunde wurden nun bei dem Herzoge von Bouillon eingeführt. Der Kranke lag in seinem Zimmer wohl zu Bette, jedoch umgeben von allen erdenklichen kriegerischen Rüstungen. Man erblickte an den Wänden nichts als Schwerter, Pistolen, Panzer und Gewehre, und es ließ sich erachten, sobald Herr von Bouillon die Gicht nicht mehr hätte, würde er den Feinden des Parlaments tüchtig zu schaffen geben. Nunmehr mußte er aber zu seinem großen Leidwesen, wie er sagte, das Bett hüten. »Ach, meine Herren,« rief er, »Ihr seid recht glücklich, da Ihr reiten, hierhin und dorthin gehen und für die Sache des Volkes kämpfen könnet. Allein ich bin an das Bett geheftet, wie Ihr seht. O, die Teufelsgicht!« ächzte er und verzog abermals das Gesicht. »Gnädiger Herr,« sprach Athos, »wir kommen soeben aus England an, und es war bei unserer Ankunft in Paris unsere erste Sorge, uns nach Ihrem Befinden zu erkundigen.« »Großen Dank, meine Herren, großen Dank!« entgegnete der Herzog. »Um mein Befinden steht es schlimm, wie Ihr seht ... die Teufelsgicht! Ah, Ihr kommt von England? und der König Karl befindet sich wohl, wie ich erfahren habe?« »Er ist tot, gnädigster Herr!« erwiderte Aramis. »Bah!« machte der Herzog verwundert. »Er ward durch das Parlament verurteilt und starb auf dem Schafott.« »Unmöglich!« »Er ward vor unseren Augen hingerichtet.« »Was erzählte mir denn Herr von Flamarens?« »Herr von Flamarens?« wiederholte Aramis. »Ja, er ging eben von mir weg.« Athos lächelte und fragte: »Mit zwei Begleitern.« »Ja, mit zwei Begleitern,« antwortete der Herzog; dann fügte er mit einiger Besorgnis bei: »Seid Ihr ihnen vielleicht begegnet?« »Jawohl, auf der Straße, wie ich glaube,« versetzte Athos. Er sah Aramis lächelnd an, der ihn gleichfalls mit einer etwas verwunderten Miene anblickte. »Die Teufelsgicht!« ächzte der Herzog und fühlte sich augenscheinlich unwohl. »Gnädiger Herr,« sprach Athos, »es ist wirklich Ihre ganze Aufopferung für die Pariser Sache notwendig, um so leidend, wie Sie sind, an der Spitze der Kriegsscharen zu bleiben, wobei diese Beharrlichkeit in der Tat die Bewunderung des Herrn d'Herblay wie die meinige erweckt.« »Was wollt Ihr, meine Herren? Man muß doch - und Ihr, die Ihr so wacker und ergeben seid, Ihr, denen mein werter Kamerad, der Herzog von Beaufort, die Freiheit und vielleicht auch das Leben verdankt, Ihr seid ein Beispiel davon - man muß sich wohl aufopfern für das allgemeine Beste. Ich opfere mich auch auf, wie Ihr seht, allein ich bekenne, daß meine Kräfte zu Ende gehen. Das Herz ist gesund, der Kopf ist gesund, allein die Teufelsgicht tötet mich, und ich bekenne, daß, wenn der Hof meinen Anforderungen Gerechtigkeit widerfahren läßt, ganz billigen Anforderungen, da ich bloß eine vom vorigen Kardinal mir zugesicherte Schadloshaltung will, die er mir zugesagt, als man mir mein Fürstentum Sedan wegnahm; ja, ich bekenne, wenn man mir Krongüter von gleichem Werte gibt, wenn man mich für den Nichtgenuß dieses Besitztums, seit es mir weggenommen, nämlich seit acht Jahren, entschädigt, wenn der Titel Prinz denen zugestanden wird, welche meinem Hause angehören, und wenn mein Bruder Turenne wieder sein Kommando erhält, so will ich mich sogleich auf meine Güter zurückziehen und den Hof und das Parlament sich nach Belieben ins Einvernehmen setzen lassen.« »Sie hätten auch ganz recht, gnädigster Herr,« sprach Athos. »Das ist Eure Ansicht, nicht wahr, Herr Graf de la Fere?« »Ganz und gar.« »Und auch die Eurige, Herr Chevalier d'Herblay?« »Vollkommen.« »Nun, meine Herren,« fing der Herzog wieder an, »ich bekenne Euch, daß ich diese Ansicht ganz wahrscheinlich adoptieren werde. Der Hof macht mir in diesem Augenblicke Eröffnungen, und es steht nur bei mir, drauf einzugehen. Bis jetzt habe ich sie zurückgewiesen; da mir aber Männer, wie Ihr seid, sagen, ich habe unrecht, und da mich besonders diese Teufelsgicht unfähig macht, der Pariser Sache irgendeinen Dienst zu leisten, so habe ich, meiner Treue, große Lust, Euren Rat zu befolgen und den Vorschlag einzugehen, welchen mir soeben der Herr von Chatillon getan hat.«