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»Gehen Sie ihn ein, Prinz, gehen Sie ihn ein,« sagte Aramis. »Meiner Treue, ja, ich bin sogar verdrießlich, daß ich ihn diesen Abend zurückgewiesen habe - doch morgen haben wir eine Zusammenkunft, und da wollen wir sehen.«

Die zwei Freunde verneigten sich vor dem Herzoge; dieser sprach zu ihnen: »Geht, meine Herren, geht, Ihr müßt von der Reise sehr erschöpft sein. Der arme König Karl! Bei allem dem aber ist er ein bißchen selber schuld, und es muß uns trösten, daß sich hierbei Frankreich keinen Vorwurf zu machen hat, und daß es zu seiner Rettung alles getan hat, was es vermochte.« »O, was das betrifft,« versetzte Aramis, »so sind wir Zeugen davon. Zumal Herr von Mazarin -« »Nun seht, es freut mich sehr, daß Ihr ihm dieses Zeugnis erteilt; es liegt etwas Gutes in dem Kardinal, und wäre er nicht Ausländer - - so würde man ihm zuletzt Gerechtigkeit widerfahren lassen. - Ach, die Teufelsgicht!« Athos und Aramis gingen fort, allein das Ächzen des Herrn von Bouillon folgte ihnen bis in das Vorgemach; dieser arme Prinz litt augenscheinlich Höllenschmerz. Als sie zu dem Straßentore kamen, sagte Aramis zu Athos: »Nun, was denkt Ihr von ihm?« »Von wem?« »Bei Gott, von Herrn von Bouillon.« »Freund, ich denke von ihm das,« erwiderte Athos, »was das Triolett unseres Führers von ihm sagt:

>Dieser brave Herr von Bouillon

Ist gequält vom Zipperlein.<«

»Ich erwähnte somit auch nichts von dem Gegenstande, der uns herführte,« sprach Aramis. «Da habt Ihr vorsichtig gehandelt; sonst hättet Ihr ihm wieder einen Anfall verursacht. Laßt uns jetzt zu Herrn von Beaufort gehen.« Die zwei Freunde begaben sich auf den Weg nach dem Hotel Vendome. Es schlug zehn Uhr, als sie dort ankamen. Das Hotel Vendome war ebenso gut bewacht, und bot einen ebenso kriegerischen Anblick wie das des Herrn von Bouillon. Es befanden sich hier Schildwachen, ein Posten im Hofraum, zusammengestellte Gewehre, gesattelte, am Ringe befestigte Pferde. Zwei Reiter, welche das Hotel in dem Momente verließen, wo Athos und Aramis hineinritten, mußten, um diese durchzulassen, einen Schritt weit zurückreiten. »Ah, meine Herren!« rief Aramis, »das ist wahrhaft die Nacht der Begegnungen, und ich gestehe, daß wir uns, nachdem wir heute schon so oft zusammengetroffen sind, unglücklich fühlten, wenn wir uns morgen nicht begegnen würden.« »O, in dieser Beziehung, mein Herr,« erwiderte Chatillon - denn er war es, der eben mit Flamarens vom Herzoge von Beaufort wegritt - »könnet Ihr unbekümmert sein; wenn wir uns des Nachts antreffen, ohne uns aufzusuchen, so werden wir uns um so eher bei Tage finden, wo wir uns wirklich suchen.« »Das hoffe ich auch, mein Herr,« entgegnete Aramis. »Und ich - bin davon überzeugt,« sprach der Herzog.

Die Herren von Flamarens und von Chatillon ritten weiter und Athos und Aramis stiegen vom Pferde. Sie hatten noch kaum den Zügel der Pferde den Bedienten übergeben und ihre Mäntel ausgezogen, als ein Mann zu ihnen trat. Und, nachdem er sie ein Weilchen lang bei dem matten Schein einer Laterne angeblickt, die mitten im Hofe hing, einen Schrei der Überraschung ausstieß und in ihre Arme flog. »Graf de la Fere!« rief dieser Mann, »Chevalier d'Herblay! Wie doch, Ihr seid in Paris?« »Rochefort!« riefen zugleich die beiden Freunde. »Ja sicher; wie Ihr erfahren habt, sind wir aus Vendomois vor vier oder fünf Tagen angekommen und haben im Sinne, Herrn Mazarin etwas zu schaffen zu geben. Ich setze voraus, daß Ihr noch immer unserer Partei angehört?« »Mehr als je. - Und der Herzog?« »Er ist gegen Mazarin höchlich aufgebracht. Wißt Ihr, welches Aufsehen der liebe Herzog erregt hat? Er ist gleichsam der König in Paris und kann nicht ausgehen, ohne Gefahr zu laufen, erdrückt zu werden.« »Ah, desto besser,« sprach Aramis; »allein sagt uns, sind nicht eben die Herren von Flamarens und von Chatillon hier weggeritten?« »Ja! sie hatten eine Audienz bei dem Herzog und kamen zweifelsohne in Mazarins Namen, allein sie werden ihren Mann gefunden haben, dafür bürge ich.« »Sagt doch,« sprach Athos, »könnte man nicht die Ehre haben. Seine Hoheit zu sehen?« »Wie doch! Im Augenblicke, Ihr wißt, für Euch ist er immer zu sprechen. Folgt mir, ich maße mir die Ehre an, Euch einzuführen.« Rochefort ging voraus. Alle Türen öffneten sich vor ihm und den zwei Freunden. Sie trafen Herrn von Beaufort, als er sich eben zu Tische setzen wollte. Die tausendfachen Geschäfte des Abends verspäteten sein Mahl bis zu diesem Augenblicke, allein ungeachtet dessen hatte der Prinz kaum die zwei Namen gehört, die ihm Rochefort nannte, so erhob er sich vom Stuhle, schritt schnell den beiden Freunden entgegen und empfing sie mit den Worten: »O, bei Gott, seid mir willkommen, meine Herren! Nicht wahr, Ihr teilt meine Abendmahlzeit mit mir? Boisjoli, sage Noirmont, daß ich zwei Gäste habe. Ihr kennt Noirmont, nicht wahr, meine Herren? Er ist mein Koch, der Nachfolger von Vater Marteau, der die Euch bekannten vortrefflichen Pasteten bäckt. Boisjoli, er soll eine schicken, doch keine solche, wie er für la Ramee gebacken hat. Gott sei Dank, wir brauchen jetzt keine Strickleitern, Dolche und Knebel mehr.« »Gnädigster Herr,« sprach Athos; »bemühen Sie unsertwegen Ihren berühmten Koch nicht, wir kennen seine vielen und mannigfaltigen Talente. Mit Erlaubnis Ew. Hoheit werden wir heute abend bloß die Ehre haben, uns nach Ihrem Befinden zu erkundigen und Ihre Befehle einzuholen.« »O, meine Gesundheit ist vortrefflich, wie Ihr seht, meine Herren; eine Gesundheit, welche in Vincennes in der Gesellschaft des Herrn von Chavigny fünf Jahre lang Trotz geboten hat, ist zu allem fähig. Was meine Befehle betrifft, so gestehe ich, meiner Treue, daß ich sehr in Verlegenheit wäre, Euch welche zu erteilen, da jeder die seinigen erteilt, und ich, wenn das so fortgeht, am Ende keine mehr geben werde.« »Wirklich!« rief Athos, »ich dachte aber, daß das Parlament auf Ihre Einigung rechnete.« »O ja, unsere Einigung, da steht es gut; mit dem Herzog von Bouillon geht es noch, er hat die Gicht, kommt nicht vom Bette weg, man kann sich mit ihm verständigen, allein mit Herrn von Elboeuf und seinen Elefanten von Söhnen — Kennt Ihr das Triolett auf Herrn von Elboeuf, meine Herrn?« »Nein, gnädigster Herr.« »Wirklich?« Der Herzog fing an zu singen:

Font rage a la Place royale.

Ils vont tous quatre piaffants

Monsieur d'Elboeuf et ses entfants

Mais sitot qu'il faut battre aux champs.

Adieu leur humeur martiale.

Monsieur d'Elboeuf et ses enfants

Font rage a Place royale.«

(Herr d'Elboeuf und seine Söhne machen großen Lärm auf dem Place-Royale, alle vier stolzieren hochtrabend einher, wenn sie aber ins Feld ziehen sollen, dann ist ihr kriegerischer Sinn verschwunden usw.)

»So steht es aber nicht mit dem Herrn Koadjutor, wie ich hoffe«, sagte Athos. »Ja doch, mit dem Koadjutor steht es noch schlimmer. Gott bewahre uns vor solchen Unruhestiftern,, welche über ihrem Chorrock einen Panzer tragen. Wißt Ihr, was er tut?« »Nein.« »Er wirbt ein Regiment an, dem er seinen Namen gibt, das Regiment Corinth. Er ernennt Leutnants und Kapitäne wie der Marschall von Frankreich und Oberste wie der König.« »Ja,« versetzte Aramis, »allein wenn er sich schlagen soll, so bleibt er gewiß in seinem Palaste.« »O, ganz und gar nicht, da irrt Ihr, lieber d'Herblay; wenn er kämpfen soll, so tut er es auch, so zwar, daß man ihn jetzt, wo ihm der Tod seines Oheims einen Sitz im Parlamente verschaffte, unaufhörlich zwischen den Beinen hat, im Parlamente, im Rate und auf dem Kampfplatze. Der Prinz von Conti ist General dem Namen nach, und so geht alles schlecht, meine Herren, alles sehr schlecht.« »So zwar, gnädigster Herr, daß Eure Hoheit unzufrieden ist,« sprach Athos und wechselte einen Blick mit Aramis. »Unzufrieden, Graf? sagt, daß meine Hoheit entrüstet ist.« Es war nicht mehr bloß ein Blick, es war ein Blick und ein Lächeln, welches Athos und Aramis austauschten, und wären ihnen auch Chatillon und Flamarens nicht begegnet, so hätten sie es doch erraten, daß sie hier gewesen seien. Sonach sprachen sie auch kein Wort von der Anwesenheit des Herrn von Mazarin in Paris. »Gnädigster Herr,« sprach Athos, »wir sind jetzt zufrieden. Als wir um diese Stunde zu Euer Hoheit kamen, hatten wir keine andere Absicht, als einen Beweis unserer Ergebenheit abzulegen, und Ihnen zu sagen, daß wir uns zu ihrer Verfügung als die getreuesten Diener stellen.« »Als meine getreuesten Freunde, meine Herren, als meine getreuesten Freunde! Ihr habt es mir bewährt, und sollte ich mich je wieder mit dem Hofe aussöhnen, so werde ich Euch, wie ich hoffe, beweisen, daß auch ich Euer Freund geblieben bin, so wie der dieser Herren... wie Teufel heißen sie denn - d'Artagnan und Porthos?« »D'Artagnan und Porthos.« »Ah ja, so ist's. Ihr versteht mich also, also Graf de la Fere? - Ihr versteht mich, Chevalier d'Herblay? Ganz und stets der Eure!« Athos und Aramis verneigten und entfernten sich. »Lieber Athos,« sprach Aramis, »Gott vergebe mir; ich glaube, daß Ihr mich nur begleitet habt, um mir eine Lehre zu geben.« »Wartet doch, mein Lieber,« versetzte Athos, »zu dieser Bemerkung wird es Zeit sein, wenn wir den Herrn Koadjutor verlassen.« »Laßt uns nach dem erzbischöflichen Palaste gehen.« Beide begaben sich auf den Weg nach der City.