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»Da haben wir nun ein Schwert und einen Rock,« sprach Porthos.

»Diese nehme ich,« versetzte d'Artagnan; wollt Ihr einen andern Rock und ein anderes Schwert, so müsset Ihr Euer Kunststück wiederholen. Habt acht, ich sehe eben den zweiten Soldaten aus der Wachstube treten und sich nach unserer Seite wenden.«

»Ich halte es für unklug,« äußerte Porthos, »dasselbe Manöver wieder anzufangen, denn dasselbe Mittel, sagt man, gelingt nicht zweimal. Wenn ich ihn verfehle, wäre alles verloren. Ich will hinaufsteigen, und ihn in dem Momente packen, wo er es gar nicht ahnt, und ihn Euch ganz geknebelt heraufschieben.«

»Das ist besser,« entgegnete der Gascogner.

»Macht Euch also bereit,« sprach Porthos und ließ sich durch die Öffnung gleiten. Die Sache wurde so bewerkstelligt, wie es Porthos angegeben hatte. Der Riese verbarg sich auf seinem Wege, und als der Soldat an ihm vorüberkam, packte er ihn am Kragen, knebelte und schob ihn wie eine Mumie durch die ausgebrochenen Fensterstangen, durch die er hinter ihm einstieg. Man entkleidete den zweiten Soldaten, wie man es mit dem ersten getan, legte ihn auf ein Bett, befestigte ihn mit den Gurten, und da das Bettgestell von dickem Eichenholz und die Gurte doppelt waren, so war man über diesen ebenso wie über den andern beruhigt.

»Nun,« sprach d'Artagnan, »das geht ja vortrefflich. Versucht jetzt den Rock dieses Schlingels da, Porthos. Ich zweifle, daß er Euch passen wird; ist er Euch aber zu eng, so beängstigt Euch nicht. Das Wehrgehäng wird Euch genügen und vornehmlich der Hut mit den roten Federn.« Der zweite Soldat war zufällig ein riesenhafter Schweizer, so daß mit Ausnahme einiger Stiche, welche in den Nähten krachten, alles aufs beste an den Leib paßte. Ein Weilchen hindurch hörte man nichts als das Rauschen von Tuch, da Porthos und d'Artagnan sich eilfertig anzogen. »Das ist nun geschehen,« sprachen beide zugleich.

»Was Euch betrifft, Kameraden,« fuhren sie fort, indem sie sich zu den zwei Soldaten wandten, »so wird Euch kein Leid geschehen, wenn Ihr hübsch ruhig seid; doch wenn Ihr Euch rührt, so seid Ihr des Todes!« Die Soldaten verhielten sich ganz stille. Sie erkannten es an Porthos Faust, daß die Sache mehr als ernstlich sei und es sich hier ganz und gar nicht um einen Scherz handle.

»Nun, Porthos,« sagte d'Artagnan, »nun wäre es Euch nicht unangenehm, zu verstehen?«

»Ja wohl.«

»Nun, wir steigen hinaus in den Hofraum.«

»Ja.«

»Wir vertreten die Stelle dieser zwei Schlingel.«

»Gut.«

»Wir schreiten auf und nieder.«

»Das wird uns behagen, weil es nicht warm ist.«

»In kurzem wird der Kammerdiener die Diensttuenden rufen wie gestern und vorgestern.«

»Werden wir dann antworten?«

»Nein, im Gegenteil, wir werden nicht antworten.«

»Wie es Euch gefällt; mir ist nicht darum zu tun, Antwort zu geben.«

»Somit antworten wir nicht, sondern drücken nur unsern Hut in das Gesicht und begleiten Seine Eminenz.«

»Wohin denn?«

»Wohin er gehen wird, zu Athos. Glaubt Ihr denn, es wird ihm nicht lieb sein, wenn er uns sieht?« »O,« rief Porthos. »oh, ich verstehe.« »Wartet noch mit dem Verwundern, Porthos; denn wahrlich, Ihr habt das Ende noch nicht,« erwiderte der Gascogner scherzend. »Was wird denn geschehen?« fragte Porthos. »Folgt mir,« entgegnete d'Artagnan; »wer lebt, wird sehen.« Er schlüpfte durch die Öffnung und ließ sich sachte in den Hof gleiten. Porthos folgte ihm auf demselben Wege, wiewohl etwas mühevoller und weniger behend. Man hörte, wie die zwei gebundenen Soldaten im Zimmer vor Furcht zitterten. D'Artagnan und Porthos hatten den Boden kaum berührt, so ging eine Türe auf, und der Kammerdiener rief: »Zum Dienste!« Zugleich ging die Türe der Wachstube auf und eine Stimme rief: »La Brugere und du Barthois, geht!« »Mich dünkt, daß ich la Brugere heiße,« sagte d'Artagnan.« »Und ich du Barthois,« murmelte Porthos. »Wo seid Ihr denn?« fragte der Kammerdiener, den das Licht der Augen dergestalt blendete, daß er ohne Zweifel unsere zwei Helden in der Finsternis nicht erkennen konnte. »Da sind wir,« entgegnete d'Artagnan, während er das Elsässer Französisch nachahmte. Dann fügte er zu Porthos umgewendet bei: »Herr du Vallon, was sagt denn Ihr dazu?« »Meiner Treue, ich sage, es ist recht schön, angenommen, daß das so fortgeht.

Die Gefängnisse des Herrn von Mazarin

Die zwei improvisierten Soldaten schritten gravitätisch hinter dem Kammerdiener her; er schloß eine Türe der Vorhalle auf, dann eine zweite, welche zu einem Wartezimmer zu führen schien, und wies ihnen ein paar Schemel. »Der Wachbefehl ist ganz einfach,« sprach er zu ihnen, »laßt hier nur eine einzige Person eintreten, eine einzige, versteht wohl, nicht mehr. Dieser Person leistet in allem Gehorsam. Was die Rückkehr betrifft, so ist kein Irrtum möglich. Ihr wartet da, bis ich Euch ablöse.«

D'Artagnan war diesem Kammerdiener genau bekannt, denn es war Bernouin, der ihn seit sechs bis acht Monden wohl schon zehnmal bei dem Kardinal eingeführt hatte. Anstatt also zu antworten, war er bemüht, nur »ja« zu murmeln, und zwar nicht gascognisch, sondern so deutsch als möglich. Was Porthos betrifft, so forderte von ihm d'Artagnan und erhielt auch das Versprechen, in keinem Falle zu reden. Würde er aufs Äußerste getrieben, so war es ihm verstattet, das sprichwörtliche und schauerliche: »der Teufel!« zu sagen.

Bernouin ging fort und verschloß die Türe. »O,« rief Porthos, als er den Schlüssel im Schlosse drehen hörte, «hier scheint es Mode zu sein, die Leute einzusperren. Wie mich dünkt, haben wir nur das Gefängnis gewechselt; nur sind wir, statt dort Gefangene zu sein, dasselbe in der Orangerie, und ich weiß nicht, ob wir dabei etwas gewonnen haben.« Porthos, mein Freund,« sprach d'Artagnan leise, »zweifelt an der Vorsehung nicht und laßt mich überlegen und nachsinnen.« »So überlegt denn und sinnt nach,« versetzte Porthos mißlaunig, da er sah, daß die Sache diese Wendung nahm, statt eine andere zu nehmen. »Wir sind achtzig Schritte weit gegangen und über sechs Stufen gestiegen; hier ist also, wie eben mein ausgezeichneter Freund Comminges gesagt hat, jener andere, dem unserigen gegenüberliegende Pavillon, den man mit dem Namen Pavillon der Orangerie bezeichnet. Der Graf de la Fere muß also nicht ferne sein, nur sind die Türen gesperrt.« «Das ist eine hübsche Schwierigkeit,« sprach Porthos, »und mit einem Drucke der Schultern ...« »Bei Gott! Porthos, mein Freund!« rief d'Artagnan, »verspart Eure Kraftanstrengung, oder sie hat nötigenfalls nicht mehr so ganz den Wert, den sie verdient;, hörtet Ihr denn nicht, es werde jemand hierherkommen?« »Allerdings.« »Nun, dieser Jemand wird uns die Türen aufschließen.« »Doch, mein Lieber,« entgegnete Porthos, »wenn uns dieser Jemand erkennt, und wenn er beim Erkennen zu schreien anfängt, so sind wir verloren; denn ich glaube doch nicht, daß Ihr die Absicht habt, mich diesen Mann totschlagen oder erwürgen zu lassen. Ein solches Verfahren wäre gut gegen die Engländer und Deutschen.« »O, Gott soll mich und Euch davor bewahren!« sprach d'Artagnan. »Der junge König würde uns vielleicht Dank wissen, allein die Königin könnte es uns nicht vergeben, und sie ist es, die wir schonen müssen; dann wäre es überdies unnötiges Blut - o, niemals, nein! ich habe meinen Plan. Laßt mich also gewähren, und wir werden lachen.« »Um so besser,« versetzte Porthos, »ich fühle hiezu das Bedürfnis.« »Stille«, flüsterte d'Artagnan, »da ist der angemeldete Jemand.« Man vernahm in der Vorhalle, das heißt im Vorgemache, ein leises Geräusch von Tritten. Die Türangeln knarrten und ein Mann in Kavalierkleidung, in einen braunen Mantel gehüllt, erschien mit einem breiten, über die Augen niedergeschlagenen Filzhute und einer Laterne in der Hand. Porthos drängte sich an die Wand, doch konnte er sich nicht dergestalt unsichtbar machen, daß ihn der Mann im Mantel nicht bemerkte; er reichte ihm seine Laterne und sprach: »Zünde die Lampe der Decke an.« Dann wandte er sich zu d'Artagnan und sagte: «Weißt Du die Ordre?« »Ja,« entgegnete der Gascogner. entschlossen, sich an die deutsche Sprache zu halten. »Tedesco,« murmelte der Kavalier, »va bene.« Er ging der Türe zu, welche jener gegenüberlag, durch die er eingetreten war, öffnete dieselbe und verschwand hinter ihr, nachdem er sie wieder abgesperrt hatte. »Nun,« fragte Porthos; »was tun wir jetzt?« »Jetzt wollen wir unsere Schultern gebrauchen, wenn die Türe versperrt ist, Freund Porthos. Alles zu seiner Zeit, und alles kommt demjenigen zu rechter Zeit, der zu warten weiß. Zuvor aber laßt uns diese Türe auf eine anständige Art verrammeln und dann diesem Kavalier folgen:« Die zwei Freunde schritten allsogleich ans Werk und verrammelten die Türe mit all' den Geräten, die sich im Saale vorfanden, ein Hindernis, welches den Eingang um so mehr verschloß, als die Türe nach innen aufging. »So,« sprach d'Artagnan, »nun sind wir versichert, im Rücken nicht überrumpelt zu werden. Jetzt gehen wir vorwärts.« Man kam zu der Tür, durch welche Mazarin verschwunden war. Sie war versperrt; d'Artagnan versuchte es umsonst, sie zu öffnen. »Nun handelt es sich hier darum, Euren Achseldruck geltend zu machen,« sagte d'Artagnan. »Drückt, Freund Porthos doch sachte, ohne Lärm zu machen; drückt nichts ein, trennt bloß die Flügel, nichts weiter.« Porthos stemmte seine kräftige Schulter gegen eines der Fächer, das auch nachgab, und steckte seine Degenspitze zwischen den Riegel und den Schließhaken des Schlosses. Der gekrümmte Riegel wich zurück und die Türe ging auf. »Laßt uns eintreten,« sprach d'Artagnan. Sie traten ein; hinter einer Glaswand, beim Schein der mitten in der Galerie auf den Boden gestellten Laterne des Kardinals, erblickte man die Orangen- und Granatbäume des Schlosses Rueil in langen Reihen aufgestellt, die eine große Allee und zwei kleine Seitenalleen bildeten. »Kein Kardinal - bloß eine Lampe?« rief d'Artagnan; »zum Teufel, wo ist er denn?« Als er nun einen der Seitenflügel untersuchte, nachdem er Porthos einen Wink gegeben, den andern zu durchspüren, bemerkte er auf einmal einen aus seiner Lage gerückten Kasten und an der Stelle desselben eine Öffnung. Zehn Männer hätten Mühe gehabt, diesen Kasten in Bewegung zu setzen, doch mittels eines Mechanismus drehte er sich auf dem Boden, auf dem er stand. Wie schon erwähnt, bemerkte d'Artagnan eine Öffnung an dieser Stelle, und darin die Stufen einer Wendeltreppe. Er winkte Porthos mit der Hand und zeigte ihm die Öffnung und die Wendeltreppe. Die zwei Männer blickten einander bestürzt an. »Wenn wir bloß Gold suchten,« sprach d'Artagnan. »so hätten wir es schon gefunden, und wären reich für immer.« »Wie so?« »Seht Ihr denn nicht ein, Porthos, daß ganz wahrscheinlich unten an dieser Treppe jener berühmte Schatz des Kardinals liegt, von dem so viel geredet wird, und daß wir bloß hinabzusteigen brauchten, eine Kiste zu leeren, den Kardinal darin einzuschließen und fortzugehen, das mitnehmend, was wir an Gold zu schleppen vermöchten; wenn wir dann diesen Kasten wieder an seinen Platz stellten, würde uns niemand von der Welt, nicht einmal der Kardinal, fragen, woher wir unsern Reichtum haben.« »Das wäre wohl ein hübscher Streich für Gemeine,« versetzte Porthos, der jedoch zweier Kavaliere unwürdig ist, wie mich dünkt.« »Das ist auch meine Ansicht,« entgegnete d'Artagnan: »ich habe somit auch gesagt; wenn wir nur Gold suchten, allein wir wollen etwas anderes.«