In demselben Momente und wo d'Artagnan den Kopf nach dem Keller neigte, klang an sein Ohr ein metallischer und dumpfer Schall gleich dem eines goldgefüllten Beutels, der geschüttelt wird; er erbebte. Bald darauf schloß sich wieder eine Tür, und der erste Schimmer eines Lichtes ward an der Treppe sichtbar.
Mazarin hatte seine Lampe in der Orangerie gelassen, um Glauben zu machen, daß er spazieren ging. Allein er hatte eine Wachskerze, um seine geheimen Goldkisten zu untersuchen. »He!« rief er auf italienisch, während er wieder langsam über die Stufen hinaufging und einen dickbäuchigen Säckel voll Realen untersuchte; »he, das reicht hin, um fünf Parlamentsräte und zwei Generale von Paris zu bezahlen. Auch ich bin ein großer Feldherr, nur führe ich den Krieg nach meiner Art.« D'Artagnan und Porthos lauerten sich jeder in eine Seitenallee hinter einen Kasten und warteten. Mazarin drückte an einer in der Wand verborgenen Feder, drei Schritte weit von d'Artagnan entfernt. Die Platte drehte sich und der Orangenbaum auf derselben nahm wieder seine Stelle. Nun löschte der Kardinal seine Kerze aus, steckte sie in die Tasche, nahm wieder seine Lampe und sprach: »Nun besuchen wir den Herrn de la Fere.« »Gut,« dachte d'Artagnan, »das ist unser Weg, wir gehen mitsammen.« Alle drei begaben sich auf den Weg; Herr von Mazarin ging in der mittleren Allee, Porthos und d'Artagnan in den Seitenalleen. Die beiden letzteren vermieden sorgsam den langen Lichtschein, den die Lampe des Kardinals bei jedem Schritte zwischen die Kästen streute. Dieser kam zu einer zweiten Glastür, ohne zu bemerken, daß man ihm folge, da der weiche Sand die Tritte seiner zwei Begleiter dämpfte. Hierauf wandte er sich links, bog in einen Korridor ein, den Porthos und d'Artagnan noch nicht wahrgenommen hatten, jedoch in dem Momente, wo er die Türe desselben aufschließen sollte, hielt er nachsinnend an. »Ah, diavolo!« rief er; »ich vergaß auf Comminges Anempfehlung; ich muß die Soldaten mitnehmen und vor die Türe stellen, um diesen Teufelsmenschen nicht in die Hände zu geraten. Vorwärts!« Er wandte sich mit ungeduldiger Miene um, um wieder zurückzugehen. »Gnädiger Herr,« sprach d'Artagnan, den Fuß voran, den Hut in der Hand und freundlichem Gesichte, »o bemühen Sie sich nicht, wir folgten Eurer Eminenz Schritt für Schritt und sind nun hier.« »Ja, wir sind hier,« wiederholte Porthos. Mazarin wandte seine Augen voll Schrecken von dem Einen zu dem Andern, erkannte beide und lieh unter stöhnendem Entsetzen seine Laterne aus der Hand fallen. D'Artagnan hob sie wieder auf, sie war zum Glück im Fallen nicht erloschen. »O, wie unbedacht, gnädiger Herr,« sagte d'Artagnan; »hier kann man ohne Licht nicht gut gehen; Eure Eminenz könnte an einen Kasten stoßen, oder in eine Vertiefung stürzen.« »Herr d'Artagnan!« stammelte Mazarin, der sich von seiner Überraschung nicht erholen konnte. »Ja, gnädigster Herr, ich bins, und ich habe die Ehre, Ihnen Herrn du Vallon vorzustellen, diesen meinen vortrefflichen Freund, für den sich Eure Eminenz früher so lebhaft zu interessieren so gütig waren,« D'Artagnan kehrte den Schein der Lampe nach Porthos erheitertem Anlitze, der nun zu begreifen anfing und darüber ganz stolz war. »Sie wollen zu Herrn de la Fere gehen,« fuhr d'Artagnan fort; »o gnädigster Herr, lassen Sie sich durchaus nicht abhalten. Zeigen Sie uns gefällig den Weg. und wir werden nachfolgen.« Mazarin kam allmälig wieder zur Fassung. »Meine Herren, seid Ihr schon lange in der Orangerie?« fragte er mit zitternder Stimme, da er an den Besuch dachte, welchen er seinen Schätzen gemacht hatte. Porthos öffnete den Mund, um zu antworten, d'Artagnan warf ihm einen Wink zu, und Porthos stumm gebliebener Mund schloß sich allgemach wieder. »Gnädigster Herr,« sprach d'Artagnan, «wir kommen eben erst an.« Mazarin holte wieder Atem, er war nicht mehr für seinen Mammon, er war nur noch für sich selbst besorgt. Eine Art Lächeln schwebte über seine Lippen hin. »Wohlan,« sprach er, »Ihr habt mich in der Schlinge gefangen, meine Herren, und ich erkenne mich für besiegt. Nicht wahr, Ihr verlangt von mir Eure Freiheit? Ich will sie Euch geben.« »O gnädigster Herr,« entgegnete d'Artagnan, »Sie sind überaus gütevoll, doch unsere Freiheit haben wir bereits, und wir bäten recht gerne um etwas anderes.« »Ihr habt Eure Freiheit!« rief Mazarin ganz erschreckt. »Sicher, und Sie, gnädiger Herr, haben dagegen die Ihrige verloren, und nun -gnädiger Herr, was wollen Sie, das ist so Kriegsbrauch - es handelt sich um die Auslösung.« Mazarin fühlte sich bis auf den Grund seines Herzens von Schauder durchweht. Sein durchdringender Blick heftete sich vergeblich auf des Gascogners höhnisches und auf Porthos gleichgültiges Antlitz. Beide standen in Schatten gehüllt, und die Sibylle von Cumä selber hätte in ihren Mienen nichts zu lesen vermocht. »Ich sollte meine Freiheit einlösen?« sprach Mazarin. »Ja, gnädigster Herr.« »Was soll sie denn kosten, Herr d'Artagnan?« »Bei Gott! gnädigster Herr, ich weiß das noch nicht. Wenn es Eure Eminenz gütigst erlaubt, so wollen wir deshalb den Grafen de la Fere befragen. Wolle demnach Eure Eminenz die Türe zu öffnen geruhen, die zu ihm führt, und in zehn Minuten werden wir im reinen sein.« Mazarin erbebte. »Gnädigster Herr«, fuhr d'Artagnan fort, »Eure Eminenz sieht, wie sehr wir dabei den Anstand beobachten, indes müssen wir notgedrungen bemerken, daß wir keine Zeit zu verlieren haben; schließen Sie also gefälligst auf, gnädiger Herr, und erinnern Sie sich einfür allemal, daß bei der leisesten Bewegung, die Sie, zu entfliehen, machen würden, bei dem geringsten Schrei, den Sie ausstießen, Sie uns nicht gram werden dürften, wenn wir zu irgend einer Gewalttätigkeit schritten, da wir uns in einer ganz eigenen Lage befinden.« »Seid unbesorgt, meine Herren,« erwiderte Mazarin, »ich werde nichts der Art versuchen, darauf gebe ich mein Ehrenwort.«