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In dem Antlitze des Offiziers malte sich das höchste Erstaunen. Er öffnete zugleich seine kleinen Augen und seinen großen Mund, um den Scherz, den Seine Eminenz an ihn zu richten geruhte, besser in sich einzusaugen; und da er seine Ernsthaftigkeit bei einer solchen Vermutung nicht länger zu behaupten vermochte, so brach er dergestalt in ein Lachen aus, daß sich seine dicken Glieder bei dieser Lust wie unter einem heftigen Fieber schüttelten. Mazarin freute sich mit über diese wenig ehrerbietige Lustbarkeit, behielt jedoch stets seine ernste Miene bei. Als nun la Ramee wacker gelacht und sich die Augen getrocknet hatte, dachte er, es wäre endlich Zeit zu reden und sich über seine ungebührliche Lustbarkeit zu entschuldigen.

»Entweichen, gnädigster Herr,« sprach er, »entweichen? Es weiß also Eure Eminenz nicht, wo sich Herr von Beaufort befindet?«

»Ja Herr, ich weiß es, daß er im Schloßturme von Vincennes liegt.«

»Allerdings, gnädigster Herr, in einem Gemache, dessen Mauern sieben Fuß dick sind dessen Fenster Kreuzgitter haben, wovon jede Stange armdick ist.«

»O Herr,« versetzte Mazarin, »mit Geduld durchbricht man alle Wände, und mit einer Uhrfeder durchsägt man eiserne Stangen.«

»Doch Euer Gnaden wissen also nicht, daß er acht Wachen, vier in seinem Vorgemache und vier in seinem Zimmer hat, und daß ihn diese Wachen gar nie verlassen dürfen?«

»Ja, aber er verläßt sein Zimmer, er spielt Kolben und spielt Ball.«

»Diese Unterhaltungen sind den Gefangenen gestattet; wenn es indes Euer Eminenz befiehlt, so wird man sie abstellen.«

»Nicht doch, nein,« sagte Mazarin in der Furcht, es könnte sein Gefangener, falls man ihm diese Vergnügungen raubte, noch weit erbitterter gegen ihn werden, wenn er je Vincennes wieder verlassen sollte.

»Ich frage nur, mit wem er spielt.«

»Er spielt mit dem wachehabenden Offizier, gnädigster Herr, oder auch mit mir, oder mit den andern Gefangenen.«

»Nähert er sich aber während des Spielens nicht den Mauern?«

»Gnädigster Herr, kennt denn Eure Eminenz nicht die Mauern? Die Mauern haben sechzig Fuß Höhe, und ich glaube nicht, Herr von Beaufort sei des Lebens schon so überdrüssig und setze sich der Gefahr aus, im Hinunterspringen den Hals zu brechen. Überdies vergißt Eure Eminenz, daß Herr von Chavigny Gouverneur von Vincennes ist,« fuhr la Namee fort, »und Herr von Chavigny ist ganz und gar kein Freund des Herrn von Beaufort.«

»Ja, allein Herr von Chavigny entfernt sich öfter.«

»Wenn er fortgeht, so bin ich da.«

»Aber wenn auch Ihr Euch entfernt?«

»O, wenn ich selbst mich entferne, so habe ich einen Stellvertreter, der Beamter bei Seiner Majestät zu werden trachtet und gute Wache hält, dafür kann ich einstehen. Seit den drei Wochen, die er in meinen Diensten steht, hatte ich ihm nur diesen Vorwurf zu machen, daß er gegen den Gefangenen allzu hart war.«

»Und wer ist dieser Zerberus?« fragte der Kardinal. »Ein gewisser Grimaud, gnädigster Herr.«

»Und was war sein Geschäft, ehe er zu Euch nach Vincennes kam?«

»Wie mir der Mann sagte, der mir ihn empfohlen hat, war er vordem in der Provinz; er zog sich dort wegen seines Brausekopfes, ich weiß nicht, welchen schlimmen Handel zu, und ich denke, es wäre im nicht unlieb, unter der königlichen Uniform gesichert zu sein.«

»Und wer empfahl Euch diesen Mann?«

»Der Haushofmeister des Herrn Herzogs von Grammont.«

»Denkt Ihr also, man könne sich auf ihn verlassen?«

»Wie auf mich selbst, gnädigster Herr.«

»Ist er kein Schwätzer?«

»Ach, mein Gott, gnädigster Herr! ich hielt ihn lange Zeit für stumm; er redet und antwortet nur durch Zeichen, und es scheint, daß ihn sein früherer Herr dazu abgerichtet habe.«

»Nun, denn, lieber Herr la Ramee,« sprach der Kardinal, »meldet ihm, wenn er gut Wache hält, so wolle man über seine Streiche in der Provinz die Augen zumachen und ihm eine Uniform anziehen, die ihm Achtung verschafft, und in die Taschen dieser Uniform einige Pistolen legen, daß er auf die Gesundheit des Königs trinke.«

Die Unterhaltungen des Herrn Herzogs von Beaufort in der Turmstube zu Vincennes

Der Gefangene, der dem Kardinal so viel Furcht erweckte, ahnte nichts von all dem Schrecken, den man seinetwegen im Palais-Royal hatte. Der Herzog von Beaufort war ein Enkel Heinrichs IV. und der Gabriele d'Estrees, ebenso gutmütig, so tapfer, so stolz und insbesondere ebensosehr Gascogner, als sein Großvater, doch viel weniger wissenschaftlich gebildet. Als er nach dem Hingang Ludwigs XIII. durch geraume Zeit der Günstling, der Vertraute, kurz, der Erste am Hofe gewesen, mußte er eines Tages vor Mazarin weichen, wo er dann den zweiten Platz einnahm, und da er den schlimmen Einfall hatte, sich ob dieser Zurücksetzung zu erzürnen, und die Unbesonnenheit beging, es kundzugeben, so ließ ihn der König am folgenden Tage verhaften und durch Guitaut nach Vincennes führen. Die Langeweile zu bekämpfen, begann der Herzog zu zeichnen. Er zeichnete mit Kohle die Züge des Kardinals, und da er bei seinen mittelmäßigen Talenten in dieser Kunst keine große Ähnlichkeit zustande brachte, so schrieb er, um über das Original des Bildes keinen Zweifel walten zu lassen, unter dasselbe: Ritratto dell' illustrissimo Mazarini. Als das Herr von Chavigny erfuhr, besuchte er den Herzog und bat ihn, er möge sich einem anderen Zeitvertreib hingeben oder wenigstens Bilder ohne Unterschriften machen. Herr von Beaufort war, wie übrigens alle Gefangenen, Kindern sehr ähnlich, die nur hartnäckig bei dem stehen bleiben, was ihnen untersagt wird.

Herr von Chavigny ward von dem Zuwachs an Schattenrissen in Kenntnis gesetzt. Da Herr von Beaufort seiner nicht genug sicher war, um den Kopf von der Vorderseite zu wagen, so machte er aus seinem Zimmer einen wahrhaften Ausstellungssaal. Diesmal sprach der Gouverneur nichts, doch als Herr von Beaufort eines Tages Ball spielte, ließ er den Schwamm über alle seine Zeichnungen fahren - und das Zimmer neu ausweißen. Herr von Beaufort bedankte sich bei Herrn von Chavigny, weil dieser so gütig war und ihm seine Kartons neu herstellen ließ - und diesmal teilte er sein Gemach in Felder ab und widmete jedes derselben, jedoch mit satirischer Anspielung, einem Zuge aus dem Leben des Kardinals Mazarin. Diese Aufgaben waren jedoch zu großartig für das unzureichende Talent des Gefangenen, daher begnügte sich auch dieser nur damit, daß er die Umrisse zeichnete und die Unterschriften beisetzte. Indes waren die Umrisse und Inschriften doch der Art, daß sie die Empfindlichkeit des Herrn von Chavigny reizten, weshalb er auch Herrn von Beaufort melden ließ, falls er nicht auf diese beabsichtigten Bilder Verzicht leiste, würde er ihm alle Mittel zur Ausführung wegnehmen. Herr von Beaufort gab zur Antwort: Da ihm alle Möglichkeit, sich einen Waffenruhm zu erringen, benommen sei, so wolle er sich einen Ruf in der Malerkunst erwerben, und wenn er kein Bayard oder Trivulzio werden könne, so suche er ein Michelangelo oder Raffael zu werden.

Als eines Tages Herr von Beaufort im Hofraume des Schlosses spazieren ging, nahm man ihm sein Feuer, mit dem Feuer seine Kohlen und mit den Kohlen seine Asche weg, wonach er bei seiner Zurückkunft nicht den kleinsten Gegenstand mehr antraf, um daraus einen Zeichenstift zu machen. Eines Tages, nach der Mahlzeit, erklärte der Herzog ganz laut, man habe ihm Gift beigebracht. Dieser neue Schelmenstreich gelangte zu den Ohren des Kardinals und erweckte ihm große Furcht. Der Schloßturm von Vincennes galt für sehr ungesund, und Frau von Rambouillet erklärte, daß das Gemach, worin Puhlaureus, der Marschall von Ornano und der Großprior von Vendome gestorben seien, so gut sei wie eine derbe Dosis Arsenik - und die Äußerung fand Glauben. Er befahl sonach, der Gefangene sollte nichts mehr zu sich nehmen, bevor man nicht Speise und Trank gekostet hätte; und so war denn damals la Ramee unter dem Titel als Vorkoster bei ihm angestellt worden. Inzwischen hatte Herr von Chavigny dem Herzog die Grobheiten nicht vergeben.