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»Jetzt ist es elf Uhr morgens«, versetzte Grimaud. »Wolle der gnädigste Herr um zwei Uhr mit la Ramee eine Ballpartie zu spielen verlangen, und zwei bis drei Bälle über die Wälle schleudern.«

»Gut, und dann?«

»Dann - wird sich Monseigneur der Mauer nähern und einem Manne, der in den Gräben arbeitet, zurufen, daß er sie zurückwerfe.«

»Ich verstehe«, sprach der Herzog. In Grimauds Antlitz schien sich eine große Zufriedenheit auszuprägen, der seltene Gebrauch, den er von der Sprache machte, erschwerte ihm die Unterredung. Er machte Miene sich zu entfernen. »Ha,« sprach der Herzog, »du willst also nichts annehmen?«

»Monseigneur, ich wünschte ein Versprechen -«

»Welches? sag' an.«

»Daß ich nämlich, wenn wir entfliehen, stets und überall vorangehe, denn wenn man den gnädigsten Herrn wieder gefangen nähme, liefe er die größte Gefahr, wieder in das Gefängnis gesperrt zu werden, während, wenn man mich erwischt, das geringste, was mir geschehen kann, ist, gehenkt zu werden.«

»Das ist nur allzu richtig,« entgegnete der Herzog, »und so wahr ich Edelmann bin, so soll dein Wunsch geschehen.«

»Nun,« sprach Grimaud, »habe ich den gnädigen Herrn nur noch um eins zu bitten, daß er mir nämlich fortwährend, wie bisher, die Ehre erweise, mich zu verabscheuen.«

»Das will ich versuchen«, erwiderte der Herzog. Man pochte an die Tür.

Der Herzog schob seine Börse und sein Briefchen in die Tasche und streckte sich auf sein Bett hin. Wie man weiß, war das seine Zuflucht in den Momenten großer Langeweile. Grimaud schloß die Türe auf, es war la Ramee, der eben vom Kardinal kam.

La Ramee warf einen prüfenden Blick um sich, und da er noch dieselben Symptome von Feindseligkeit zwischen dem Gefangenen und seinem Hüter sah, so lächelte er voll innerer Zufriedenheit. Hierauf wandte er sich zu Grimaud und sprach: »Gut, mein Freund, gut. Es wird soeben hohen Ortes vorteilhaft von Euch geredet, und hoffentlich werdet Ihr bald Nachrichten erhalten, die Euch gar nicht unlieb sein werden.« Grimaud verneigte sich mit einer Miene, die er freundlich zu machen bemüht war, und entfernte sich seiner Gewohnheit gemäß beim Eintritt seines Vorgesetzten.

»Nun, gnädigster Herr,« sprach la Ramee mit seinem plumpen Lachen, »Sie sind also gegen diesen armen Menschen immer noch grämlich?«

»Ah, Ihr seid da, la Ramee!« rief der Herzog; »meiner Treue, es war Zeit, daß Ihr kamet. Ich streckte mich auf mein Bett hin, und wandte die Nase nach der Wand, um der Versuchung nicht nachzugeben, mein Versprechen zu halten, diesen Schuft von Grimaud nämlich zu erwürgen.«

»Indes zweifle ich,« versetzte la Ramee mit einer geistreichen Anspielung auf die Schweigsamkeit seines Untergebenen, »daß er Eurer Hoheit etwas Unangenehmes gesagt haben sollte.«

»Bei Gott, das glaube ich wohl; ein Stummer aus dem Orient! Ich versichere Euch, la Ramee, es war Zeit, daß Ihr zurückkamt, und ich habe mich gesehnt, Euch wieder zu sehen.«

»Der gnädigste Herr ist zu gütig«, entgegnete la Ramee, von diesem Komplimente geschmeichelt.

»Ja, wirklich,« fuhr der Herzog fort, »ich fühle heute in mir eine Ungeschicklichkeit, die Euch, wenn Ihr sie sehet, belustigen wird.«

»Wir werden also eine Ballpartie machen?« fragte la Ramee, ohne dabei an etwas zu denken.

»Wenn es Euch gefällig ist.«

»Ich stehe Eurer Hoheit zu Befehl.«

»Das heißt, lieber la Ramee,« sprach der Herzog, »daß Ihr ein liebenswürdiger Mann seid, und daß ich ewig in Vincennes bleiben möchte, um das Vergnügen zu haben, mein Leben mit Euch zuzubringen.«

»Gnädigster Herr,« erwiderte la Ramee, »ich denke, daß es nicht an dem Kardinal liegen würde, wenn Ihre Wünsche nicht in Erfüllung gingen.«

»Wieso? Habt Ihr ihn erst kürzlich gesehen?«

»Er lieh mich diesen Morgen berufen.«

»Wirklich? um mit Euch von mir zu sprechen?«

»Worüber hätte er sonst zu sprechen? Wirklich, gnädigster Herr. Sie sind ein Gespenst.«

Der Herzog lächelte mit Bitterkeit und sagte: »Ah, la Ramee, wenn Ihr meinen Antrag annehmen wollet.«

»He, gnädigster Herr. Sie fangen noch einmal an, davon zu sprechen, allein Sie sehen doch, daß Sie nicht billig sind.« »Ich sage Euch, la Ramee, und ich wiederhole es, daß ich Euer Glück machen würde.«

»Womit? Sie wären kaum aus dem Gefängnisse, so würde man Ihre Güter einziehen.«

»Ich wäre kaum aus dem Gefängnisse, so wäre ich auch schon Herr von Paris.«

»Stille, stille! darf ich denn solches anhören? Das ist ein hübsches Gespräch für einen Offizier des Königs; ich sehe wohl, gnädigster Herr, ich muß mir noch einen zweiten Grimaud suchen.«

»Geht doch, reden wir nicht davon. Es war also zwischen dir und dem Kardinal die Rede von mir? Laß mich doch, wenn du einmal wieder gerufen wirst, la Ramee, deine Kleider anziehen und hingehen, meine Rache zu üben - und ich würde, wenn es Bedingung wäre, auf Edelmannswort wieder in das Gefängnis zurückkehren.«

»Gnädigster Herr, ich sehe wohl, daß ich Grimaud rufen muß.«

»Ich habe Unrecht. - Und was sagte dir der Küster?«

»Ich sehe Ihnen dieses Wort nach, gnädigster Herr,« versetzte la Ramee mit schlauer Miene, »denn es reimt sich auf Minister. Was er mir sagte? Nun, er befahl mir, Sie streng zu hüten.«

«Und weshalb solltet Ihr mich hüten?« fragte der Herzog düster.

»Weil ein Astrolog prophezeit hat, Sie würden entschlüpfen.«

»Ha, ein Astrolog prophezeite das?« sprach der Herzog mit unwillkürlichem Erbeben.

»Ach, mein Gott, ja, diese albernen Zauberer wissen auf Ehre nicht, was sie ersinnen sollen, um ehrbare Leute zu quälen.«

»Und was hast du der erlauchten Eminenz geantwortet?«

»Daß, falls dieser Astrolog Kalender mache, ich ihm anrate, keine davon zu verkaufen.« »Weshalb?«

»Weil Sie erst Fink oder Zaunkönig werden müßten, um zu entwischen.«

»Du hast leider ganz recht, la Ramee; doch spielen wir jetzt eine Ballpartie.«

»Ich bitte Eure Hoheit um Vergebung, allein Sie müssen mir eine halbe Stunde nachsehen.«

»Warum das?«

»Weil Seine Gnaden Mazarin, weit stolzer als Sie, wiewohl nicht ganz von so hoher Geburt, darauf vergessen hat, mich auf ein Frühstück einzuladen.«

»Nun, willst du, daß ich dir ein Frühstück hierher bestelle?«

»O nein, gnädigster Herr, ich muß Ihnen sagen, daß der Pastetenbäcker, der dem Schlosse gegenüber wohnte, und Vater Marteau genannt wurde -«

»Nun?«

»Sein Geschäft vor acht Tagen an einen Pastetenbäcker in Paris verkauft hat, und diesem haben die Ärzte, wie es scheint, die Landluft angeraten.«

»Nun, was soll das mich angehen?«

»Warten Sie doch, gnädigster Herr; dieser verfluchte Pasteienbäcker hat vor seiner Bude eine Menge Ding», bei denen einem das Wasser in den Mund tritt.«

»Leckermaul!«

»Ach, mein Gott, gnädigster Herr,« entgegnete la Ramee, »man ist ja darum noch kein Leckermaul, wenn man gerne gut speist. Es liegt schon in der Natur des Menschen, nach Vollkommenheit bei Backwerken wie bei anderen Dingen zu trachten. Nun muß ich Ihnen aber sagen, gnädigster Herr, daß dieser Schlingel von Pastetenbäcker, als er mich vor seiner Bude anhalten sah, ganz keck herbeitrippelte und mir sagte: >Herr la Ramee, Sie müssen mir die Kundschaft der Gefangenen des Schlosses verschaffen. Ich kaufte das Geschäft meines Vorgängers auf seine Versicherung hin, daß er für das Schloß liefere und dennoch, auf Ehre, Herr la Ramee, ließ Herr von Chavigny seit den acht Tagen, als ich das Geschäft betreibe, noch keine kleine Torte bei mir nehmen.<

>Es ist aber wahrscheinlich^ gab ich ihm zur Antwort, >daß Herr von Chavigny fürchtet, Euer Backwerk möchte nicht gut sein.<

>Ha, mein Backwerk nicht gut? Wohlan, Herr la Ramee, ich will Sie zum Richter machen, und das auf der Stelle.<

>Ich kann nicht,< erwiderte ich, >da ich durchaus in das Schloß zurückkehren muß.<