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»Wißt Ihr aber, mein Lieber,« versetzte der Herzog, »was sich mir bei alledem am deutlichsten herausstellt? Daß Ihr mir nicht traut.«

»Übermorgen ist Pfingsten, gnädigster Herr.«

»Nun, was geht mich Pfingsten an? Fürchtet Ihr etwa, der heilige Geist könne in Gestalt feuriger Zungen herabkommen und mir die Pforten meines Gefängnisses öffnen?«

»Nein, gnädigster Herr, allein ich habe Ihnen gesagt, was dieser verdammte Zauberer prophezeit hat.«

»Und was hat er denn prophezeit?«

»Es würde das Pfingstfest nicht vorübergehen, ohne daß Ew. Hoheit aus Vincennes wegkäme.«

»Du glaubst also an Zauberer? Schwachkopf!«

»Ich,« versetzte la Ramee und schnellte mit den Fingern, »ich kümmere mich nicht viel darum; allein der gnädige Herr Giulio kümmert sich darum -er ist abergläubisch.« Der Herzog zuckte die Achseln.

»Wohlan, es sei,« sprach er mit vollkommen gespielter Gutmütigkeit, »ich nehme Grimaud an, da wir sonst nicht einig würden; doch will ich niemand außer Grimaud; Ihr nehmt alles auf Euch, Ihr besorgt das Frühmahl, wie Ihr es versteht; das einzige Gericht, welches ich bestimme, ist eine jener Pasteten, von welchen Ihr mir erzählt hat. Bestellt sie für mich, damit sich der Nachfolger des Vaters Marteau selbst übertreffe, und ihm meine Kundschaft nicht bloß für die Zeit, wo ich im Gefängnisse sitze, verbleibe, sondern auch noch für den Moment, wo ich es verlassen werde.« »Sie glauben also noch immer, daß Sie von hier wegkommen werden?« fragte la Ramee.

»Potz Wetter!« entgegnete der Prinz, »wäre es auch erst nach dem Tode von Mazarin; ich bin fünfzehn Jahre jünger als er. Freilich«, fügte er bei, »lebt man in Vincennes schneller.«

»Gnädigster Herr,« rief la Ramee, »gnädigster Herr!« -

»Oder man stirbt früher,« fügte der Herzog von Beaufort hinzu, »was auf eins hinausgeht.«

»Gnädigster Herr,« sprach la Ramee, »ich will jetzt das Frühmahl bestellen.«

»Und glaubt Ihr wohl, Ihr werdet etwas aus Eurem Zöglinge machen können?«

»Nun, das hoffe ich, gnädigster Herr«, versetzte la Ramee.

»Wenn er Euch hierzu Zeit läßt«, murmelte der Herzog.

»Was spricht der gnädige Herr?« fragte la Ramee.

»Der gnädige Herr spricht: Ihr sollet die Börse des Herrn Kardinals nicht schonen, der so gütig war, unser Jahresgehalt zu übernehmen.« La Ramee blieb an der Türschwelle stehen.

»Wen befiehlt der gnädige Herr hierher zu schicken?«

»Wen Ihr wollt, nur nicht Grimaud.«

»Somit den Offizier der Wachen?« »Mit seinem Schachbrett?«

»Ja.«

La Ramee entfernte sich.

Er ließ die Wachen unter irgendeinem Vorwande eine nach der anderen hinausgehen. »Nun?« fragte der Herzog, als sie sich allein befanden.

»Nun,« entgegnete la Ramee, »Ihr Abendessen ist bestellt.«

»Ah!« rief der Prinz, »und worin wird es bestehen? Sagt an, mein Herr Haushofmeister.«

»Der gnädigste Herr hat versprochen, sich in dieser Hinsicht auf mich zu verlassen.«

»Wird auch eine Pastete kommen?«

«Ich glaube, so hoch wie ein Turm.«

»Von dem Nachfolger des Vaters Marteau gebacken?«

»Sie ist bestellt.«

»Und sagtest du auch, daß sie für mich gehöre?«

»Das habe ich ihm gesagt.«

»Und was gab er zur Antwort?«

»Er wolle sein möglichstes tun, um Eure Hoheit zufriedenzustellen.«

»So ist es recht«, sprach der Herzog und rieb sich die Hände.

»Zum Kuckuck, gnädigster Herr,« rief la Ramee, »wie Sie doch locker zu werden anfangen! Seit fünf Jahren sah ich bei Ihnen keine so heitere Miene als in diesem Augenblicke.« Der Herzog fühlte, er habe sich nicht genugsam zu beherrschen gewußt; aber als wäre in diesem Augenblick, wo er nach der Tür horchte und sah, eine Ablenkung der Gedanken von la Ramee dringlich vonnöten gewesen, trat Grimaud ein und gab la Ramee einen Wink, daß er ihm etwas mitzuteilen habe. La Ramee trat zu Grimaud, der leise mit ihm sprach. Mittlerweile bekam der Herzog seine Fassung wieder und sagte: »Ich habe diesem Menschen bereits untersagt, ohne meine Erlaubnis einzutreten.«

»Gnädigster Herr,« versetzte la Ramee, »Sie müssen ihm vergeben, da ich ihn hierher bestellt habe.«

Ein Abenteuer der Marie Michon

Um dieselbe Zeit kamen zwei Männer zu Pferde mit einem Bedienten nach Paris und ritten durch die Faubourg Saint-Marcel. Diese beiden Männer waren der Graf de la Fere und der Vicomte von Bragelonne. Die zwei Reisenden hielten in der Straße du Vieux-Colombier bei dem Gasthause »zum grünen Fuchs« an. Athos kannte dieses Wirtshaus schon seit langer Zeit. Er war dort mit seinen Freunden hundertmal zusammengekommen, doch waren seit zwanzig Jahren, von den Wirtsleuten an, gar mannigfaltige Veränderungen darin vorgegangen. Die Reisenden übergaben ihre Pferde den Aufwärtern, und da die Tiere von edler Rasse waren, so empfahlen sie ihnen dafür die größte Sorgfalt: sie sollten denselben nur Stroh und Hafer geben und ihnen die Brust und die Beine mit warmem Wein waschen, da sie an diesem Tage zwanzig Stunden zurückgelegt hatten. Nachdem sie sich also vorerst mit ihren Pferden beschäftigt hatten, wie es wahrhafte Reiter tun sollen, so begehrten sie für sich zwei Zimmer. »Rudolf, du wirst deinen Anzug ordnen«, sagte Athos; »ich will dich jemand vorstellen.«

»Heute noch, Herr Graf?« fragte der junge Mann.

»In einer halben Stunde.« Der junge Mann machte eine Verbeugung.

»Höre,« sprach Athos, »pflege dich gut, Rudolf, ich will, daß man dich schön finden möge.«

»Herr Graf,« versetzte der junge Mann lächelnd, »ich hoffe doch, es handle sich nicht um eine Heirat. Sie wissen, was ich Louise zugesagt habe.« Nun lächelte auch Athos und sagte: »Nein, sei unbesorgt, wiewohl ich dir eine Frau vorstellen werde.«

»Eine Frau?« fragte Rudolf.

»Ja, und ich wünsche sogar, du möchtest sie liebgewinnen.«

Der junge Mann blickte mit einer gewissen Angst auf Athos, aber bei dessen Lächeln beruhigte er sich bald wieder. »Wie alt ist sie?« fragte der Vicomte von Bragelonne.

»Lieber Rudolf,« entgegnete Athos, »merke dir ein für allemal, daß man eine solche Frage niemals stellt. Kannst du auf dem Gesicht einer Frau ihr Alter lesen, so ist es unnötig, sie darum zu befragen; und kannst du es nicht mehr, so ist es indiskret.«

»Und ist sie schön?«

»Sie hat vor sechzehn Jahren nicht bloß als die hübscheste, sondern auch als die anmutvollste Frau in Frankreich gegolten.«

Diese Antwort beschwichtigte den Vicomte gänzlich. Athos konnte keine Absichten haben mit ihm und einer Frau, welche ein Jahr vorher, als er geboren wurde, für die hübscheste und einnehmendste Frau in Frankreich gegolten hatte. Er begab sich somit auf sein Zimmer und fing an mit jener Gefallsucht, welche der Jugend so gut steht Athos Auftrag zu vollziehen, sich nämlich so schön als möglich aufzuputzen, und das war mit dem ein leichtes, was die Natur hierzu beigetragen hatte. Als er wieder erschien, empfing ihn Athos mit jenem väterlichen Lächeln, mit welchem er sonst d'Artagnan empfangen hatte, doch enthielt es für Rudolf einen Ausdruck von noch größerer Zärtlichkeit.

»Nun,« murmelte er, »wenn sie auf ihn nicht stolz ist, so ist sie schwer zufriedenzustellen.«

Es war drei Uhr nachmittag, das heißt, die für Besuche geeignete Stunde. Die zwei Reisenden gingen in das prunkvolle Hotel, über dem das Wappen von Luhnes emporragte.

»Da ist es«, sprach Athos. Er trat in das Hotel mit dem festen und sichern Schritt, welcher dem Schweizer anzeigte, daß der Eintretende hierzu auch berechtigt sei. Er stieg über die Freitreppe, wandte sich an einen in glänzender Livree dastehenden Bedienten, fragte ihn, ob die Frau Herzogin von Chevreuse zu sprechen wäre, und ob sie den Herrn Grafen de la Fere empfangen könnte. Ein Weilchen darauf kehrte der Lakai zurück und meldete: »Wiewohl die Frau Herzogin von Chevreuse nicht die Ehre habe, den Herrn Grafen de la Fere zu kennen, so bitte sie doch gefälligst, eintreten zu wollen.« Athos folgte dem Lakai, der ihn durch eine lange Reihe von Gemächern führte und endlich vor einer verschlossenen Türe anhielt. Man war da in einem Salon. Athos gab dem Vicomte von Bragelonne einen Wink, daß er da, wo er eben sei, verweile. Der Lakai öffnete und meldete den Herrn Grafen de la Fere.