Выбрать главу

»Und sind Sie niemals wieder durch dieses Dorf gekommen?« fragte Frau von Chevreuse gespannt.

»Ein Jahr darauf, gnädige Frau.«

»Nun?«

»Nun, ich wollte den guten Maire wieder besuchen. Ich fand ihn sehr bestürzt ob eines Ereignisses, das ihm nicht einleuchtete. Acht Tage zuvor hatte er in einer Wiege einen allerliebsten, drei Monate alten Knaben mit einer Börse voll Gold und einem Briefchen erhalten, welches ganz einfach die folgenden paar Worte enthielt: »Den 11. Oktober 1633.«

»Das war das Datum jenes seltsamen Abenteuers,« bemerkte Frau von Chevreuse.

»Ja, doch verstand er nichts davon, als daß er jene Nacht bei einem Sterbenden zugebracht hatte, denn Marie Michon hatte sein Haus schon früher verlassen, als er dahin zurückgekommen war.«

»Sie wissen Wohl, Herr Graf, daß Marie Michon. als sie im Jahre 1643 wieder nach Frankreich zurückkehrte, sich allsogleich nach diesem Kinde erkundigen ließ, denn sie konnte es, da sie flüchtig war, nicht behalten, doch wollte sie es bei sich erziehen, als sie nach Frankreich zurückkam.«

»Und was sprach der Maire zu ihr?« fragte Athos.

»Ein vornehmer Herr, den er nicht kannte, sei zu ihm gekommen, habe sich für die Zukunft des Kindes verbürgt und es mit sich genommen.«

»Das ist wahr gewesen.«

»Ha. jetzt begreife ich, dieser vornehme Herr waren Sie, war sein Vater!«

»Stille, gnädige Frau, reden Sie nicht so laut, er ist hier."

»Er ist hier?« rief Frau von Chevreuse und sprang rasch empor.

»Er ist hier, mein Sohn - der Sohn der Marie Michon ist da? Ich will ihn sogleich sehen.«

»Geben Sie acht, gnädige Frau,« unterbrach sie Athos, »daß er weder seinen Vater noch seine Mutter erkenne.«

»Sie haben das Geheimnis bewahrt, und führen mir ihn so zu, in dem Glauben, daß Sie mich sehr glücklich machen würden. O, ich danke, Herr Graf, ich danke Ihnen,« rief Frau von Chevreuse, indem sie seine Hand erfaßte und an ihre Lippen zu drücken suchte. «Dank! Sie besitzen ein edles Herz!«

»Ich führe ihn her,« versetzte Athos, indem er seine Hand zurückzog, »damit auch Sie etwas für ihn tun möchten, gnädige Frau. Bis jetzt besorge ich allein seine Erziehung und glaube, einen vollkommenen Edelmann aus ihm gebildet zu haben; allein der Augenblick ist gekommen, wo ich mich abermals genötigt finde, das unstete und gefahrvolle Leben des Parteigängers zu führen. Von morgen an nehme ich teil an einem gewagten Unternehmen, wobei ich den Tod finden kann; sodann wird er nur noch Sie haben, um in der Welt zu einer Stelle zu gelangen, für die er berufen ist.«

»O, seien Sie ruhig!« rief die Herzogin aus.

»Für diesen Augenblick habe ich zwar leider wenig Einfluß, doch weihe ich ihm das, was mir davon übrig geblieben ist. Was Vermögen und Titel betrifft -«

»Deshalb beunruhigen Sie sich nicht, gnädige Frau, ich habe ihm die Herrschaft Bragelonne zugeschrieben, die ich erbte, und von welcher er den Titel mit zehntausend Livres Einkünften hat.«

»Mein Herr,« rief die Herzogin, »bei meiner Seele, Sie sind ein wahrhafter Edelmann! Allein ich glühe, unsern jungen Vicomte zu sehen. Wo ist er?«

»Dort im Salon; ich will ihn rufen, wenn Sie es erlauben.«

Athos machte einen Schritt nach der Türe; Frau von Chevreuse hielt ihn zurück und fragte: »Ist er schön?« Athos lächelte und erwiderte: »Er gleicht seiner Mutter.« Zugleich öffnete er die Türe und gab dem jungen Manne einen Wink, der an der Schwelle erschien.

Frau von Chevreuse konnte nicht umhin, einen Freudenruf auszustoßen, als sie einen so liebenswürdigen Kavalier erblickte, der alle Hoffnungen überbot, die ihr Stolz zu fassen vermochte. »Tritt näher heran, Vicomte,« rief Athos; »die Frau Herzogin von Chevreuse erlaubt es, daß du ihr die Hand küssest.«

Der junge Mann näherte sich mit entblößtem Haupte und seinem einnehmenden Lächeln, beugte ein Knie und küßte die Hand der Frau von Chevreuse. Dann wandte er sich zu Athos und sagte: »Herr Graf, haben Sie mir nicht etwa aus Schonung für meine Schüchternheit gesagt: die gnädige Frau sei die Herzogin von Chevreuse, und ist sie nicht vielmehr die Königin?«

»Nein, Vicomte,« versetzte Frau von Chevreuse, indem sie ihn gleichfalls bei der Hand erfaßte, ihm einen Wink gab, neben ihr Platz zu nehmen und ihn mit wonnestrahlenden Augen betrachtete. »Nein, ich bin leider nicht die Königin, denn wäre ich diese, so würde ich auf der Stelle das für Euch tun, dessen Ihr würdig seid; jedoch als die, welche ich bin,« fuhr sie fort, wobei sie sich mühevoll zurückhielt, ihre Lippen auf seine so glänzende Stirne zu pressen; »sagt an, auf welche Laufbahn wünscht Ihr Euch zu begeben?« Athos, der zur Seite stand, blickte die beiden mit einem Ausdruck unbeschreiblichen Vergnügens an. Der junge Mann erwiderte mit seiner sanften und zugleich wohlklingenden Stimme: »Aber, gnädigste Frau, ich denke, es gäbe für einen Edelmann nur eine Laufbahn, nämlich die der Waffen. Auch glaube ich, daß mich der Herr Graf zu dem Zwecke erzogen hat, aus mir einen Kriegsmann zu bilden, und er ließ mich hoffen, daß er mich in Paris jemandem vorstellen werde, der mich bei dem Prinzen empfehlen könnte.«

»Ja, ich sehe wohl ein, es steht für einen jungen Krieger, wie Ihr seid, recht gut, unter einem jungen Feldherrn zu dienen, wie er ist; - doch halt, wartet -persönlich stehe ich mit ihm so ziemlich schlecht ob der Streitigkeit der Frau von Montbazon, meiner Schwiegermutter, mit Frau von Longueville, allein durch den Prinzen von Marsillac — Nun, wirklich! sehen Sie, Graf, es geht an; der Prinz ist ein alter Freund von mir; er wird unseren jungen Freund der Frau von Longueville empfehlen, diese wird ihm einen Brief für ihren Bruder, den Prinzen, geben, der sie zu aufrichtig liebt, als daß er nicht alles, was sie von ihm fordert, auf der Stelle tun würde.«

»Gut, das geht ja vortrefflich,« sprach der Graf. »Allein, darf ich es wagen, Ihnen die größte Eile anzuempfehlen? Ich habe Gründe, zu wünschen, daß der Vicomte morgen abend nicht mehr in Paris verweile.«

»Wünschen Sie, Herr Graf, daß man es in Erfahrung bringe, daß Sie sich für ihn verwenden?«

»Vielleicht wäre es für seine Zukunft ersprießlicher, daß man gar nichts davon wisse, daß er mich jemals gekannt hat.«

»Ach, Herr Graf!« rief der junge Mann.

»Du weißt wohl, Bragelonne,« versetzte der Graf, »daß ich nie etwas ohne Grund tue.«

»Ja, Herr Graf,« erwiderte der junge Mann, »ich kenne die tiefe Weisheit, die Sie leitet, und will Ihnen, wie ich es gewohnt bin, Folge leisten.«

»Wohlan, Graf,« verfetzte die Herzogin, »überlassen Sie ihn mir, ich will den Prinzen von Marsillac berufen, der eben zum Glücke in Paris verweilt, und ihn nicht eher verlassen, als bis die Sache im reinen ist.«

»Gut, Frau Herzogin, tausendfachen Dank! Ich habe noch mehrere Gänge zu tun, und wenn ich gegen sechs Uhr abends zurücklehre, erwarte ich den Vicomte im Gasthause.«

»Was tun Sie diesen Abend?«

»Wir gehen zu Scarron, für den ich einen Brief habe, und bei dem ich einen meiner Freunde finden soll.«

»Gut,« versetzte die Herzogin von Chevreuse, »ich will selbst auf einen Augenblick dahin kommen; verlassen Sie also seinen Salon nicht früher, als bis Sie mich gesehen haben.«

Athos verneigte sich und schickte sich an, fortzugehen.

»Wie doch, Herr Graf,« sprach die Herzogin lachend, »verläßt man denn seine alten Freunde auf eine so formensteife Weise?«

»Ach,« murmelte Athos, indem er ihr die Hand küßte, »hätte ich es doch früher gewußt, daß Marie Michon ein so einnehmendes Wesen sei!«

Er ging seufzend hinweg.

Die Befreiung

Herr von Beaufort, dem das Innere des Palais-Royal und die Verhältnisse der Königin und des Kardinals so gut bekannt waren, malte sich in seinem Gefängnisse den ganzen, dramatischen Auftritt aus, welcher stattfinden würde, wenn von dem Kabinett des Ministers aus bis zu den Zimmern der Königin der Ruf erschallte: »Herr von Beaufort hat sich befreit!« Während sich nun Herr von Beaufort alles das selber sagte, lächelte er sich freundlich zu, und im Wahne, daß er bereits außen die freie Luft der Ebene und Wälder einatme, ein flinkes Roß zwischen seinen Schenkeln tummle, rief er mit lauter Stimme: »Ich bin frei!« Er befand sich freilich, wenn er zu sich kam, wieder zwischen seinen vier Wänden, und erblickte nur zehn Schritte vor sich la Ramee, der seine Daumen umeinander herumschnellte, und im Vorgemach seine acht Wächter, welche lachten oder zechten. Das einzige Labsal bei diesem so verhaßten Gemälde war ihm das finstere Gesicht Grimauds, dieses Gesicht, gegen welches er anfangs eine Abscheu gefaßt hatte, und welches dann seine ganze Hoffnung geworden war. Grimaud schien ihm ein Antonious.