In diesem Augenblick schlug es sieben. Grimaud sprang auf la Ramee zu, drückte dem, keines Lautes fähig, den Knebel in den Mund, den er wie alle andern Utensilien mit einem raschen Griff aus der Pastete geholt hatte, fesselte ihn sodann mit den Streifen einer zerrissenen Serviette und machte sich sofort daran, dem Gefesselten alle Schlüssel aus den Taschen zu nehmen.
Nachdem der Herzog dem verzweifelt vor sich hinstarrenden la Ramee sein aufrichtigstes Bedauern ausgedrückt, daß er gezwungen sei, seinen freundschaftlichen Gefühlen für ihn scheinbar so sehr entgegenzuhandeln, begaben sich die beiden mit Hilfe der Schlüssel schleunigst aus dem Haus, erreichten unbemerkt den Wall und fanden, mit einiger Mühe, aber ohne Unfall auf die andere Seite gelangt, ihre Retter, die sie mit zwei Reservepferden erwarteten.
»Meine Herren,« sprach der Prinz, »ich werde ihnen später danken, doch jetzt ist keine Sekunde zu verlieren. Also auf und vorwärts, wer mir gerne folgt.« Er schwang sich auf sein Pferd und sprengte im schnellsten Galopp von hinnen, wobei er aus voller Brust Atem holte und mit unaussprechlichem Entzücken rief: »Frei! - Frei! - Frei!« -
D'Artagnan trifft zur rechten Zeit ein
D'Artagnan behob in Blois die Geldsumme, die Mazarin bei dem Wunsche, ihn wieder zu sehen, ihm für künftige Dienste zu schicken sich endlich entschlossen hatte. »Ach,« entgegnete Planchet, »wirklich, Sie sind allein für das rührige Leben geschaffen. Sehen Sie Herrn Athos an, wer sollte glauben, das sei jener kühne Abenteurer, den wir gekannt haben? Jetzt lebt er wie ein wahrer adeliger Pächter, wie ein wahrer Landedelmann. Nun, gnädiger Herr, es geht wirklich nichts über eine ruhige Existenz.« »Heuchler,« entgegnete d 'Artagnan, »man sieht wohl, daß du dich Paris näherst und daß es in Paris einen Strang und einen Galgen gibt, welche deiner harren.«
Als er sich um die Ecke der Straße Montmartre wandte, sah er an einem Fenster des Wirtshauses »la Chevzette« Porthos, der in ein prunkvolles, himmelblaues, silbergesticktes Wams gekleidet war und eben mit weit geöffneten Nacken gähnte, so daß die Vorübergehenden mit einer gewissen ehrfurchtsvollen Bewunderung diesen so schönen und reichen Edelmann betrachteten, der über seinen Reichtum und hohen Rang so viel Langweile zu haben schien. Übrigens waren d'Artagnan und Planchet auch von Porthos erkannt, als sie kaum um jene Straßenecke gekommen waren. »He, d'Artagnan!« rief er aus, »Gott sei gelobt, Ihr seid es.«
Porthos kam zur Schwelle des Gasthauses herab und sagte: »Ach, Freund, wie übel hier meine Pferde untergebracht sind!« »Wirklich,« rief d'Artagnan, »ich bin untröstlich wegen dieser edlen Tiere.« »Und auch mir ging es da ziemlich schlecht,« sagte Porthos, »und wäre die Wirtin nicht gewesen,« fuhr er mit selbstzufriedener Miene auf den Beinen schaukelnd fort, »die ziemlich zuvorkommend ist und einen Scherz versteht, so hätte ich mir anderweitig eine Herberge gesucht.«
Während dieser Worte hatte sich die schöne Magdalena genähert, wich aber sogleich einen Schritt zurück und wurde todesbleich.
»Ja, lieber Freund, ich begreife wohl, die Luft ist in der Straße Tiquetonne nicht so gut wie im Tale Pierrefonds, doch seid unbesorgt, Ihr sollt eine bessere einatmen.« »Wann denn?« »Meiner Treue, ich hoffe recht bald.« »Ah, desto besser.« Auf diesen Ausruf Porthos' ließ sich aus der Ecke der Türe ein schwaches und langes Ächzen vernehmen. D'Artagnan sah an der Wand den ungeheuren Wanst Mousquetons hervorkommen, während dessen Mund heimliche Klagetöne entschlüpften. »Und auch du, armer Mouston, du bist in diesem ärmlichen Wirtshause nicht am rechten Platze, nicht wahr?« fragte d'Artagnan in jenem neckenden Tone, der ebensogut Mitleid als Hohn sein konnte. »Er findet die Küche verwünschenswert,« entgegnete Porthos. »Doch wie,« sagte d'Artagnan, »warum bestellt er sich nicht selbst wie in Chantilly?« »Ach, gnädiger Herr, ich hatte hier nicht mehr wie dort die Teiche des Herrn Prinzen, um die herrlichen Karpfen zu fischen, und die Wälder Sr. Hoheit, um darin die köstlichen Rebhühner zu jagen. Was den Keller betrifft, so untersuchte ich ihn genau, fand aber wirklich nicht viel Gutes darin.« Er nahm Porthos beiseite und fuhr fort: »Lieber du Vallon, jetzt seid Ihr völlig angekleidet, und das fügt sich vortrefflich, denn ich führe Euch sogleich zum Kardinal.« , »Bah, wirklich?« entgegnete Porthos mit großen, verblüfften Augen. »Ja, mein Freund.« »Eine Vorstellung?« »Erschreckt Ihr davor?« »Nein, doch beunruhigt es mich.« »O, seid unbekümmert; Ihr habt es nicht mehr mit dem andern Kardinal zu tun, und bei dem gegenwärtigen werdet Ihr Euch von Seiner Hoheit nicht gedemütigt fühlen.« »Das ist gleichviel, d'Artagnan; Ihr begreift aber wohl, der Hof -« »Ei, mein Freund, es gibt keinen Hof mehr.« »Die Königin -« »Hm, die Königin? Beruhigt Euch, wir werden sie nicht sehen.« »Und Ihr sagt, wir werden sogleich nach dem Palais Royal gehen?« »Auf der Stelle, und damit wir nicht säumen, entlehne ich eines Eurer Pferde.« »Nach Gefallen, sie stehen alle vier zu Eurem Dienste.« »O, ich brauche für den Augenblick nur eines.« »Nehmen wir unsere Bedienten nicht mit?« »Ja, nehmt Mousqueton mit, das wird nicht schaden; Planchet aber hat seine Gründe, nicht an den Hof zu gehen.« »Warum?« »Er steht nicht gut mit Seiner Eminenz.« »Mouston,« rief Porthos, »sattle Vulcan und Bayard.« »Und ich, gnädiger Herr, soll ich den Rustaud nehmen?« »Nein, nimm ein Paradepferd, nimm Phöbus oder Superbe, wir machen eine Aufwartung.« »Ah,« rief Mousqueton, leichter atmend, »es handelt sich also nur um einen Besuch.« »Mein Gott! ja, Mouston, um nichts anderes; steck' aber jedenfalls die Pistolen in die Halfter; die meinigen findest du geladen in meinem Sattel.«
Als Porthos mit Wohlgefallen seinen alten Diener fortgehen sah, sprach er: »D'Artagnan! Ihr habt wirklich recht, Mouston genügt. Mouston nimmt sich gut aus.« D'Artagnan lächelte. »Und Ihr,« fuhr Porthos fort, »wollt Ihr Euch nicht umkleiden?« »O nein, ich bleibe so, wie ich bin.« »Doch Ihr seid ganz bedeckt mit Schweiß und Staub und Eure Stiefel sind beschmutzt.« »Dieser Reiseanzug bezeugt den Eifer, womit ich den Befehlen des Kardinals nachkomme.«
In diesem Momente kehrte Mousqueton mit den drei wohlgesattelten Pferden zurück. D'Artagnan stieg wieder auf, als hätte er sich acht Tage lang ausgeruht.«
»O,« sprach er zu Planchet, »mein langes Schwert ...«
»Ich,« versetzte Porthos, indem er auf einen kleinen Paradedegen mit vergoldetem Griff deutete, »ich trage meinen Hofdegen.«