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»Wer würde ihm nachsetzen?« rief Mazarin. »Ich, bei Gott!«

»Und würdet Ihr ihn ergreifen?«

»Weshalb denn nicht?«

»Ihr würdet den Herzog von Beaufort bewaffnet ergreifen?«

»Hieße mir Ew. Gnaden den Teufel einziehen, würde ich ihn bei den Hörnern packen und hierher schleppen.«

»Auch ich,« versetzte Porthos. »Auch Ihr?« fragte Mazarin und blickte die beiden Männer erstaunt an. »Doch der Herzog wird sich nicht ergeben ohne einen blutigen Kampf.«

»Also Kampf,« entgegnete d'Artagnan mit flammenden Augen; »es ist schon lange, daß wir uns nicht mehr schlugen, nicht wahr. Porthos?«

»Kampf!« rief Porthos. »Und Ihr hofft, ihn wieder einzuholen?«

»Ja, wenn wir bessere Pferde haben als er.«

»So nehmt, was Ihr da von Garden findet und setzet ihm nach.«

»Sie befehlen es, gnädigster Herr?«

»Ich unterzeichne es,« entgegnete Mazarin, nahm ein Papier und schrieb einige Zeilen.«

»Fügen Sie noch hinzu, gnädigster Herr, daß wir alle Pferde, die wir auf dem Wege antreffen, in Beschlag nehmen dürfen.«

»Ja, ja,« rief Mazarin, »im Dienste des Königs, nehmt und eilet.«

»Wohl, gnädigster Herr.«

»Herr du Vallon,« sprach Mazarin, »Eure Baronie sitzt mit dem Herzog von Beaufort zu Pferd«; es handelt sich nur darum, seiner habhaft zu werden. -Aber Euch, Herr d'Artagnan, verspreche ich nichts; bringt Ihr ihn jedoch lebend oder tot zurück, so mögt Ihr fordern, was Ihr wollet.«

»Auf, zu Pferde!« rief d'Artagnan und faßte die Hand des Freundes. »Ich stehe bereit,« erwiderte Porthos mit seiner erhabenen Kaltblütigkeit.

Sie stiegen sonach die große Treppe hinab, nahmen die Garden mit sich, die sie auf dem Wege trafen, und riefen: »Zu Pferde! Zu Pferde!« D'Artagnan warf an der Ecke des Friedhofes einen Mann zu Boden, ohne zu bemerken, daß dieser der Ratsherr Broussel sei; auch war der Vorfall zu unbedeutend, als daß sich so eilfertige Männer dabei aufhalten ließen; die galoppierende Schar setzte ihren Ritt fort, als wären ihre Pferde beflügelt.

Die Verfolger schlugen sofort den Weg nach Vincennes ein, und erfuhren von einem Bauern, daß ein Trupp von Reitern vor kurzer Zeit in großer Eile in der Richtung nach Vendomois galoppiert sei. D'Artagnan und Porthos spornten ihre Pferde zu schärfstem Trabe an; nach längerer Zeit entdeckte man vor sich auf der Straße eine dunkle bewegte Masse, die sich nur undeutlich vom Horizont abhob, sich jedoch bald zerteilte und in zwei Punkte auflöste, die sich rasch näherten. Es waren zwei von des Herzogs Leuten, die die Nachhut bildeten und den verdächtigen Reitern entgegenkamen. Als sie sich d'Artagnan, der vorgeritten war, auf Schußweite genähert hatten, fragten sie in barschem Ton, was man da suche. D'Artagnans Antwort: »Den Herzog von Beaufort!« war kaum verklungen, als sich auch schon ein kurzer, aber um so heftigerer Kampf entwickelte, der damit endete, daß die beiden Leute des Herzogs am Platze blieben, wahrend d'Artagnan und Porthos sich ihrer Pferde bemächtigten. Die bisher gerittenen Tiere waren dem Verenden nahe; der rasende Ritt hatte sie völlig erschöpft und eine» hatte überdies soeben eine Kugel in den Bauch bekommen. Die Verfolgung wurde nun sofort mit verdoppelter Energie wieder aufgenommen; bald hörte man das Stampfen vieler Hufe vor sich und bereitete sich auf einen heißen Kampf vor. Die Leute Beauforts erwarteten ihre Gegner mit schußbereiten Pistolen und gezogenen Degen. In dem heftigen Gefecht, das sich nun in tiefste Dunkelheit entwickelte, hatte d'Artagnan sein Pferd eingebüßt und stand mit blanker Klinge vor einem Gegner, der ebenfalls den Sattel verlassen hatte.

Wahrend des Duells, das sich nun entspann, machte d'Artagnan die Bemerkung, daß sein Gegner einen Arm hatte, der dem seinen wohl gewachsen schien; als er eben zu einem seiner gefürchteten Stöße ausholen wollte, erkannte er beim Feuerschein einer neben ihm abgeschossenen Pistole zu seinem unbeschreiblichen Schrecken, daß sein Gegner niemand anderer als Porthos sei. Dieser, der auch d'Artagnan erkannte, stieß einen Schrei der Überraschung aus und rief dann, während das Duell natürlich abgebrochen wurde, mit lauter Stimme: »Aramis, nicht schießen - das sind unsere Freunde!« Ein paar schnell erteilte Befehle beendeten den hitzigen Kampf, der nur unter des Herzogs Leuten Opfer gefordert hatte. Porthos verständigte den Herzog von dem wunderlichen Zusammentreffen und die vier Freunde traten, ein wenig beschämt und ratlos, zu einer Besprechung zusammen.

Place-Royale

Athos nahm zuerst das Wort; er tat der alten, so oft erprobten Freundschaft Erwähnung, die die vier Edelleute bisher so fest miteinander verbunden hatte, und bedauerte es von ganzem Herzen, daß je zwei und zwei sich nun im Lager einander feindlicher Parteien fänden. Wie immer die Dinge sich auch gestalten sollten, so erwarte er doch, daß man seinem Vorschlag, das liebe, alte Einvernehmen durch diesen widrigen Vorfall nicht zerstören zu lassen, ungehindert von der Verschiedenheit der politischen Stellung der vier Kameraden, allgemein zustimmen werde. Dieser Rede folgte eine kurze Auseinandersetzung Athos' mit dem hitzigen Gascogner, der ein bißchen murrte, aber schließlich der Erneuerung des Freundschaftsbundes am lebhaftesten zustimmte. Die vier Männer reichten einander die Hände und schwuren sich feierlich, was immer auch kommen sollte, nie das Schwert gegeneinander zu führen und schieden nach herzlicher Umarmung, froh, diese peinliche Affäre so glücklich zu Ende geführt zu haben. Athos und Aramis gingen zum Herzog zurück, während d'Artagnan und Porthos, wenig erfreut, den Flüchtling wieder entweichen lassen zu müssen, den Rückweg nach Paris antraten. Als Mazarin von dem Mißerfolg erfuhr, den d'Artagnan bei Verschweigung der Namen seiner feindlichen Freunde einer allzugroßen Übermacht des Gegners zuschrieb, hatte er eine schlaflose und sehr unruhige Nacht zuzubringen.

Der gute Broussel

Indes war zum Unglück für den Kardinal Mazarin, dem in diesem Momente nichts nach Wunsch ausfiel, der Ratsherr Broussel nicht zermalmt worden. Er schritt in der Tat ruhig über die Straße Saint-Honore, als ihn das dahinbrausende Pferd d'Artagnans an die Schulter stieß und zu Boden warf. Man lief herzu, man sah diesen ächzenden Mann, man befragte ihn um seinen Namen, seine Wohnung, seinen Stand, und als er geantwortet hatte, daß er Broussel heiße, und Parlamentsrat sei, und daß er in der Gasse Saint-Landry wohne, erhob sich in dieser Menge ein Schrei, ein furchtbar bedrohlicher Schrei, der den Verwundeten ebenso erschreckte als der Orkan, der eben über ihn brauste.

»Broussel,« ward gerufen. »Broussel, unser Pater, er, der unsere Rechte beschützt; Broussel, der Freund des Volkes, getötet, von diesen Bösewichtern mit Füßen getreten! Zu Hilfe! zu den Waffen! Gewalt!«-Die Menge wuchs in einem Augenblick unermeßlich; man hielt einen Wagen an, um den armen Ratsherrn hineinzusetzen; doch als ein Mann aus dem Volke begreiflich machte, daß sich der Zustand des Verwundeten durch das Schütteln im Wagen noch verschlimmern könnte, so taten Fanatiker den Vorschlag, ihn auf den Armen zu tragen, was auch mit Begeisterung und einstimmig angenommen wurde. Gesagt, getan. Das Volk hob ihn zugleich drohend und sanft in die Höhe, und trug ihn fort gleich einem Riesen der Märchen, welcher grollt, und dabei einen Zwerg in seinen Armen liebkosend wiegt. Man erreichte nicht ohne Mühe Broussels Haus. Die Menge, welche schon lange vorher durch die Straßen wogte, ward nun an die Fenster und Türschwellen gelockt. An einem Fenster eines Hauses, zu dem eine enge Türe führte, bemerkte man eine alte Magd sich lebhaft gebärden und aus allen Kräften schreien, dann eine betagte Frau, die in Tränen schwamm. Diese zwei Personen befragten mit sichtlicher, nur auf verschiedene Weise ausgedrückter Kümmernis das Volk, doch dieses erteilte ihnen statt aller Antwort nur ein verworrenes, unverständliches Geschrei.