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Die Blässe des anscheinenden Mönches wurde totenfahl und er lächelte so seltsam, daß Rudolf, der ihn nicht aus den Augen ließ, auf dieses Lächeln sein Herz krampfhaft beklommen fühlte und sagte, indem er die Hand auf den Kolben seiner Pistole legte: »Das ist irgendein spanischer oder flamändischer Kundschafter.« Ein bedrohlicher Blick, der wie ein Blitz zuckte, antwortete Rudolf. »Nun, mein Herr,« rief Guiche, »werdet Ihr Antwort geben?« »Meine Herrn, ich bin Priester,« entgegnete der Vermummte. Und sein Antlitz nahm wieder seine gewöhnliche Gleichgültigkeit an. »Dann, mein Vater,« sprach Rudolf, während er seine Pistolen wieder in die Halftern steckte und seinen Worten einen ehrerbietigen Ton gab, »wenn Ihr wirklich Priester, seid, so werdet Ihr, wie Euch mein Freund bedeutet hat, Gelegenheit finden, ein standesgemäßes gutes Werk zu verrichten; ein unglücklicher Verwundeter kommt Euch entgegen und wird dort im nächsten Wirtshause anhalten; er verlangt den Beistand eines Dieners Gottes, und unsere Diener begleiten ihn.« »Ich will dahin gehen,« erwiderte Francis, und stieß sein Maultier mit den Fersen. »Wenn Ihr nicht dahin geht,« versetzte Guiche, »so glaubet uns, wir haben Pferde, die Euer Maultier bald einholen, und besitzen Ansehen genug, um Euch überall ergreifen zu lassen, wo Ihr sein möget; und dann schwöre ich Euch, wird Euer Prozeß bald abgetan sein.« Francis' Auge funkelte aufs neue, doch das war alles; er wiederholte seine Worte: »Ich gehe hin,« und trabte fort. »Reiten wir ihm nach,« sprach de Guiche, »das wird sicherer sein.« »Das wollte ich eben auch vorschlagen,« entgegnete Bragelonne.

Die zwei jungen Männer machten sich wieder auf den Weg und richteten ihren Ritt nach dem des vorgeblichen Mönches ein dem sie auf solche Art auf Pistolenschußweite folgten. Nach Verlauf von fünf Minuten wandte sich Francis, um zu sehen, ob man ihm nachfolge oder nicht. »Seht Ihr,« sprach Rudolf, »daß wir wohl getan haben.« Nach einer Weile gelangte man in die Nähe des kleinen Wirtshauses, und sah von der andern Seite den Zug mit dem Verwundeten, der unter Herrn d'Arminges' Leitung langsam herbeikam. Zwei Mann trugen den Sterbenden, der dritte führte die Pferde an der Hand. Als de Guiche an Francis vorüberritt, sagte er zu ihm: »Herr Mönch, da ist der Verwundete, habt die Güte, ein bißchen zu eilen.« Sonach waren es die jungen Männer, welche dem vorgeblichen Diener Gottes vorauseilten, statt ihm zu folgen. Sie eilten dem Verwundeten entgegen und brachten ihm diese angenehme Botschaft. Dieser richtete sich auf, um in der angezeigten Richtung hinzusehen, erblickte den Mönch, wie er eben den Gang seines Maultieres beschleunigte, und sank, das Antlitz von einem Strahle von Freude erheitert, wieder zurück auf die Bahre.

»Nun,« sprachen die jungen Männer, »haben wir für Euch alles das getan, was wir zu tun vermochten, und da wir Eile haben, um bei dem Heere des Prinzen einzutreffen, so werdet Ihr uns entschuldigen, mein Herr, nicht wahr? um so mehr, da eine Schlacht stattfinden soll, und wir nicht etwa tags darauf ankommen möchten.« »Ziehen sie dahin, meine jungen Herren,« erwiderte der Verwundete, »und ihr Mitleid werde gesegnet; sie haben hier auch wirklich alles getan, was in ihren Kräften stand, und so kann ich ihnen nur noch eins sagen: Gott behüte Sie und alle, die Ihnen teuer sind.« »Wir ziehen voraus, mein Herr,« sprach de Guiche zu seinem Hofmeister, »und Ihr holet uns wieder ein auf der Straße von Cambrin.«

In diesem Momente wurde die Bahre von den zwei Lakaien in das Haus hineingetragen. Der Wirt und seine Gemahlin, welche gleichfalls herbeigekommen waren, standen auf den Stufen der Treppe. Der unglückliche Verwundete schien furchtbare Schmerzen zu leiden, und doch war er nur mit dem Gedanken beschäftigt, ob ihm der Mönch nachkomme. Bei dem Anblick dieses bleichen und blutbesprengten Mannes preßte die Frau heftig den Arm ihres Gemahls. »Nun. was ist's?« fragte dieser. »Wird dir etwa unwohl?« »Nein.« sagte die Wirtin, und indem sie auf den Verwundeten zeigte, fuhr sie fort: »Sieh' nur!« »Hm,« entgegnete ihr Gemahl, »er scheint mir sehr krank.« »Das ist es aber nicht, was ich sagen will,« erwiderte die Frau bebend, »ich frage dich, ob du ihn kennst.« »Diesen Mann da? Ei, warte doch ...« »O, ich sehe, du kennst ihn,« fiel die Frau ein, »denn du wirst blaß.« »In der Tat!« rief der Wirt aus; »weh unserem Hause, das ist der vormalige Scharfrichter von Bethune!« »Der vormalige Scharfrichter, von Bethune,« murmelte der anscheinende Mönch, indem er mit einer Miene des Widerwillens stehenblieb. Herr d'Arminges, der an der Türe stand, gewahrte sein Zögern und sagte: »Herr Mönch, ob nun dieser Unglückliche Scharfrichter ist oder einstens war, so ist er nichtsdestoweniger ein Mensch. Erweiset ihm also den letzten Dienst, den er von Euch fordert, und Euer Werk wird deshalb nur um so verdienstlicher sein.« Der Mönch gab keine Antwort, setzte aber schweigend seinen Gang fort nach dem unteren Zimmer, worin der Sterbende von den zwei Trägern auf ein Bett gelegt worden war.

Als nun die zwei Diener sahen, daß sich Francis dem Bette des Verwundeten nähere, verließen sie das Zimmer und verschlossen die Türe hinter dem Mönche und dem Sterbenden.

D'Arminges und Olivain erwarteten die Diener; sie stiegen wieder zu Pferde und ritten im Trabe von hinnen. da sie den Weg einschlugen, auf dem sich Rudolf und sein Freund entfernt hatten.

Gleich darauf, als der Hofmeister und sein Gefolge verschwunden war, hielt ein neuer Reisender vor dem Wirtshause an. »Was verlangt der Herr?« fragte der Wirt, noch bleich und zitternd ob der soeben gemachten Entdeckung. Der Reisende machte die Gebärde eines Mannes, welcher trinkt, stieg ab, zeigte auf sein Pferd und deutete durch einen Wink an. daß man es abstriegeln solle. »Ah. zum Teufel!« rief der Wirt, »dieser Mann scheint stumm zu sein. - Wo wollet Ihr denn trinken?« fragte er. »Hier!« rief der Reisende und zeigte auf einen Tisch. »Ich habe mich doch geirrt,« sprach der Wirt, »er ist nicht gänzlich stumm.« Darauf verneigte er sich und holte eine Flasche Wein und Zwieback, die er seinem schweigsamen Gaste vorsetzte. »Verlangt der Herr weiter nichts?« fragte er. »Doch,« entgegnete der Reisende. »Was verlangt denn der Herr?« »Zu wissen, ob Ihr einen jungen Edelmann von fünfzehn Jahren, der einen Fuchs ritt und von einem Diener begleitet war, vorüberkommen saht.« »Den Vicomte von Bragelonne?« versetzte der Wirt. «Ganz richtig.« »Nun. so seid Ihr Herr Grimaud?« Der Reisende nickte bejahend mit dem Kopfe. »Nun denn,« sprach der Wirt, »Euer junger Herr war vor etwa einer halben Viertelstunde noch hier; er wird in Mazingarde zu Mittag speisen und in Cambrin übernachten.« »Wie weit ist's nach Mazingarde?« »Zwei und eine halbe Meile.« »Dank!«

Er hatte eben erst sein Glas auf den Tisch gestellt und sich angeschickt, es zum zweiten Mal zu füllen, als ein entsetzlicher Schrei in jenem Zimmer erschallte, wo der Mönch und der Sterbende waren. Grimaud richtete sich hoch auf und fragte: »Was ist das? woher kommt dieser Schrei?« »Aus dem Zimmer des Verwundeten,« rief der Wirt. »Welches Verwundeten?« fragte Grimaud. »Des vormaligen Scharfrichters von Bethune, der von spanischen Parteigängern umgebracht worden ist, den man hierhergeschafft hat und der in diesem Momente beichtet - er scheint sehr zu leiden.« »Der vormalige Scharfrichter von Bethune.« murmelte Grimaud und sann nach. - »Ist es nicht ein Mann von fünfundfünfzig bis sechzig Jahren, stark gebaut, dunkelbraun, mit schwarzen Haaren und Bart?« »Ganz richtig, nur ist sein Bart grau geworden und sein Haar gebleicht. Kennt Ihr ihn denn?« fragte der Wirt. »Ich habe ihn einmal gesehen.« entgegnete Grimaud, dessen Stirne sich bei dem Bilde, welches seiner Erinnerung vorschwebte, umdüsterte. Die Wirtin eilte zitternd herbei und sprach zu ihrem Manne: »Hast du gehört?« »Ja,« entgegnete der Wirt und blickte ängstlich nach der Türe hin. In diesem Momente vernahm man einen minder starken Schrei, doch folgte ihm ein langes und anhaltendes Stöhnen. Die drei Personen starrten sich schaudernd an.