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Mittlerweile betrachtete Rudolf diesen jungen General, der sich bereits durch die Schlachten von Rocroy, Freiberg und Nördlingen so berühmt gemacht hatte. Ludwig von Bourbon, Prinz von Conde, welchen man seit dem Tode Heinrichs von Bourbon, seines Vaters, der Kürze wegen und nach der damaligen Gewohnheit den »Prinzen« 113 nannte, war ein junger Mann von sechsundzwanzig bis siebenundzwanzig Jahren, mit einem Adlerblick, agl' occhi Grifagni, wie sich Dante ausdrückt, mit gebogener Nase, langen, geringelten Haaren, von mittlerer Größe und wohl gebaut; er besaß alle Eigenschaften eines großen Kriegers, nämlich scharfen Blick, raschen Entschluß und unglaublichen Mut, während er zugleich ein Mann voll Eleganz, Geist und Witz war.

Auf die ersten Worte des Grafen von Guiche und nach der Richtung, aus welcher der Kanonendonner dröhnte, hatte der Prinz alles verstanden. Der Feind mußte bei Saint-Venaut über die Lys gesetzt haben und gegen Lens vorgerückt sein, da er zuverlässig diese Stadt einnehmen und das Heer von Frankreich abschneiden wollte. Diese Kanonen, welche mit ihrem Donner von Zeit zu Zeit die andern überhallten, waren grobes Geschütz, und antworteten auf die spanischen und lothringischen Kanonen. Allein wie stark war dieses Heer? war es ein Korps, das nur eine Diversion bezwecken wollte? war es die ganze Armee? Das war des Prinzen letzte Frage, auf welche de Guiche unmöglich antworten konnte. Da sie jedoch die wichtigste war, so war sie auch diejenige, welche der Prinz auf das genaueste und pünktlichste beantwortet wissen wollte.

Nun überwand Rudolf das ganz natürliche Gefühl von Schüchternheit, das sich dem Prinzen gegenüber unwillkürlich seiner bemächtigt hatte, trat näher hinzu und sprach: »Würde mir Ew. Hoheit erlauben, über diesen Punkt einige Worte zu wagen, die vielleicht Ihre Verlegenheit beheben könnten?«

Der Prinz wandte sich um, und schien den jungen Mann mit einem einzigen Blick zu mustern, und lächelte, als er einen Jüngling vor sich sah, der kaum fünfzehn Jahre zählte. »Allerdings, mein Herr, redet,« sagte er, indem er seine barsche und starke Stimme milderte, als hätte er ein Frauenzimmer vor sich. »Ew. Hoheit könnte den spanischen Gefangenen anhören,« erwiderte Rudolf mit Erröten. Ihr machtet einen Spanier zum Gefangenen?« rief der Prinz.»Ja, gnädigster Herr.« »Ja, wirklich,« fiel de Guiche ein, »ich habe ihn vergessen.« »Das ist sehr natürlich, Graf,« sprach Rudolf lächelnd, »weil Ihr ihn zum Gefangenen gemacht habt.« Der alte Marschall wandte sich dankbar für dieses, seinem Sohne erteilte, Lob zu dem Vicomte, indes der Prinz sagte: »Der junge Mann hat recht; man führe den Gefangenen vor.«

Man brachte den Parteigänger. Es war einer von jenen unter Tücke und Plünderung ergrauten Condottieri, wie es damals noch einige gab, die ihr Blut an jeden verkauften, er es bezahlen wollte. Seit seiner Gefangennehmung sprach er nicht ein Wort, so daß die, welche ihn festgenommen, selbst nicht wußten, welcher Nation er angehöre. Der Prinz sah ihn voll Mißtrauen an und fragte: »Von welcher Nation bist du?« Der Gefangene antwortete einiges in einer fremden Sprache. »Ah, er scheint Spanier zu sein. Grammont, sprechen Sie spanisch?« »Meiner Treue, gnädigster Herr, sehr wenig.« »Und ich gar nichts,« sprach der Prinz lachend. »Meine Herren,« fuhr er fort, und wandte sich zu denen, die ihn umgaben, »ist jemand unter Euch, der spanisch versteht und mir als Dolmetsch dienen wollte?« »Ich, gnädigster Herr,« antwortete Rudolf. »Ah, Ihr sprecht spanisch?« »Wie ich glaube genugsam, um den Befehlen Ew. Hoheit bei dieser Gelegenheit nachzukommen.«

Der Gefangene verhielt sich während dieser ganzen Zeit gleichgültig, als hätte er ganz und gar nicht verstanden, um was es sich handelt. Da sprach zu ihm der junge Mann im reinsten Castilianisch: »Der gnädigste Herr ließ dich fragen, welcher Nation du angehörst?« »Ich bin ein Deutscher,« erwiderte der Gefangene. »Zum Teufel, was sagt er denn? fragte der Prinz, »was ist das für ein neues Kauderwelsch?« »Gnädigster Herr,« entgegnete Rudolf, »er sagt, daß er ein Deutscher sei; allein ich zweifle, denn sein Akzent ist schlecht und seine Aussprache fehlerhaft.« »Ihr sprecht somit auch deutsch?« fragte der Prinz. »Ja, gnädigster Herr,« entgegnete Rudolf. »Hinlänglich um ihn in dieser Sprache zu verhören?«»Ja, gnädigster Herr.« »Verhöret ihn also.«

Rudolf fing das Verhör an, allein der Erfolg bewährte seine Voraussicht. Der Gefangene verstand das nicht oder tat, als verstände er nicht, was Rudolf zu ihm sprach, während Rudolf wieder seine halb flamändischen, halb elsässischen Antworten falsch verstand. Indes hatte Rudolf mitten unter all diesen Bemühungen des Gefangenen, ein Verhör zu vereiteln, den natürlichen Akzent dieses Mannes ausgemittelt und sprach zu ihm auf italienisch: »Du bist kein Spanier, bist kein Deutscher, sondern ein Italiener.« Der Gefangene grinste und biß sich in die Lippen. »Ah,« rief der Prinz von Conde, »das verstehe, ich vollkommen, und da er Italiener ist, will ich das Verhör fortsetzen. Vicomte, ich danke Euch und ernenne Euch hiermit zu meinem Dolmetsch.«

Allein der Gefangene war ebensowenig geneigt, italienisch zu antworten als in den anderen Sprachen; er wollte den Fragen immer nur ausweichen. Sonach wußte er auch von nichts, weder von der Zahl der Feinde, noch von dem Namen dessen, der sie anführte, noch von dem Zuge der Armee und ihrer Absicht. »Nun gut,« sprach der Prinz, der die Ursachen dieser verstellten Unwissenheit einsah; »dieser Mann ist bei Mord und Plünderung betreten worden; er hätte sich dadurch, daß er Antwort gab, das Leben erkaufen können, da er aber nicht sprechen will, so führt ihn fort und schießt ihn tot.«

Der Gefangene wurde blaß, die zwei Soldaten, welche ihn hierher geführt hatten, faßten ihn jeder bei einem Arme und zogen ihn gegen die Türe hin, indes sich der Prinz zu dem Marschall von Grammont wandte, und den erteilten Befehl vergessen zu haben schien. Als der Gefangene bei der Türschwelle ankam, blieb er stehen: die Soldaten, welche nur ihren Befehl kannten, wollten ihn von hinnen zerren. »Einen Augenblick!« rief der Gefangene auf französisch: »gnädigster Herr! ich bin bereit zu sprechen.«

»Ah!« sprach der Prinz lachend, »wußte ich doch, daß wir an dieses Ziel kommen würden. Ich habe ein wundersames Geheimnis, um die Zungen zu lösen.«

»Allein unter der Bedingung,« sagte der Gefangene, »daß mir Ew. Hoheit das Leben zusichert.«

»Auf Edelmannswort,« sprach der Prinz. »Nun so verhören Sie mich, gnädigster Herr.«

»Wo hat das Heer über die Lys gesetzt?«

»Zwischen Saint-Venaut und Aire.«

»Wer befehligt es?«

»Der Graf von Fuenfaldagna, der General Beck und der Erzherzog in Person.«

»Wie stark ist es?«

»Es zählt achtzehntausend Mann und sechsunddreißig Kanonen.«

»Und marschiert -?«

»Gegen Lens.«

»Seht Ihr nun, meine Herren!« sprach der Prinz und wandte sich mit triumphierender Miene zu dem Marschall von Grammont und den andern Offizieren. »Ja, gnädigster Herr,« entgegnete der Marschall, »Sie haben alles das erraten, was zu erraten dem menschlichen Geiste möglich ist.«

»Ruft mir Plessis-Bellieve, Villequier und d'Erlac,« sprach der Prinz, »ruft alle Truppen zurück, die jenseits der Lys stehen; sie sollen sich bereit halten, heute nacht aufzubrechen: morgen wollen wir höchstwahrscheinlich den Feind angreifen.« Dann wandte er sich zu dem Gefangenen und fuhr fort: »Führet diesen Menschen hinweg, und habt auf ihn ein sorgsames Auge. Sein Leben hängt ab von den Auskünften, die er uns erteilt hat; sind sie wahr, so soll er frei sein, sind sie falsch, so werde er erschossen.« Man brachte den Gefangenen hinweg. »Graf von Guiche,« fuhr der Prinz fort, »Ihr bleibt bei Eurem Vater, da Ihr ihn seit langer Zeit nicht gesehen habt.« - Dann wandte er sich zu Rudolf und sagte: »Mein Herr, wenn Ihr nicht allzu sehr ermüdet seid, so begleitet mich.«