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»Das ist häßlich!« rief von Winter aus, »die Tochter Heinrichs IV., die Gemahlin des Königs Karl! Warum, Madame, haben Sie sich nicht an den ersten besten von uns gewendet?« »Das ist die Gastlichkeit, welche der Minister einer Königin beweist, und die von ihm ein König ansprechen will.« »Mut gefaßt, Madame!« sprach von Winter, »Mut! verzweifeln Sie nicht. Die Interessen der Krone Frankreichs, welche in diesem Augenblicke so sehr erschüttert ist, bestehen darin, den Aufruhr der nächsten Nachbarn zu unterdrücken. Mazarin ist Staatsmann, und wird diese Notwendigkeit einsehen.« »Seid Ihr aber versichert,« entgegnete die Königin mit einer Miene des Zweifels, »daß man Euch nicht zuvorgekommen ist?« »Wer sollte mir denn zuvorgekommen sein?« fragte von Winter. »Nun, Joyce, Priedge und Cromwell.« »Ein Schneider, ein Fuhrmann, ein Bierbrauer! Ach, Madame, ich hoffe, der Kardinal würde sich nicht mit solchen Leuten in Verbindung einlassen.« »Hm, warum das nicht?« fragte die Königin. »Allein für die Ehre des Königs und der Königin...« »Gut, so laßt uns hoffen, er werde etwas für diese Ehre tun,« antwortete die Königin. »Ein Freund besitzt eine solche Beredsamkeit, Mylord, daß Ihr mich beschwichtiget; so reicht mir denn die Hand und lasset uns zum Minister gehen.« »Madame,« sprach von Winter, »diese Ehre beschämt mich. »Doch wie,« sagte Madame Henriette stehenbleibend, »wenn er sich am Ende weigerte, und wenn der König die Schlacht verlieren würde?« »So müßte sich Ihre Majestät nach Holland flüchten, wo sich, wie ich sagen hörte, Se. Hoheit der Prinz von Wallis befindet.« »Und könnte ich dann auf viele Diener rechnen, wie Ihr seid?« »Leider nicht,« entgegnete von Winter, »allein, ich habe den Fall vorausgesehen und kam, um in Frankreich Verbündete zu suchen.« »Verbündete?« fragte die Königin, den Kopf schüttelnd, und stieg in ihren Wagen.

Der Brief Cromwells

In dem Momente, als die Königin Henriette die Karmeliterinnen verließ, um sich nach dem Palais-Royal zu begeben, stieg am Tor dieser königlichen Residenz ein Reiter vom Pferd und bedeutete die Wachen, er habe dem Kardinal Mazarin etwas von Wichtigkeit mitzuteilen. »Haben Sie einen Audienzbrief?« fragte der Türhüter, der dem Bewerber entgegenschritt. »Ich habe wohl einen, jedoch nicht von dem Kardinal von Mazarin.« »So treten Sie ein und fragen Sie nach Herrn Bernouin,« sagte der Türhüter.

War es zufällig oder hielt sich Bernouin auf seinem gewöhnlichen Posten und hörte alles, da er hinter der Türe stand. »Mein Herr,« sagte er, »ich bin es, den Sie suchen. Von wem ist der Brief, den Sie Sr. Eminenz überbringen?« »Von dem General Oliver Cromwell,« entgegnete der Ankömmling, »wollen Sie doch Sr. Eminenz diesen Namen nennen und mir dann Antwort bringen, ob sie mich empfangen will oder nicht.« Er nahm dabei die finstere und stolze Haltung an, welche den Puritanern eigen ist.

Nachdem Bernouin auf die ganze Persönlichkeit des jungen Mannes einen prüfenden Blick geworfen hatte, ging in das Kabinett des Kardinals und überbrachte ihm die Worte des Boten. »Ein Mann, der einen Brief von Oliver Cromwell bringt?« fragte Mazarin; und was ist er für ein Mensch?«

»Ein wahrhafter Engländer, gnädigster Herr, rötlich-blonde Haare, mehr rötlich als blond, graublaue Augen, mehr grau als blau, übrigens hochmütig und starr.«

»Er soll seinen Brief abgeben.«

Als nun Bernouin aus dem Kabinett wieder in das Vorgemach kam, sagte er: »Der gnädige Herr verlangt den Brief.«

»Monseigneur wird den Brief nicht ohne den Überbringer sehen,« erwiderte der junge Mann; »um Euch aber zu überzeugen, daß ich wirklich ein Schreiben bringe, so seht, da ist es.« Bernouin betrachtete das Siegel, und als er sah, daß der Brief wirklich von dem General Oliver Cromwell komme, kehrte er zu Mazarin zurück. »Füget noch bei,« sprach der junge Mann, »ich sei kein gewöhnlicher Bote, sondern ein außerordentlicher Abgesandter.« Als Bernouin in das Kabinett zurückgekehrt und wenige Sekunden darauf wieder herausgekommen war, sagte er, die Türe offen haltend: »Treten Sie ein, mein Herr!«

Der junge Mann trat an die Schwelle des Kabinetts, indem er den Brief in der einen, den Hut in der andern Hand hielt. Mazarin stand auf und sagte: »Mein Herr, Ihr habt für mich ein Beglaubigungsschreiben?«

»Monseigneur, hier ist es,« sprach der junge Mann. Mazarin nahm, erbrach und las es:

»Herr Mordaunt, einer meiner Sekretäre, wird Sr. Eminenz, dem Kardinal Mazarin in Paris dieses Einführungsschreiben überreichen; überdies überbringt er noch ein zweites, vertrauliches Schreiben für Se. Eminenz. Oliver Cromwell.

Sehr wohl, Herr Mordaunt,« sprach Mazarin, »gebt mir diesen zweiten Brief und nehmt Platz.« Der junge Mann zog ein zweites Schreiben aus der Tasche, überreichte es dem Kardinal und setzte sich. Indes überließ sich der Kardinal ganz seinen Betrachtungen und drehte den Brief, ohne ihn zu erbrechen, in seiner Hand herum; um aber den Boten irrezuleiten, fing er seiner Gewohnheit gemäß an, ihn auszufragen und war aus seinen Erfahrungen überzeugt, daß es wenigen Menschen gelang, ihm etwas zu verhehlen, wenn er zugleich fragte und forschte. »Ihr seid noch sehr jung, Herr Mordaunt,« sprach er, »für das mühevolle Geschäft eines Botschafters, bei dem oft die ältesten Diplomaten scheitern.«

»Monseigneur, ich bin dreiundzwanzig Jahre alt, doch irrt Ew. Eminenz, indem sie mich jung nennt. Ich bin älter als Sie, obschon ich Ihre Weisheit nicht habe « »Wieso, mein Herr?« versetzte Mazarin; »ich verstehe Euch nicht.« »Ich sage, gnädigster Herr, daß die Jahre des Leidens doppelt zählen, und daß ich zwanzig Jahre lang gelitten habe.« »Ach ja, nun verstehe ich,« sprach Mazarin, »Mangel an Vermögen. Nicht wahr, Ihr seid arm?« Dann fügte er in Gedanken hinzu: »Diese englischen Revolutionsleute sind durchwegs Schufte und Gesindel.«»Monseigneur, eines Tages sollte mir ein Vermögen von sechs Millionen zufallen, doch hat man es mir entzogen.« »Ihr seid also kein Mann aus dem Volke?« fragte Mazarin erstaunt. »Besäße ich meinen Rang, so wäre ich Lord; führte ich meinen Namen, so würden Sie einen der berühmtesten Englands hören.« »Wie nennt Ihr Euch also?« fragte Mazarin. »Ich nenne mich Mordaunt,« erwiderte der junge Mann mit einer Verneigung. Mazarin sah, der Abgesandte Cromwells wünsche sein Inkognito zu bewahren. »Ihr habt doch noch Verwandte?« »Ja, Monseigneur, ich habe noch einen.« »So unterstützt er Euch?« »Ich ging dreimal zu ihm und flehte ihn um seinen Beistand an, und dreimal ließ er mich durch seine Bedienten fortjagen.« »Ach mein Gott, lieber Herr Mordaunt,« rief Mazarin, in der Hoffnung, den jungen Mann durch erkünsteltes Mitleid in irgendeine Schlinge gehen zu lassen, »mein Gott, wie interessiert mich doch Eure Erzählung. Kennt Ihr also Eure Abkunft nicht?« »Ich weiß sie erst seit kurzer Zeit.« »Und bis zu dem Augenblicke, wo Ihr sie kennen gelernt ...?« »Habe ich mich wie ein verlassenes Kind betrachtet.« »So habt Ihr Eure Mutter nie gesehen?« »Allerdings, Monseigneur; sie kam, als ich noch Kind war, dreimal zu meiner Amme; an das letztemal, da sie kam, erinnere ich mich so lebhaft; als ob es heute gewesen wäre.« »Ihr habt ein gutes Gedächtnis,« bemerkte Mazarin. »Ach ja, Monseigneur,« entgegnete der junge Mann mit so seltsamer Betonung, daß dem Kardinal ein Schauder durch die Adern rollte. »Was ist aus Euch geworden?« »Als ich auf den Heerstraßen weinte und bettelte, nahm mich ein Priester von Kingston an, unterrichtete mich in der Religion und teilte mir all sein Wissen mit; auch half er mir in den Nachforschungen, die ich über meine Familie anstellte.« »Und diese Nachforschungen?« »Waren vergeblich; der Zufall hat alles getan.« »Habt Ihr ermittelt, was aus Eurer Mutter geworden ist?« »Ich habe erfahren, daß sie von diesem Verwandten unter Mitwirkung von vier Freunden ermordet worden sei; allein ich wußte bereits, daß mir König Karl I. den Adel und alle meine Güter weggenommen habe.« »Ah, nun begreife ich, warum Ihr Herrn Cromwell dienet. Ihr hasset den König.« «Ja, Monseigneur, ich hasse ihn,« entgegnete der junge Mann. Mazarin stutzte bei dem teuflischen Ausdruck, womit der junge Mann diese Worte aussprach; wie sich sonst die Gesichter mit Blut färben, so färbte sich das seinige mit Galle und wurde totenfahl. «Eure Geschichte, Herr Mordaunt, ist furchtbar und rührt mich ungemein; allein zum Glücke für Euch dienet Ihr einem mächtigen Herrn. Er muß Euch in Euren Nachforschungen behilflich sein, da Männern von unserer Stellung so viele Auskünfte zufließen.« »Monseigneur, einem guten Spürhunde braucht man bloß das eine Ende einer Fährte zu zeigen, so kommt er sicher an das andere.« »Wollt Ihr aber, daß ich mit diesem Verwandten rede, von dem Ihr mir gesagt habt?« fragte Mazarin, da ihm daran gelegen war, sich bei Cromwell einen Freund zu machen. »Ich danke, gnädigster Herr, ich will selbst mit ihm reden.« »Doch, sagtet Ihr nicht, daß er Euch mißhandelt habe?« »Er wird mich das nächste Mal, wenn er mich wieder sieht, besser behandeln.« »Ihr habt sonach ein Mittel, ihn zu rühren?« »Ich habe ein Mittel, mich fürchten zu lassen.«