»Ja, ja!« antwortete Mazarin, »gewiß, das alles läßt sich in Ordnung bringen; ihr seid ein Mann, der in gewisse Sachen eindringt, und ist er einmal eingedrungen, sie auf geschickte Weise ins Werk setzt.«
»Dieser Ansicht war auch der Herr Kardinal von Richelieu und meine Bewunderung für den großen Mann vermehrt sich noch dadurch, daß Sie so gütig sind, mir zu sagen, es sei auch die Ihrige.«
Rochefort kniff seine Lippen zusammen, um nicht zu lächeln.
»Ich komme nun zum Zwecke, ich brauche gute Freunde, treue Diener; wenn ich sage, ich brauche sie, so soll das heißen, daß die Königin ihrer bedarf. Es versteht sich von selbst, daß ich alles nur im Auftrage der Königin tue; denn ich handle nicht wie der Herr Kardinal von Richelieu, der alles nur nach eigener Laune tat. Deshalb werde ich auch nie ein so großer Mann sein wie er; dagegen bin ich aber ein guter Mann, Herr von Rochefort, und ich hoffe, Ihnen das beweisen zu können.« Rochefort kannte diese glatte Stimme, in die sich ein Zischen mengte. »Ich bin ganz geneigt, dem gnädigen Herrn zu glauben,« sprach er, »wiewohl ich meinesteils wenig Beweise von dieser Güte gehabt habe, von welcher Ew. Eminenz spricht. Vergessen Sie nicht, gnädiger Herr,« fuhr Rochefort fort, als er die Regung bemerkte, die der Minister zu unterdrücken bemüht war, »vergessen Sie nicht, daß ich fünf Jahre lang in der Bastille schmachtete, und daß nichts so sehr den Ansichten eine schiefe Richtung gibt, als wenn man die Dinge durch das Gitter eines Kerkers anblickt.«
»O, Herr von Rochefort, ich habe Euch bereits versichert, daß ich an Eurer Gefangenschaft durchaus keinen Anteil hatte. Die Königin - Zorn der Weiber und Fürstinnen, je nun das geht vorüber, wie es kam, und dann denkt man nicht mehr daran ...«
»Ich begreife recht Wohl, gnädiger Herr, daß sie nicht mehr daran denkt, da sie diese fünf Jahre im Palais-Royal unter Festlichkeiten und Schmeichlern zubrachte; aber ich, der ich sie in der Bastille zubringen mußte ...«
»Ach, mein Gott, lieber Rochefort, glaubt Ihr denn, es wohne sich so lustig im Palais-Royal? O nein, geht mir damit; ich versichere Euch, daß wir darin große Widerwärtigkeiten erlebten. Jedoch sprechen wir nichts mehr von all' dem. Ich spiele ein offenes Spiel wie immer. Saget an, Herr von Rochefort, seid Ihr einer der unsrigen?« -
»Sie werden einsehen, gnädigster Herr, daß ich nichts so sehr wünsche, jedoch mir ist alles fremd geworden. In der Bastille redet man nur mit Soldaten und Gefängniswächtern, von Politik, und Sie können sich nicht vorstellen, gnädiger Herr, wie wenig diese Leute von dem wissen, was vorgeht. Ich teile hierin immer die Ansicht des Herrn Bassompiere ... Er ist stets noch einer der siebzehn Vornehmen.«
»Er ist tot, mein Herr, und es ist ein großer Verlust,« erwiderte der Kardinal. »Er war ein getreuer Diener der Königin, und treue Männer sind selten.«
»Bei Gott, das glaube ich,« versetzte Rochefort. »Wenn Sie welche haben, so werden sie in die Bastille geschickt.«
»Doch was beweist denn die Treue?« fragte Mazarin. »Die Tat,« erwiderte Rochefort. »Ach, ja! die Tat!« wiederholte der Minister nachdenkend. »Wo finden sich aber tatkräftige Männer?«
»Ich kannte Leute, welche durch ihre Gewandtheit den Scharfblick Richelieus hundertmal täuschten, und durch ihre Tapferkeit seine Garden und seine Kundschafter schlugen.«
»Allein diese Leute, von welchen Ihr da sprechet,« versetzte Mazarin, der im Herzen darüber lächelte, daß Rochefort dahin kam, wohin er ihn bringen wollte, - »diese Leute waren dem Kardinal nicht ergeben, da sie wider ihn stritten.«
»Nein, sie würden besser belohnt worden sein, doch hatten sie das Unglück, daß sie dieser Königin, für welche Sie eben Diener suchen, ergeben waren.«
»Woher könnt Ihr aber das wissen?«
»Ich weiß das, weil jene Leute damals meine Feinde waren, weil sie gegen mich stritten, weil ich ihnen so viel Böses zufügte, als ich nur konnte, weil sie es mir wieder aus allen Kräften vergalten, weil mir einer von ihnen, mit dem ich es persönlich am meisten zu tun hatte, vor etwa sieben Jahren einen Degenstich beigebracht hat - und das war der dritte von derselben Hand - der Abschluß einer alten Rechnung.«
»Ach,« sprach Mazarin mit seltener Gutmütigkeit, »wären mir doch solche Männer bekannt! ...«
»Nun, gnädigster Herr! Einen davon haben Sie seit sechs Jahren vor Ihrer Tür, und hielten ihn sechs Jahre lang zu nichts tauglich.«
»Wen?«
»Herrn d'Artagnan!«
»Dieser Gascogner?« rief Mazarin mit einer ganz gut gespielten Befremdung. »Dieser Gascogner hat eine Königin gerettet, und Herrn von Richelieu einsehen lassen, daß er in Hinsicht auf Schlauheit, Gewandtheit und Politik nur ein Schüler sei.«
»Wirklich?«
»Wie ich die Ehre habe, Ew. Eminenz zu versichern.«
»Erzählt mir doch ein bißchen, lieber Herr Rochefort.«
»Das ist sehr schwierig, gnädigster Herr,« entgegnete der Edelmann lächelnd. »So soll er es mir selbst erzählen ....«
»Daran zweifle ich, gnädigster Herr!«
»Warum?«
»Weil das Geheimnis nicht ihm angehört, weil dieses Geheimnis das einer Königin ist, wie ich schon gesagt habe.«
»Und er allein hat ein solches Unternehmen ausgeführt?«
»Nein, gnädiger Herr! er hatte drei Freunde, drei Tapfere, die ihm behilflich waren, drei Tapfere, wie Sie eben solche suchen.«
»Und diese vier Männer, sagt Ihr, standen im Bunde?«
»So als hätten sie nur einen Mann ausgemacht, und ein Herz in der Brust getragen.«
»Wahrhaft, lieber Herr von Rochefort! Ihr stachelt meine Neugierde auf unbeschreibliche Weise. Könntet Ihr mir denn diese Geschichte nicht mitteilen?«
»Nein, doch kann ich Ihnen ein Märchen erzählen, ein wahrhaftes Feenmärchen, das kann ich versichern, gnädigster Herr!«
»O, erzählt es mir, Herr von Rochefort, ich liebe die Märchen ungemein.«
»Sie wünschen das, gnädigster Herr?« sagte Rochefort, indem er aus diesem schlauen, listigen Antlitz irgendeine Absicht zu lesen bemüht war.
»Ja!«
»Nun wohl, so vernehmen Sie. Es war einmal eine Königin - aber eine gar mächtige, die Königin eines der größten Länder der Welt, gegen die ein großer Minister sehr zürnte, weil er ihr vorher allzu gut gewesen war. Forschen Sie nicht, gnädiger Herr! Sie könnten nicht erraten, wer es war. Alles das hat sich lange vor der Zeit zugetragen, als Sie in das Land kamen, wo diese Königin regierte. Da kam ein so tapferer, reicher, wohlgebildeter Botschafter an den Hof. daß sich alle Frauen rasend in ihn verliebten, und daß sogar die Königin, zweifelsohne zum Andenken an die geschickte Art und Weise, womit er die Staatsangelegenheiten besorgte, so unbedacht war, und ihm einen gewissen, so auffallenden Schmuck schenkte, daß er nicht ersetzt werden konnte. Da nun dieser Schmuck vom Könige herrührte, so forderte der Minister diesen auf, er solle von der Fürstin verlangen, daß sie diesen Schmuck bei dem nächsten Balle unter ihre Toilette aufnehme. Ich brauche Ihnen nicht zu sagen, gnädigster Herr, daß es dem Minister aus zuverlässiger Quelle bekannt war, daß diesen Schmuck der Botschafter, der sehr weit her, von der anderen Seite des Meeres war, mit sich genommen habe. Die große Königin war verloren, verloren wie die Letzte ihrer Untertanen, und schien von ihrer ganzen Höhe herabzustürzen.« »Wirklich?« rief Mazarin. »Nun, gnädigster Herr! vier Männer faßten den Entschluß, sie zu retten. Diese vier Männer waren keine Prinzen oder Herzoge, sie waren nicht mächtig und nicht einmal reich, sondern vier Soldaten, die ein edles Herz, kräftige Arme und gewandte Klingen besaßen. Sie machten sich auf. Der Minister wußte von ihrer Abreise und stellte auf ihrem Wege Leute auf, um sie an der Erreichung ihres Zieles zu verhindern. Drei wurden durch die vielen Angreifer kampfunfähig gemacht; jedoch einer gelangte nach dem Hafen tötete oder verwundete die, welche sich ihm widersetzten, steuerte über das Meer und brachte der großen Königin den Schmuck zurück, die ihn dann am festgesetzten Tage an ihre Schultern heftete, was den Minister fast zum Sturze brachte. Nun, gnädiger Herr, was sagen Sie zu diesem Zuge?«