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»Nun, Ludwig,« sprach Anna, »warum umarmst du mich nicht?«

»Weil ich glaube, daß du mir gram bist, und mich fortjagst.«

»Ich jage dich nicht fort; da du aber erst geblattert hast und noch leidend bist, so bin ich bekümmert, das Wachen möchte dir beschwerlich sein.«

»Du hattest nicht dieselbe Kümmernis, als ich mich heute nach dem Palast begeben mußte, um die schlimmen Edikte zu erlassen, über welche das Volk so laut gemurrt hat.«

»Sire,« sprach Laporte, um ihn auf andere Gedanken zu bringen, »wolle Ew. Majestät befehlen, wem ich den Leuchter geben soll?«

»Wem immer du willst, Laporte,« erwiderte der Knabe, »nur nicht Herrn Mancini,« fügte er mit lauter Stimme hinzu.

Herr Mancini war ein Neffe des Kardinals, welchen Mazarin als Edelknaben beim König untergebracht hatte, und auf den Ludwig XIV. zum Teil den Haß übertrug, welchen er gegen den Minister hegte. Der König entfernte sich, ohne daß er seine Mutter umarmt und den Kardinal begrüßt hatte.

»Ganz wohl,« sprach Mazarin, »ich freue mich, daß Seine Majestät in einem Abscheu von aller Verstellung erzogen wird.«

»Weshalb?« fragte die Königin mit einer fast schüchternen Miene. »Nun, ich denke, das Abtreten des Königs bedarf keiner Erklärung. Überdies bemüht sich Seine Majestät nicht, zu verhehlen, welch eine geringe Zuneigung sie zu mir hegt, was mich aber nicht abhält, seinem Dienste ebenso ergeben zu sein wie dem Ihrer Majestät.«

«Kardinal, ich bitte Euch für ihn um Vergebung,« sprach die Königin, »er ist ein Kind, das noch nicht die Verbindlichkeiten kennt, die es gegen Euch hat.« Der Kardinal lächelte. »Doch,« fuhr die Königin fort, »zweifelsohne kämet Ihr einer Wichtigkeit wegen. Nun, was ist es?«

Mazarin setzte sich, oder warf sich vielmehr in einen breiten Stuhl und sprach mit melancholischer Miene: »Was es ist? - nun, daß wir höchstwahrscheinlich bald genötigt sein werden, uns zu trennen, es wäre denn, daß Sie mir aus Aufopferung nach Italien folgen könnten.«

»Und warum das?« fragte die Königin. »Weil, wie die Oper >Thisbe< sagt, versetzte Mazarin. »Le monde entier conspire adiviser nos feux.«

«Ihr scherzet, mein Herr,« entgegnete die Königin, welche wieder etwas von ihrer vorigen Würde anzunehmen bemüht war.

»Ach nein, Madame,« sprach Mazarin, »ich scherze nicht im geringsten; ich möchte viel lieber weinen, und bitte es zu glauben, da aller Grund vorhanden ist, und wohl darauf zu achten, was ich sagte: >Le monde entier conspire a diviser, nos feux.< Damit will ich sagen, Madame, daß Ihr mich aufgebt.«

»Kardinal!«

»O mein Gott, sah ich nicht neulich, wie freundlich Ihr dem Herzog von Orleans zugelächelt, oder vielmehr über das gelächelt habt, was er Euch sagte?«

»Und was sagte, er mir?«

»Madame, er sagte Euch: »Mazarin ist der Stein des Anstoßes, schickt ihn fort, und alles geht dann gut.«

»Nun, was soll ich tun?«

»O, Madame, ich denke, daß Ihr die Königin seid.«

»Ein schönes Königtum!«

»Ihr seid aber doch mächtig genug, um diejenigen, welche Euch mißfallen, zu entfernen.«

»Die mir mißfallen?«

»Allerdings. Wer hat Frau von Chevreuse weggeschickt, die man unter der vorigen Regierung zwölf Jahre lang verfolgt hat?« »Eine Intrigantin, welche gegen mich alle Ränke fortsetzen wollte, die sie gegen Herrn von Richelieu gesponnen hat.«

»Wer hat Frau von Hautefort weggeschickt, diese so vollkommene Freundin, welche die Gunst des Königs verschmähte, um die meinige zu bewahren?«

»Nun?«

»Wer ließ Herrn von Beaufort gefangen nehmen?«

»Diesen unruhigen Brausekopf, der von nichts geringerem sprach, als mich umzubringen?«

»So seht Ihr, Kardinal,« versetzte die Königin, »Eure Feinde sind auch die meinigen.«

»Das ist nicht genug, Madame, denn Eure Freunde sollten auch die meinigen sein.«

»Meine Freunde - Herr?« - die Königin schüttelte den Kopf und seufzte: »Ich habe leider keine mehr.«

«Wie, Ihr habt keine Freunde mehr im Glück, da Ihr sie doch im Unglück gehabt habt?«

»Eben weil ich diese Freunde im Glück vergessen habe. mein Herr.«

»Nun, sagt an.« sprach Mazarin, »Wäre es nicht an der Zeit, das Unrecht wieder gut zu machen? suchet unter Euren Freuden, unter Euren früheren Freunden.«

»Mein Herr, was wollt Ihr damit sagen?«

»Nichts weiter, als was ich sagte: suchet.«

»Ich sehe niemand, auf den ich Einfluß hätte; den Herzog von Orleans leiten seine Günstlinge wie immer. Gestern war es Choisy, heute ist es La Riviere, morgen wird es ein anderer sein. Den Prinzen lenkt Frau von Longueville, die wieder von dem Prinzen von Marrillac geleitet wird. Herr von Conti wird wieder durch den Coadjutor geleitet und dieser läßt sich wieder von Frau von Guemenee leiten.« »Ich sage Euch deshalb nicht, Madame, daß Ihr Euch unter Euren gegenwärtigen Freunden umsehen möget, sondern unter Euren Freunden aus der früheren Zeit.«

»Unter meinen Freunden aus der früheren Zeit?« wiederholte die Königin.

»Ja, unter Euren Freunden aus der früheren Zeit, unter denen, welche Euch den Herzog von Richelieu zu bekämpfen und selbst zu überwinden geholfen haben.

Ja,« fuhr der Kardinal fort, »Ihr habt bei gewissen Veranlassungen mit diesem, seinen und kräftigen Verstande, der Ew. Majestät eigen ist, und unter Mitwirkung Eurer Freunde die Angriffe dieses Gegners abzuwehren gewußt.«

»Ich,« entgegnete die Königin, »ich habe gelitten, weiter nichts.«

»Ja,« versetzte Mazarin, »so wie Frauen leiden, da sie sich rächen. Nun, kommen wir zur Sache - kennen Sie Herrn von Rochefort?«

»Rochefort war keiner meiner Freunde,« sprach die Königin, »im Gegenteil einer meiner erbittertsten Feinde, einer der Getreuesten des Herrn Kardinals. Ich glaubte, Ihr wüßtet das.«

»Ich weiß es so gut,« antwortete Mazarin, »daß wir ihn in die Bastille versetzten.«

»Hat er sie verlassen?« fragte die Königin.

»Nein! Seid unbekümmert, er sitzt noch immer dort; ich spreche auch nur von ihm, um auf einen andern überzugehen. Kennt Ihr Herrn d'Artagnan?« fuhr Mazarin fort und faßte die Königin fest ins Auge. Diese ward im Innersten erschüttert und murmelte: »Hat der Gascogner geplaudert?« Dann fügte sie laut hinzu: »Ja, d'Artagnan? Hört! dieser Name ist mir ganz wohl bekannt. D'Artagnan, ein Musketier, der eine meiner Kammerfrauen geliebt hat, ein liebes, armes Wesen, das meinetwegen vergiftet worden ist.«

»Ist das alles?« fragte Mazarin.

Die Königin sah den Kardinal betroffen an und sagte: »Doch, mein Herr, mich dünkt, Ihr lasset mich da ein Verhör bestehen.«

»Worin Ihr doch nur immer nach Belieben antwortet,« entgegnete Mazarin mit seinem ewigen Lächeln und seiner weichen Stimme.

»Sagt mir deutlich, was Ihr verlangt, und ich will Euch eben so darauf antworten,« sprach die Königin mit einem gewissen Unwillen.

»Nun gut, Madame,« versetzte Mazarin mit einer Verneigung; »ich wünsche, daß Ihr mir erlaubt, Eure Freunde zu benützen, gleich wie ich Euch an dem bißchen Verstand und Talent, die der Himmel mir verlieh, teilnehmen ließ. Die Umstände sind schwierig, wonach man auf kräftige Weise handeln muß.«

»Nun,« sagte die Königin, »ich dachte, wir wären ihrer mit Herrn von Beaufort entledigt.«

»Ja, Ihr saht wohl den Strom, der alles umzustürzen drohte, doch habt Ihr das stille Wasser nicht beachtet. Indes gibt es in Frankreich ein Sprichwort über das stille Wasser.«

»Endet,« sprach die Königin.

»Nun, wir haben Herrn von Beaufort verhaften lassen, das ist wahr; doch war er der mindest Gefährliche von allen; es ist noch der Prinz da.«

»Der Sieger von Rocroy? Denkt Ihr daran?«

»Ja, Madame, sehr oft; allein Patientia - wie die Lateiner sagen; denn nach Herrn von Conde ist der Herzog von Orleans da.«