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»Was sagt Ihr? Der erste Prinz von Geblüt - des Königs Oheim?«

»Nein, nicht der erste Prinz von Geblüt - nicht des Königs Oheim, sondern der feige Meuterer, der von seinem launenhaften und phantastischen Charakter angespornt, von schmählicher Langweile gequält, von einem leidigen Ehrgeiz verzehrt, eifersüchtig auf alles, was ihn an Rechtlichkeit und Mut übertraf, entrüstet, daß er wegen seiner Nichtigkeit nichts war, sich unter der früheren Regierung zum Echo aller schlimmen Gerüchte. zur Seele aller Ränke gemacht hat; der all diesen wackern Leuten, die so einfältig waren, dem Worte eines Mannes von hohem Geblüte zu trauen, einen Wink gegeben hat, voranzugehen und der sich von ihnen trennte, als sie das Schafott besteigen mußten! Nein, noch einmal sei es gesagt, nicht der erste Prinz von

Geblüt, nicht des Königs Oheim, sondern der Mörder Chalais', Montmorencys und Cinq-Mars', der es heute versucht, dasselbe Spiel zu spielen, und der auch die Partie zu gewinnen hofft, weil er den Gegner gewechselt, und statt eines drohenden, einen lächelnden Mann vor sich hat. Allein er täuscht sich und mir ist nicht darum zu tun, diesen Stoff der Zwietracht in der Nähe der Königin zu lassen, womit der selige Herr Kardinal die Galle des Königs zwanzig Jahre lang aufgeregt hat.«

Anna errötete und verbarg ihren Kopf in die beiden Hände.

»Ich will Ew. Majestät ganz und gar nicht demütigen,« fuhr Mazarin fort, indem er einen ruhigen, aber zugleich auch einen wirklich festen Ton annahm, »ich will, daß man die Königin und daß man auch ihren Minister achtet, da ich in den Augen aller nichts als das bin. Ew. Majestät weiß es, daß ich nicht ein aus Italien gekommener Mime bin, wie viele sagen; und so wie Ew. Majestät muß es jedermann wissen.«

»Nun, was soll ich da tun?« fragte Anna, gebeugt unter dieser gebieterischen Stimme.

»Ihr müßt in Eurem Gedächtnisse nach den Namen dieser treuen und ergebenen Männer forschen, welche Herrn von Richelieu zum Trotz daß Meer übersetzt haben, wobei sie die Spuren ihres Blutes auf dem ganzen Wege zurückließen, um Ew. Majestät einen, dem Herrn von Buckingham geschenkten Schmuck zu holen.«

Anna erhob sich majestätisch und entrüstet, als hätte sie eine Feder in die Höhe geschnellt, blickte den Kardinal mit jener Hoheit und jener Würde an, durch die sie in den Tagen ihrer Jugend so mächtig war, und sagte: »Herr, Ihr beleidigt mich!«

»Nun,« fuhr Mazarin fort, indem er den Gedanken völlig aussprach, den die Bewegung der Königin abgebrochen hatte, »nun, ich will, daß Ihr jetzt für Euren Gemahl dasselbe tut, was Ihr einst für Euren Günstling getan habt.«

»Abermals diese Verleumdung!« rief die Königin aus, »Ich glaube, sie sei längst erloschen und unterdrückt, denn Ihr hattet mich bis jetzt damit verschont, nun aber tut auch Ihr davon Erwähnung. Doch, desto besser! denn wir werden es diesmal zur Sprache bringen, und dann wird alles ein Ende haben - versteht Ihr mich?«

»Aber, Madame,« versetzte Mazarin betroffen über diese wiederkehrende Kraft, »ich begehre nicht, daß Ihr mir alles gesteht.«

»Doch will ich, ja, ich will Euch alles sagen,« sprach die Königin. »So hört mich denn. Ich will Euch sagen, mein Herr: es gab damals wirklich vier ergebene Herzen, vier biedere Männer, vier getreue Degen, die mir mehr als das Leben, die mir die Ehre gerettet haben.«

»Ha, Ihr bekennt es!« rief Mazarin. »Ist denn nur die Ehre der Schuldigen bloßgestellt, mein Herr; kann man niemand sonst, zumal eine Frau, dem Scheine nach an der Ehre gefährden? Ja, der Schein war gegen mich - und dennoch schwöre ich Euch, daß ich schuldlos war. Ich schwöre Euch ...« Die Königin suchte nach einem Gegenstande, bei dem sie schwören könnte, nahm sodann aus einem in der Tapete verborgenen Wandschrank ein kleines, mit Silber eingelegtes Kistchen von Rosenholz, stellte es auf den Altar und fuhr fort: »Ich schwöre es bei diesen geheiligten Überresten, ich war Herrn von Buckingham geneigt, doch war Herr von Buckingham nicht mein Geliebter!«

»Und was sind das für Überreste, Madame, bei denen Ihr diesen Schwur ablegt?« fragte Mazarin lächelnd, »Ich sage es im voraus, daß ich ungläubig bin.«

Die Königin löste einen kleinen goldenen Schlüssel von ihrem Halse und übergab ihn dem Kardinal, indem sie sagte: »Da, mein Herr, schließet auf und sehet selber.«

Mazarin nahm betroffen den Schlüssel und öffnete das Kistchen, worin er bloß ein verrostetes Messer und zwei Briefe fand, von denen der eine mit Blut befleckt war.

»Was ist das?« fragte Mazarin.

»Was das ist, mein Herr?« versetzte Anna mit königlicher Miene, und streckte über das Kistchen einen Arm aus, der ungeachtet der Jahre noch vollkommen schön war. - »Ich will es Euch sagen. Das sind die zwei einzigen Briefe, die ich je an ihn geschrieben habe. Das ist das Messer, mit dem ihn Felton durchbohrt hat. Leset die Briefe, Herr, und Ihr werdet sehen, ob ich unwahr gewesen.«

Statt daß Mazarin nach der ihm erteilten Erlaubnis den Brief gelesen hätte, nahm er aus einem natürlichen Antrieb das Messer, welches der sterbende

Buckingham aus seiner Wunde gezogen und durch Laporte der Königin überschickt hatte. Die Klinge war bereits zerfressen, denn das Blut war zu Rost geworden; nach einer Weile des Anblickes, während dessen die Königin ebenso weiß geworden wie die Hülle des Altars, woran sie sich stützte, legte er es mit einem unwillkürlichen Schauder wieder in das Kistchen zurück und sagte:

»Madame, es ist gut, ich vertraue auf Euren Schwur.«

»Nein, nein, leset,« sprach die Königin mit gerunzelter Stirne, »leset, ich will, ich gebiete es, damit diesmal, wie ich beschlossen, alles beendigt werde, und wir nicht wieder auf diesen Gegenstand zurückkommen. Glaubt Ihr denn,« fügte sie mit einem verzerrten Lächeln hinzu, »daß ich künftig bei jeder Eurer Beschuldigungen bereit sein werde, dieses Kistchen zu öffnen?«

Beherrscht von dieser Energie, gehorchte Mazarin maschinenartig und las die zwei Briefe. Der eine war jener, womit die Königin die diamantenen Nestelstifte von Buckingham zurückverlangte, nämlich jener, welchen d'Artagnan überbracht hatte, und der zu rechter Zeit noch angekommen war; der andere war der, den Laporte dem Herzog eingehändigt, und worin ihm die Königin anzeigte, daß man ihn umbringen wolle, und der zu spät angelangt war.

»Madame, es ist gut,« sprach Mazarin, »darauf läßt sich nichts entgegnen ...«

»Dennoch,« versetzte die Königin, indem sie auf das Kistchen drückte und dasselbe wieder zuschloß, »dennoch läßt sich etwas darauf entgegnen, daß ich nämlich gegen diese Männer stets undankbar war, die mich gerettet, und alles, was sie vermochten, zu meiner Rettung getan haben; daß ich diesen wackern d'Artagnan, dessen Ihr eben gedacht, nichts gab, als die Hand zu küssen und diesen Demantring.«

Hier streckte die Königin ihre schöne Hand aus und zeigte dem Kardinal einen wunderbaren Stein, der an ihrem Finger schimmerte. Dann fuhr sie fort: »Wie es scheint, so hat er ihn in einem Augenblicke der Not veräußert; er hat es getan, um mich ein zweites Mal zu retten, denn es geschah, um an den Herzog einen Boten abzuschicken und ihm den Mordversuch zu melden.«

»Also wußte d'Artagnan?«

»Er wußte alles, doch wie er tätig war, das weiß ich nicht. Zuletzt aber verkaufte er den Stein an Herrn des Essarts, an dessen Finger ich ihn gesehen und zurückgekauft habe. Doch gehört dieser Diamant ihm, mein Herr! Stellt ihm also denselben zurück in meinem Namen, und da Ihr so glücklich seid, solch einen Mann neben Euch zu haben, so sucht, ihn auf ersprießliche Weise zu gebrauchen.«

»Madame, ich danke,« sprach Mazarin, »ich werde den Rat befolgen.«

«Und habt Ihr noch ein anderes Verlangen?« fragte die Königin, durch diese Gemütsbewegung erschöpft.

»Keine, Madame,« entgegnete der Kardinal mit seiner einschmeichelndsten Stimme, »als Euch inständigst zu bitten, mir meinen ungerechten Argwohn zu vergeben; allein ich liebe Euch so, daß man sich nicht verwundern darf, wenn ich selbst auf die Vergangenheit eifersüchtig bin.«