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»Vuoi, Signora Udda?« Ich nicke, was soll ich sonst hier in Schlaraffenhausen tun? So packt sie eine Handvoll Pasta, zwei Höllenwürstel, ein großes Stück Schafskäse und einen Plastikkanister mit Olivenöl, sicher auch aus eigener Produktion, und stemmt alles nach oben. Ich folge ihr.

Dort gibt es einen kleinen Nebenraum mit einem alten gusseisernen Herd, einem Backofen und einer Wasserstelle. Darüber entdecke ich, in Stein gehauen und halb in die Mauer versenkt, ein Ungetüm, halbrund wie ein Iglu mit Eisentür.

»Che cosa, Anna?« Was ist das?, frage ich. Sie legt den Finger an den Mund, blitzt mich mit kohlrabenschwarzen Augen an und öffnet die Eisentür. Ein Duft von kalter Holzkohle, vermischt mit Speck, versetzt meine kleine Nase augenblicklich in Trance. Hier also werden die salsicce geräuchert. So einfach alles und doch so ausgeklügelt. Das ist die kleine Fabrik von Anna und Claudio. Ihre Lebensgrundlage, ihre Selbständigkeit, ihr Reichtum. Dafür geht Claudio auf die Straße und kämpft. Augenblicklich hege ich volle Sympathie für diese beiden fleißigen Menschen.

Feuchtigkeit steigt von dem dunkelbraunen Lehmboden vor dem Häuschen auf, und die tiefstehende Sonne taucht alles in ein sattorangenes Licht. Während ich diesem Schauspiel zusehe, befällt mich eine Vorahnung, dass unser Aufenthalt hier nicht von kurzer Dauer sein wird. Bruno ist nirgends zu sehen, und nur ganz entfernt vernehme ich Stimmen. Natürlich bin auch ich beeindruckt von der Gastfreundschaft der beiden, aber von einem ausgiebigen Abendessen, das Anna dem Klappern der Töpfe nach zu schließen offensichtlich zubereitet, war bislang nicht die Rede.

So mache ich mich auf die Suche nach den beiden Männern. In spätestens einer Stunde wird es hier stockfinster sein und ziemlich kühl. In Anbetracht meiner Sandaletten und der sommerlichen Kleidung gefällt mir die Idee eines Abendessens gar nicht. Wo sollen wir uns denn niederlassen? Im Haus ist absolut kein Platz für vier. Na großartig, ich hole mir bestimmt einen Schnupfen zur Hochzeit.

Zwischen Olivenbäumen sitzen die zwei an einem alten Tisch. Zugegeben, die Aussicht ist großartig. Felder ziehen sich rundum an den Hügeln hinauf, in der Ferne erkennt man ein paar Häuser und einen Kirchturm.

Ich stupse Bruno an, um seine Aufmerksamkeit auf mich zu lenken, er jedoch legt seinen linken Arm um meine Hüfte und redet unbekümmert weiter. Ich warte darauf, dass einer der beiden eine Pause macht, doch es erweist sich als hoffnungsloses Unterfangen. Die beiden scheinen sich prächtig zu verstehen; wie unschwer herauszuhören ist, sprechen sie über Politik. Hin und wieder verdrehen sie die Augen, ziehen mit einem Seufzer die Schultern hoch, um danach noch heftiger weiterzudiskutieren. Mehrmals hole ich Luft, um mich einzubringen, habe aber keine Chance. Zu sehr sind sie mit sich beschäftigt. Schließlich platze ich laut in ihr Gespräch:

»Scusi, Bruno, sag mal, hast du vor, hier zu übernachten, oder siehst du eine Chance, von hier wegzukommen?« Sicherheitshalber habe ich deutsch gesprochen, ich hoffe, dass er auch alles richtig versteht.

Bruno schaut mich mit großen Augen an, als ob ich nicht mehr alle Tassen im Schrank hätte. »Natürlich kommen wir heute noch ans Ziel, aber Anna kocht jetzt, und danach bringt uns Claudio mit seinem Traktor zu seinem Bruder, und der fährt uns nach Gesturi.« So sei es besprochen worden, ich solle mich nicht so haben, denn das hier sei ein wichtiges Gespräch, und er wolle auch in Zukunft Claudio unterstützen, denn was sich hier auf der Insel abspiele, sei einfach ein Skandal. Ob ich nicht wieder zu Anna gehen wolle, vielleicht brauche sie Hilfe?

Bevor ich aber den Rückzug antrete, hält mir Claudio ein Wasserglas mit einer durchsichtigen Flüssigkeit hin. Sicherlich wieder fatto mano, denke ich. Ich nippe nur ein kleines bisschen daran, und augenblicklich brennt meine Kehle wie Feuer. Halleluja, wie kann man nur so was trinken? Die beiden Männer brechen in schallendes Gelächter aus, als sie sehen, wie ich das Gesicht verziehe.

»Trinkst du das etwa, Bruno?«, frage ich ihn. Er nickt, »solo un goccio«. Na, hoffentlich bleibt es bei einem Schlückchen, sonst kann der Abend ja noch heiter werden.

»Mir ist kalt, ich hab nichts zum Umziehen, die Koffer sind am Flugplatz, und ich würde mir eigentlich gerne auch die Hände waschen, verstehst du, mein Lieber?«

Natürlich, ihm sei auch kalt, aber ich solle mich jetzt beruhigen. »Va bene tutto«, alles wird gut, sagt er und dreht mir wieder den Rücken zu.

In Annas kleiner Küche stimmt mich der Duft von warmem Rosmarin und Olivenöl sofort versöhnlich. In einem anderen Topf brodelt das Wasser, und sicher schwimmen darin in wenigen Minuten die Nudeln. Sie drückt mir vier tiefe Teller und vier Gabeln in die Hand und deutet nach draußen. Ich hab’s ja gewusst. Ich stolpere auf meinen Stöckeln nach draußen und decke zwischen den beiden Männern den Tisch. Bruno lächelt mich an, und ich erkenne in diesem Lächeln eine gewisse Glückseligkeit, die mit Sicherheit nichts mit diesem Gespräch zu tun hat.

Anna hält inzwischen ein Brett mit Brot und dem komischen wabbeligen Käse für mich bereit. So laufe ich mehrere Male zwischen dem Steinhaufen und den Olivenbäumen hin und her. Nicht nur, dass mir die Füße weh tun, auch sinken meine Absätze regelmäßig in der Erde ein. Außerdem ist es bereits fast dunkel, ich sehe so gut wie nichts mehr und weiß nicht, ob ich nun in Erde oder Ziegenscheiße wate. Von der Koppel ertönt es »määäähhhh« und »iiiiiiiiaaaaaaah«. Was für eine Idylle!

»Pronto, pronto«, höre ich Bruno rufen, na, wenigstens versucht er zu telefonieren. Das Essen ist fertig, wie wunderbar! Eine dampfende Schüssel landet auf dem wackeligen Tisch, und Anna teilt riesige Portionen aus. Claudio sticht in den Käse und legt ein Stück davon neben meine Pasta, für sich nimmt er auch eines und reicht dann das Messer Bruno. Der will sich zurückhalten, aber er hat keine Chance. Warum verzieht er denn so sein Gesicht? Das ist Schafskäse, der ist sicher gut. Ich probiere ihn jetzt, denn die beiden scheinen ja ganz begierig darauf zu sein, zu hören, wie er uns schmeckt.

Also stecke ich mir eine Gabel davon in den Mund. Weich ist er, ein bisschen wie Wackelpudding, nicht besonders aufregend im Geschmack, für meine Begriffe fehlt Salz. Na ja!

»Buono«, sage ich und widme mich dann meinen Nudeln, die mir wesentlich besser schmecken. Jedoch ist irgendein Gewürz daran, das ich nicht besonders mag. Es schmeckt fischig, aber ich entdecke bei dem schwachen Licht weit und breit keinen Fisch. Ich frage nach den Gewürzen und bekomme mal wieder eine Auskunft, die ich nicht verstehe. Bruno sagt, »uova di pesce«, aha, ich bin beeindruckt. Erkennen kann ich jedoch keine Fischeier, höchstens kleine dunkle Punkte, die nicht im Entferntesten an Kaviar erinnern. Was soll’s, der Hunger treibt’s rein, wie wir in Bayern sagen. Ich nehme noch ein Stück von dem Käse, um eine andere Geschmacksrichtung zu bekommen.

»Buoni il formaggio con vermi, eh?«, fragt mich Claudio.

»Er fragt«, dolmetscht Bruno, »wie der Käse mit den Würmern schmeckt?«

»Was? Käse mit Würmern?!«, schreie ich fast.

»Sì, sì, molto buono«, antwortet er mir. Pfui Teufel, mich schüttelt es augenblicklich. Hätte ich nicht schon alles hinuntergeschluckt, würde ich es auf den Boden spucken. Es würgt mich, und mir ist augenblicklich der Appetit vergangen. Erst Nudeln mit merkwürdigem Fischgeschmack und dann lebendige Würmer in einem Käse! Und das soll eine sardische Delikatesse sein?

Wir sind doch nicht im Busch! Ich habe noch nie von so einer sardischen Spezialität gehört. Wenn man in München beim Sarden so was anbietet, schließen die Behörden augenblicklich das Lokal. Nur Ratten sind noch schlimmer. Mir reicht’s, ich will jetzt weg von hier, und zwar augenblicklich, aber Bruno lacht nur. Wie mir scheint, ein bisschen irre. Wie viel hat der denn schon von dem Höllenzeugs getrunken? Und musste Claudio noch diesen sardischen Wein aus dem Keller holen? Wenn Bruno beschwipst ist, dauert es nicht lange, und er ist total betrunken. Er verträgt rein gar nichts. Da bin ich bei weitem trinkfester. Etwas resigniert betrachte ich meinen Lebensgefährten. Wie kann er mich bloß so im Stich lassen?