Blöd ist mein Untersatz wohl nicht, denn er geht direkt auf einen breiten Weg zu, der, so bete ich, uns zu Claudios wartendem Bruder führt.
Stur wie ein Maultier
Bruno
Auf den ersten Blick mögen die beiden Maultiere gleich aussehen, aber bei genauerem Hinsehen ist der Unterschied klar erkennbar. Vor allem in der Größe: Mein Tier ist so hoch wie ein gewöhnlicher Esel, das heißt etwa einen Meter, während das von Jutta als Kreuzung von einem Pferd mit einer Eselin (genauer gesagt einem Hengst mit einer Stute des Gemeinen Hausesels) besonders klein ist. Tatsächlich, erklärt mir Anna, wird Juttas Tier wegen seiner gemischten Herkunft bardotto genannt, eine ziemlich komplizierte Mischung, die mehr in Richtung Esel geht.
Obwohl die Sarden sowieso eigene Kreuzungen haben und die Bezeichnungen Maulesel und Maultier recht zufällig verwenden und noch viele andere Namen für diese Tiere haben. Mein Tier ist ungefähr sechs Jahre alt, unauffällig, gut erzogen und eigentlich zurückhaltend, auch wenn es mich gleich beim Eintreffen am Gehege gestern Abend gebissen hat. Doch seine Besitzerin versichert, dass wäre am Anfang immer so, weil es sich etwas schwertue mit Freundschaften, und im Laufe des Tages lässt es sich auch gern von mir bewundern und sogar die eine oder andere Streicheleinheit zu. Ferru – der Name passt besser als jeder andere, weil er so kräftig wirkt – hat letzte Weihnachten eine tragende Rolle beim Krippenspiel in Monastir gespielt, und vielleicht, meint Anna stolz, habe ja auch er eine Zukunft als Schauspieler vor sich. Juttas Maulesel namens Fil’e ist der Esel, der die ganze Nacht geschrien hat – aber man kann den Wind nicht bitten, nicht zu wehen, meint unsere Freundin Anna dazu nur. »Sie sind beide zahm, willig und einfach zu handhaben, ihr dürft sie jedoch nicht ausnutzen. Wie alle Tiere verdienen sie Respekt.«
Es ist angenehm, dort in der morgendlichen Sonne zu stehen und Annas Worten zu lauschen, trotz meiner mörderischen Kopfschmerzen. Ihre Welt ist ein sich selbst genügender Hirten-Mikrokosmos. Sie stellt alles selbst her: ihre Werkzeuge, die irdenen Töpfe, die Kleider aus Wolle, die Matten, die Weidenkörbe. Wenn ihr Mann nicht da ist, verkauft sie das Gemüse und den Weizen auf dem Markt, um ihren Speiseplan zu bereichern. Beide verbringen abwechselnd viele Nächte im Stall, um Käse zu machen oder die Schafe zu scheren. Aber all das reicht nicht. Wenn es Ferru nicht gäbe, der ihnen die Arbeit erleichtert, indem er die Milchschläuche transportiert oder das eine oder andere Lämmchen, das Hilfe braucht, das Brennholz, die Eicheln für die Schweine … Sie wüssten nicht, wie sie es schaffen sollten. Während sie uns all das erzählt, richtet sie auf den breiten Rücken der beiden Lastentiere Satteltaschen mit etwas Focaccia und anderen Lebensmitteln für uns und einen Korb für den Heuproviant – schließlich kriegen unsere Esel auch irgendwann Hunger.
»Also, passt gut auf, es sind nur ein paar Kilometer, aber wenn ihr auf einen schlechten oder zu holprigen Pfad trefft, nehmt die Satteltaschen ab und ladet sie auf eure Schultern. Das gilt vor allem für die kleine Fil’e, Jutta, ich möchte nicht, dass sie ausrutscht und sich ein Bein bricht … Das wäre wirklich ein großer Verlust.«
»Nur keine Sorge, Anna. Was meinst du, was ist die richtige Sitzposition – vorne, in der Mitte oder hinten?«
»Hast du schon mal im Sattel gesessen? Denn wenn du nicht ein bisschen Sinn fürs Gleichgewicht hast, kannst du dich unmöglich oben halten.«
»Ja, auf einem Pferd, meine Tochter Franziska in Deutschland hat zwei wunderbare Tarpane, das sind Nachzüchtungen von ausgestorbenen Wildpferden … Aber vielleicht ist das bei ihnen anders.«
»Du musst wie auf einem Pferd sitzen, in der Mitte des Rückens und vorne bei der Satteltasche. Nicht zu weit hinten, denn dann fällt man leichter runter. Wichtig ist vor allem, dass du NIE hier auf den Nieren sitzt, der hintere Teil des Rückens ist der schwache Punkt des Esels. Bruno darf sich auch etwas weiter nach hinten setzen, du nicht. Fil’e ist nicht so kräftig wie Ferru. Fangen wir bei deinem Mann an …«
»Anna, ich habe doch schon gesagt, er ist nicht mein Mann, wir sind nicht verheiratet.«
»Was macht denn das für einen Unterschied? Es ist immer noch dein Kerl! Also, hör mir gut zu, Bruno: Denk zunächst einmal ans Gleichgewicht. Wenn du aufsteigst, press nicht die Beine zusammen, um dich oben zu halten. Du musst dich erst ein wenig daran gewöhnen. Aber du wirst schon sehen, dann ist es ganz bequem, und du fühlst dich auch sicherer. Sonst noch Fragen?«
»Also, eigentlich bin ich noch nie geritten, Anna … Ich könnte nicht einmal auf einer Ziege reiten, geschweige denn auf einem Maultier. Ich habe in meinem Leben nur ein paar Galopprennen und zwei Aufführungen von Apassionata gesehen. Ich habe keinerlei Erfahrung mit Pferden.«
»Angsthase, du hast bloß Schiss … Steig auf, ich führe dich. Entspann dich.«
Ich bin gerade aufgesessen, zum ersten Mal in meinem Leben, und obwohl ich mich auf einer Schaufel abstützen musste, bin ich stolz, dass ich es überhaupt geschafft habe. Wie ein Abc-Schütze befolge ich Annas Anweisungen: nach vorne, rechts, links, stopp. Sie sagt, dass Ferru mich mag, er hätte auch rumbocken können. Ein gutes Zeichen. Ich bitte sie dennoch, so lange bei mir zu bleiben, bis ich Zutrauen zu ihm gewonnen habe. Ich befolge ihre Ratschläge genau: langsame Bewegungen, leise Stimme, ab und an eine Streicheleinheit. Ich werfe mich so richtig ins Zeug, als Jutta auf einmal zu mir kommt und mir auf den Schenkel schlägt, als wollte sie sagen: »Gut gemacht!« Wäre sie nicht meine liebreizende Gefährtin, würde ich jetzt die Schaufel packen und ihr damit kräftig eins überziehen. Welcher Teufel hat sie da nur geritten? Ich habe schon Schwierigkeiten genug, mich im Gleichgewicht zu halten. Auch Ferru scheint ihre Geste zu stören. Ohne nachzudenken, treibe ich ihn mit zwei kräftigen Schlägen auf den Hals und einem mit fester Stimme ausgesprochenen Befehl an; der Esel geht wirklich vorwärts, aber nach kaum fünf Metern schreit er »Iii-aah«, bäumt sich auf und wirft mich mitsamt der Satteltasche ab. Glücklicherweise lande ich neben Anna, die mich sofort wegzieht, damit er nicht mit dem Huf auf meinen Fuß tritt. Das tut weh!
Anna sagt, dass es nicht Juttas Schuld war (typisch weibliche Solidarität!), sondern an meinem Tonfall lag. »Maultiere sind ja keine Menschen, die denken nicht, sie handeln rein instinktiv. Du kannst sie manchmal anschreien, aber du darfst ihnen nicht urplötzlich zwei Mordshiebe verpassen. Los, gleich noch einmal! Und mach den Rücken krumm!«
Wenn jetzt auch geklärt ist, was meinen Ferru erschreckt haben könnte, kann mir doch keiner sagen, warum er sich auf einmal völlig bockig stellt, sobald ich wieder aufsitze. Und zu allem Unglück (das anscheinend immer mich trifft!) kommt in diesem Moment ein befreundeter Bauer von Claudio und Anna mit seinen Schafen vorbei, Zio Gavino mit Namen. Vielleicht waren es die Glöckchen seiner Tiere oder auch meine Angst, auf jeden Fall rennt Ferru wie besessen vor zu der kleinen Straße, die am Gehege entlangläuft. Balancierend wie ein Akrobat, schaffe ich es, oben zu bleiben, bis ich doch wieder abgeworfen werde, und zwar ausgerechnet in einen Brombeerbusch. Diesmal glaube ich wirklich, dass ich mir das Kreuz gebrochen habe. Doch anstatt mir zu helfen, lachen alle aus vollem Hals. Na ja, eigentlich komme ich mit ein paar Kratzern an den Schienbeinen davon. Nichts Schlimmes. Nach einer Weile packt mich Zio Gavino mit seiner Riesenpranke unterm Kinn, so dass ich aufschauen und ihm in die Augen sehen muss.
»Dir fehlt nur ein wenig Übung, mein Freund. Komm mit mir, lassen wir die Frauen allein.« Also gehen wir zu seinem Gehege inmitten von grünen Wiesen. Dort empfangen uns seine Enkel, sieben und neun Jahre alt, die fröhlich mit vier dunkelhaarigen Eselchen spielen. Zio Gavino weist mich – diesmal in perfektem Italienisch – darauf hin, wie wichtig der Kontakt zwischen den Kindern und diesen großartigen, sanftmütigen Tieren ist, um ihre Fähigkeiten auszuschöpfen und nicht nur eine Persönlichkeit zu entwickeln, sondern auch die Sprache. Er sagt mir, dass ich auf dem erstbesten aufsitzen soll. Diesmal geht es fast wie von selbst, und ich brauche weder Hocker noch Schaufel. Und hier gibt mir Zio Gavino ein Beispiel für das Gleichgewicht, von dem Anna vorhin erzählt hat. Anscheinend stützen sich die Esel, die Lasten über die steilen Hügel transportieren, gegenseitig – der Esel am äußeren Rand des Weges drängt nach innen, während der Esel auf der Innenseite nach außen drängt. So unterstützen sie einander, während sie ihre Lasten schleppen. Diese Beziehung muss sich zwischen Esel und Mensch wiederfinden: wie ein Tanz, bei dem jeder dem Rhythmus des anderen folgt.