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»Ja, jetzt kann es keinen Zweifel mehr geben.«

»Nein, unmöglich«, stimmte Doniphan zu, »da liegen sogar noch Holzreste herum.«

Diese Trümmer rührten ganz bestimmt von einem Boot her, das bewiesen die stark gekrümmten Holzstücke, ein Teil des Vorderstevens, an dem auch noch ein rostiger Eisenring hing. Alle 4 Kinder schauten intensiv die Umgebung ab, so als müsse der Mann, dem dieses Boot einmal gehört hatte, jeden Augenblick erscheinen. Aber natürlich tauchte niemand auf, viele Jahre waren verflossen, seit dies Boot am Ufer des Rio zurückgelassen wurde. Hatte der Besitzer, der ohne Zweifel hier gelebt haben mußte, die Insel oder das Festland hier wieder verlassen können? War er hier umgekommen? Die Kinder spürten in sich eine seltsame Erregung. Da bemerkten sie das auffallende Benehmen Phanns, der offenbar eine Fährte gefunden hatte.

»Phann hat etwas gewittert!«

Briant und seine Kameraden folgten dem Hund zu einer Baum-grupp'e, die am Fuß des Steilufers an der Seeseite wuchs. Ihr Herz stockte. In die

Rinde eines Baumes waren folgende Initialen geschnitzt:

F.B.

1807

Die Kinder standen regungslos davor. Da lief Phann zurück und verschwand hinter der Uferhöhe.

»Hierher, Phann!« rief Briant.

Der Hund folgte nicht, sondern bellte laut auf.

»Jetzt Achtung, bleiben wir beisammen! « flüsterte Briant. Die Gewehre wurden schußfertig gemacht, die Revolver geladen, man mußte zur Verteidigung bereit sein. Die Kinder drangen weiter vor. Als sie die Uferhöhe hinter sich hatten, glitten sie längs des schmalen Ufers am Rio vorwärts. Sie hatten noch keine 20 Schritte zurückgelegt, als Doniphan sich bückte und eine Schaufel amerikanischen oder europäischen Fabrikats vom Boden aufhob. Jedenfalls stammte dieses Werkzeug nicht von der Hand eines Eingeborenen. Die Schaufel mußte lange Zeit dagelegen haben, das Metall war stark oxydiert. Am unteren Steilufer entdeckten die Kinder weitere Spuren: einige regelmäßig angelegte Furchen und ein kleines Beet von verwilderten Ignamen. Plötzlich hörte man Phann wieder laut bellen.

»Schon wieder was gefunden?« fragte Briant ungläubig. »Lassen wir uns von ihm führen!«

10 Schritte weiter blieb Phann vor einer Sträucher- und Gebüschwucherung sitzen. Briant ging vorsichtig zu ihm hin. Da, als er das Gewirr der

Äste und Blätter etwas lüftete, bemerkte er eine enge Öffnung.

»Eine Höhle?« rief er und wich einige Schritte zurück. »Gut möglich. Aber was soll drin sein?«

»Das müssen wir noch herausfinden.«

Briant zerteilte die Zweige mit einigen Axthieben. Noch hörte man kein verdächtiges Geräusch aus der Höhle. Service wollte deshalb auch schon in den freigehauenen Eingang treten, doch Briant hielt ihn zurück. »Warten wir erst ab, was der Hund macht!« Phann knurrte dumpf. Wäre ein lebendes Wesen in der Höhle gewesen, es wäre sicherlich schon längst herausgekommen. Da die Luft im Innern vielleicht schädlich, weil unatembar sein konnte, warf Briant angezündetes Gras durch die Öffnung; die Halme brannten weiter, also konnte man die Luft atmen.

»Dann los!«

»Ja, gehen wir hinein!«

»Noch einen Augenblick«, sagte Briant, der wirklich an alles dachte, »ich will erst einen harzigen Fichtenzweig abschneiden und anzünden, damit wir drinnen auch was erkennen.«

Der Höhleneingang war 1,5 m hoch und 60 cm breit; die Höhle weitete sich jedoch rasch auf 3 m Höhe und 6 m Breite, der Boden war überall mit feinem, trockenen Sand bedeckt. Beim Eintreten stieß Wilcox auf einen Holzschemel, auf einem daneben stehenden Tisch lagen verschiedene Geschirrstücke. An einer Wand stand eine Art Koffer aus lose verbundenen Planken, der noch einzelne zerfetzte Kleider enthielt. Diese Höhle war also einmal bewohnt worden; aber zu welcher Zeit und von wem? Lag das Opfer irgendwo in einer Ecke? Im Hintergrund war eine erbärmliche Lagerstätte mit einer völlig zerrissenen Wolldecke darüber. Verhüllte die Decke den Leichnam des Höhlenbewohners?

Briant überwand seinen Widerwillen und riß sie herunter; aber das Lager war leer.

Kurz darauf waren wieder alle 4 Kinder bei Phann, der noch immer vor der Höhle auf und ab lief und bellte. 20 Schritte weiter, unten am Rio, blieben sie plötzlich wie gebannt stehen.

Auf dem Boden, zwischen den Wurzeln einer Buche, lagen Reste eines menschlichen Skeletts.

9

 Briant, Doniphan, Wilcox und Service standen regungslos und tief erschüttert da. Wer war dieser Mann gewesen, der hier völlig entkräftet oder vielleicht durch Krankheit geschwächt den Tod gefunden hatte? War er wie sie ein Schiffbrüchiger, der bis zuletzt auf fremde Hilfe gehofft hatte? Welcher Nation gehörte er an? Wie lange mag er wohl in dieser Gegend gelebt haben? War er der einzige Tote, oder lagen irgendwo anders noch weitere Skelette? Hatten Kameraden von ihm überlebt, und wohnten sie noch auf diesem Festland, auf dieser Insel? Waren die Gegenstände in der Höhle Überreste eines Schiffes, oder hatte er sie mit eigener Hand hergestellt?

Würde es auf all diese Fragen jemals eine Antwort geben? Etwas bereitete den Kindern besonderes Kopfzerbrechen. Warum hatte dieser Mann nicht eine Stadt im Innern des Landes - oder einen Hafen an der Küste aufgesucht? Was hinderte ihn .daran? War die Entfernung zu groß? Jedenfalls war es notwendig, die Höhle genauer zu untersuchen, vielleicht fand man ein Schriftstück, das über den Mann, sein Alter und seine Herkunft Aufschluß gab. Außerdem mußte man auskundschaften, ob diese Höhle für einen Aufenthalt aller Kinder geeignet war.

»Kommt mit!« sagte Briant.

Im Schein eines neuen Fichtenzweiges drangen die 4 Kinder und Phann in die Höhle ein. Der erste Gegenstand, der ihnen in die Augen fiel, war ein Paket dicker, aus Fett und zerfasertem Hanf gedrehter Kerzen. Briant zündete sofort eine davon an, um den Raum besser zu erhellen. Die Höhle bestand aus einer geräumigen, wahrscheinlich schon seit Urzeiten gebildeten Ausweitung des Kalkfelsens; sie war nirgendwo feucht, obwohl zum Uferland hin eine Öffnung war, durch die Frischluft eindringen konnte. Ihre Lage war windgeschützt, Tageslicht drang kaum ein, aber diesem Übel konnte man vielleicht durch Bohrung einiger Öffnungen abhelfen. Sie war 7,5 m breit und 9 m lang, also nicht gerade sehr umfangreich für all die Kinder; aber es handelte sich ja ohnehin nur darum, 5 bis 6 Wintermonate darin zuzubringen, danach wollte man nach Nordosten ziehen, um eine Stadt in Bolivien oder Argentinien aufzusuchen. Vielleicht gelang es auch, die Höhle etwas weiter auszubuchten, wenn dies der Kalkstein zuließ. Die Kinder fanden nur wenige Gegenstände; der Schiffbrüchige mußte stark gelitten haben, denn von dem Schiff war nur wenig übriggeblieben, viel weniger als von der an sich noch guten Sloughi und ihrer Ausrüstung. Einige Werkzeuge, eine Schaufel, eine Axt, 2 oder 3 Küchengeräte, ein kleines Tönnchen, das wohl einmal Branntwein enthalten hatte, ein Hammer, 2 Bankmeißel und eine Säge — das war alles, was man zunächst fand. Drohte ihnen ein ähnliches Schicksal? Würden andere Schiffbrüchige ihre Skelette nach Jahren oder Jahrzehnten finden und ebenso erschüttert sein? Hatten sie denn mehr Hoffnung? Bei ihrer weiteren Suche fanden die Kinder noch ein zweites Messer, einen Zirkel, einen Siedekessel, ein Schließeisen, aber kein einziges Schiffsinstrument, kein Fernrohr, keinen Kompaß, keine Feuerwaffe, um Wild zu erlegen.

»Was ist denn das?« rief plötzlich Wilcox.

»Ja, das hier?« fragte auch Service.

»Ein Kugelspiel?!« sagte Briant verwundert. Er erkannte jedoch sofort, welchem Zweck die 2 runden Steine, die an einem Strick befestigt waren, gedient haben mußten. Sie bildeten ein Jagdgerät, sogenannte »Bolas«, womit man Tiere einfangen kann.

»Hier ist noch etwas!«

Am Kopfende des Lagers, unter einer Falte der von Briant zurückgeschlagenen Decke, fand Wilcox eine Uhr, welche an einem in der Wand eingeschlagenen Nagel hing. Die Uhr war ein teures Fabrikat.