Obwohl man bis zum 9. Juli nicht ins Freie gehen konnte, litt die Gesundheit der Kinder nicht, denn die Frischluftzufuhr war durch die 4 Fensterchen gewährleistet. Überhaupt war ja die allgemeine Gesundheit das wichtigste Problem, denn wie hätte man schwerere Erkrankungen heilen sollen? Eine heikle Frage war auch die Beschaffung von frischem Wasser, wenn der Rio und der See zugefroren waren.
»Bauen wir doch eine unterirdische Leitung bis zur Höhle, die Rohre haben wir ja«, schlug Baxter, Gordons »Leibingenieur«, voi.
Nach verschiedenen mißlungenen Versuchen gelang dieses schwierige Vorhaben. Nun war man also von der Außentemperatur in punkto Wasser unabhängig.
Die Höhlenbeleuchtung war relativ einfach; man hatte genügend Ölvorräte für die Lampen und Laternen; später konnte man aus den Fettbeständen Mokos Kerzen herstellen. Sorge bereitete Gordon die Ernährung während der Wintermonate, denn Jagd und Fischfang lieferten nicht wie sonst die gewohnte und einkalkulierte Ausbeute. Außer Schakalen, die Doniphan mit gezielten Schüssen tötete oder vertrieb, kamen keine Tiere in die Nähe der Höhle. Küchenchef Moko sah sich deshalb gezwungen, die Sloughi- Vorräte anzubrechen, denn immerhin mußte er ja 15 Mägen füllen. Das war keine einfache Aufgabe, wenn man den Appetit von 8- bis 14Jährigen Jungen bedenkt.
Als Briant am 9. Juli einmal nach draußen ging, konnte er beobachten, daß der Wind plötzlich nach Süden umgesprungen war. Der ungemein strenge Frost nötigte ihn jedoch, so schnell wie nur möglich wieder in die Halle zurückzukehren. »Der Wind ist umgesprungen«, sagte Briant zu Gordon. »Das war zu befürchten, ich mache mich sowieso auf weitere strenge Wintermonate gefaßt.«
»Das beweist aber, daß die Sloughi doch weiter als angenommen nach Süden verschlagen worden ist.«
»Schon möglich, aber trotzdem zeigt der Atlas keine Insel in der Antarktisnähe.«
»Seltsam, ich kann mir das nicht erklären; und ich wüßte nicht, welche Richtung wir einschlagen sollten, wenn wir die Möglichkeit hätten, mit einem Boot die Insel zu verlassen.«
»Die Chairman-Insel verlassen? Glaubst du denn immer noch daran?«
»Jede Minute, Gordon! Hätte ich ein halbwegs seetüchtiges Boot, ich zögerte keinen Augenblick, die Insel zu verlassen.«
»Gut, gut, aber vergiß dabei nicht, daß wir hier noch eine Menge Aufgaben zu bewältigen haben.«
»Denkst du denn nie daran, daß wir in Auckland noch Angehörige haben?«
»Alles in allem sind wir hier doch relativ gut dran, nicht wahr? Die Sache wird doch täglich besser, ich frage mich manchmal, was uns eigentlich noch fehlt.«
»Na, ich könnte mir einiges vorstellen, aber lassen wir das. Übrigens geht das Brennholz zu Ende.«
»Alle Wälder der Insel stehen uns zur Verfügung, wir müssen uns nur bedienen.«
»Schauen wir auf das Thermometer, vielleicht können wir gleich an die Arbeit gehen.«
Das Thermometer zeigte nur 5 Grad über Null, obwohl in der Halle gut geheizt war. Briant nahm es mit nach draußen.
»Eiskalt! 17 Grad unter dem Gefrierpunkt.«
Nach dem Frühstück wurde dennoch beschlossen, in den Traps-woods eine Ladung Holz zu holen.
»Ohne den Wind wäre es ja auszuhalten!«
»Wir brauchen Skier, das wäre halb so anstrengend. Wir sinken ja bis an die Hüften ein.«
Da kam Moko ein guter Einfall.
»Nehmen wir doch den Eßtisch, die Beine nach oben, und ziehen ihn über den Schnee.«
»Gute Idee, wirklich!«
Zwischen Auckland-hill und dem Family-lake war alles gleichmäßig weiß. Die schneebedeckten Bäume wirkten wie eine feenhafte Theaterdekoration. Über dem See flatterten ganze Scharen von Vögeln; Doniphan und Croß hatten ihre Flinten natürlich dabei.
»Schaut her, hier sind Jaguarspuren im Schnee zu erkennen!«
»Wahrscheinlich handelt es sich hier nur um Wildkatzen, sogenannte Paperos, aber auch die sind nicht gerade zahm«, erklärte Gordon.
»Na ja, wenn es nur Katzen sind«, sagte Costar achselzuckend.
»Aber Tiger sind auch nur Katzen«, rief Jenkins. »Sie fressen kleine Kinder wie Mäuse!«
Im Laufe des Vormittags konnten 2 Fuhren gemacht werden, Nach dem Essen ging die Arbeit bis um 16 Uhr weiter. Das Fällen der Bäume war ziemlich anstrengend gewesen, deshalb wollte man den Rest auf morgen verschieben. In French-den zersägten die Jungen das Holz zu handlichen Scheiten, spalteten sie und schichteten sie in einer Ecke auf. Danach ging man schlafen.
Da man schon mal dabei war, entschied Gordon, die Arbeit gleich gründlich zu besorgen. 6 Tage lang fällten, sägten, spalteten und schichteten sie das Holz, um genügend Brennmaterial zu haben.
Am 15. Juli war Saint-Swithin-Tag, in England das Pendant zu unserem Siebenschläfer.
»Wenn es heute regnet«, erklärte Briant, »regnet es gleich 14 Tage lang.«
»Macht ja nichts, denn jetzt ist sowieso schlechtes Wetter. Im Sommer wäre das allerdings ärgerlich!«
Der Wind sprang nach Südosten um, der Regen hörte auf, dafür aber trat Frost ein. Gordon untersagte jeden Ausgang. In der ersten Augustwoche sank das Thermometer auf 27 Grad unter Null. Die Tage in der Höhle wurden zusehends unangenehmer, die Jungen litten unter Bewegungsmangel. Briant sah nicht ohne Sorge die blassen Wangen der Kleinen. Doch abgesehen von Husten- und Schnupfenanfällen wurde niemand ernstlich krank. Moko servierte ständig warmen Tee, in solchen Ausnahmesituationen die beste Medizin.
Am 16. August wurde das Wetter etwas besser, die Temperatur stieg an, der Wind hatte nachgelassen. Doniphan, Briant, Service, Wilcox und Baxter kamen auf den Gedanken, wieder einmal zur Sloughi-Bai hinunter zu gehen. Sie versprachen Gordon, noch am selben Abend zurück zu sein.
»Schaut nach, was die Robben machen und überprüft die Flagge oben am Steilufer«, empfahl Gordon der Truppe.
»Für den Fall, daß Seeleute nach Entdeckung der Fahne dort landen sollten, bringen wir am besten eine Tafel an, die die Lage unserer Höhle angibt«, schlug Briant vor. Am Morgen des 19. August brachen die Größeren auf. Der Himmel war wolkenlos. Sie kamen schnell vorwärts. Die Schlammlache der Bogwoods brauchte nicht umgangen zu werden, sie war mit einer Eisschicht überzogen, das kürzte den Weg wesentlich ab. Vor 9 Uhr erreichten sie das Vorland der Sloughi-Bai.
»Ganze Scharen von Vögeln!«
»Lauter Fettgänse, die sind kein Gramm Pulver wert.«
»Aber sie sehen doch ganz adrett aus, diese befrackten Pinguine!«
»Schaut da drüben«, rief Wilcox.
»Au ja, das sind Rüssel-Robben.«
Sobald die Kinder aber näher kamen, verschwanden sie im Meer.
»Die werde ich später einmal jagen«, versprach Doniphan.
Nach einem kurzen Frühstück setzte man den Weg fort. Auch hier war alles schneebedeckt, die Fläche von der Mündung des Rio Sealand bis hin zum Vorgebirge False-sea-point wirkte wie ein weißer Teppich. Bald stieß man unter der Schneedecke auf die zurückgelassenen Überreste der Sloughi. Die Tang- und Seegrasbüschel am Strand bewiesen, daß diese Bai von besonders heftigen Äquinoktialfluten noch nicht heimgesucht worden war. Auf dem Meer selbst zeigte sich nichts, kein Schiff, keine Insel.
»Da draußen, ganz weit draußen, liegt Neuseeland!«
»Hoffentlich werden wir es jemals wiedersehen!« Die Kinder standen für einige Augenblicke stumm da und starrten über die endlose Weite. Der Anblick war hoffnungslos! Baxter ging nun daran, eine neue Flagge aufzuziehen und die Tafel mit der Karte zu befestigen.
Gegen 16 Uhr waren sie zurück. Doniphan hatte unterwegs noch einige Schwanzenten und Kiebitze erlegt, die Moko strahlend in Empfang nahm.