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Nach dem Essen brachte Briant einen herzlichen Toast auf Gordon aus, dann toasteten alle auf das Wohl der Kolonie und auf die Erinnerung an die abwesenden Familien. Danach erhob sich der kleine Costar und dankte im Namen der Jüngsten Briant für seine aufopfernde Fürsorge, die er ihnen so oft bewiesen hatte.

17

 8 Tage später begann das neue Jahr, das Jahr 1861, auf der südlichen Halbkugel mitten im Hochsommer. Seit fast 10 Monaten saßen die Schiffbrüchigen auf der Insel Chairman fest. Ihre augenblickliche Lage war nicht schlecht, aber was würde die Zukunft bringen? Wann endlich kam die von allen heißersehnte Hilfe von draußen, vom Stillen Ozean? Würde man noch einmal einen jener strengen, arktischen Winter ertragen müssen? Bisher waren die Kinder dank der klugen Umsicht Gordons von ernsthaften Krankheiten verschont geblieben, aber das konnte sich sehr rasch ändern. Briant wollte diese Insel um jeden Preis verlassen. Aber wie wollten sie ein Boot oder ein Schiff bauen? Mit der Jolle war eine längere Fahrt übers Meer ganz unmöglich. Außerdem kannten sie noch immer nicht die genaue Lage der Insel innerhalb des Ozeans. Auch der so mutige Briant war ratlos.

Es blieb ihnen keine andere Möglichkeit übrig als abzuwarten und unterdessen die Lebensbedingungen auf French-den weiter zu verbessern. Wenn es den Jungen wegen der dringenden Arbeiten für den nächsten Winter nicht mehr gelingen sollte, die Insel genauestens zu untersuchen, so mußte das eben auf den kommenden Sommer verschoben werden. Gordon ließ genügend Brennmaterial heranschaffen, damit der Ofen Tag und Nacht brennen konnte. Doniphan und seine Freunde gingen ausgiebig auf Jagd und füllten die Speisekammern bis unter die Decke.

Briant und einige andere bauten die Tierstallungen um.

Noch immer stand der geplante Ausflug zu dem im Osten des Family-lake gelegenen Teil der Insel aus. Lagen dort Wälder, Sümpfe oder Dünen? Fanden die Jungen dort eher weitere Hilfsmittel, die den Lebensstandard von French-den bessern konnten? Eines Tages sprach Briant mit Gordon über dieses Thema.

»Obwohl Baudoins Karte mit Sorgfalt hergestellt worden ist, davon konnten wir uns ja mehrmals überzeugen, müssen wir endlich genau wissen, wie der Ostteil der Insel und von da aus auch das Meer aussieht. Wir besitzen vortreffliche Fernrohre, die der schiffbrüchige Franzose nicht besaß, wer weiß, vielleicht entdecken wir Land. Laut Karte liegt die Insel Chairman allein im Stillen Ozean, aber möglicherweise stimmt das gar nicht.«

»Du kannst es nicht erwarten, von hier wegzukommen!«

»Richtig, und du denkst genau dasselbe; die Hauptanstrengung muß der Rückkehr nach Neuseeland gelten.«

»Zugegeben! Also unternehmen wir den Ausflug.«

»An dem sich alle beteiligen?«

»Nein, nein! 6 oder 7 sind genug.«

»Immer noch zu viele! Wir müßten dann um den See herumgehen, was beschwerlich ist und Zeit kostet!«

»Hast du einen besseren Vorschlag? «

»Ja, wir sollten über den See segeln! Deshalb können nicht mehr als 2 oder 3 Kameraden mitkommen.«

»Und wer soll die Jolle steuern?«

»Moko«, antwortete Briant, »er kennt das Boot, und ich kann ihm ein bißchen assistieren. Bei günstigem Wind segeln wir, bei ungünstigem rudern wir über den See.«

»Einverstanden, Briant! Wer begleitet Moko und dich? Ich würde dir nicht raten, Doniphan mitzunehmen, das gibt nur Streitereien.«

»Ich habe nichts gegen Doniphan, er ist ein guter Jäger und eigentlich auch ein guter Kamerad, wenn auch ein wenig eigensinnig und zu selbstbewußt. Ich bin sicher, er ändert sich mit der Zeit. Ich weiß, daß wir noch einmal die besten Freunde auf der Welt werden. Dennoch hatte ich an einen anderen gedacht!«

»Und an wen?«

»An meinen Bruder«, sagte Briant, »sein Verhalten beunruhigt mich von Tag zu Tag mehr. Offenbar hat er sich etwas Schweres vorzuwerfen, was er nicht aussprechen will. Wenn wir auf dieser Reise allein sind, vielleicht redet er dann.«

»Gute Idee, nimm Jacques nur mit und beginnt gleich heute mit den Reisevorbereitungen.«

»Dauert bestimmt nicht lange, denn der Ausflug ist nur auf 2 bis 3 Tage berechnet.«

Noch am selben Tag verkündete Gordon den geplanten Ausflug von Briant. Doniphan war natürlich verärgert, daß er nicht mitgenommen werden sollte, er beklagte sich bei Gordon.

»Lieber Doniphan, in der Jolle haben nur 2 bis 3 Leute Platz und Briant bat darum, neben Moko, der das Boot steuern soll, noch seinen Bruder Jacques mitzunehmen, weil der immer trauriger und bedrückter wird.«

»Also ein Familienausflug!«

»Warum bist du so ungerecht?«

Doniphan schwieg und begab sich zu seinen Freunden Wilcox, Croß und Webb.

Als Moko erfuhr, daß er auf die Reise mitgenommen werden sollte, war er überglücklich.

»Wissen Sie, Herr Briant, immer nur in der Küche stehen, ist auch nicht das Angenehmste, die Abwechslung wird mir guttun.«

Der Gedanke, Briant begleiten zu dürfen, verdoppelte noch seine Freude. Auch Jacques schien sich auf dieses Unternehmen mit seinem Bruder zu freuen.

»Ich bin froh, einige Tage von French-den wegzukommen, glaub mir, Briant.«

Die Jolle wurde also sofort segelklar gemacht. Sie führte ein kleines lateinisches Segel, das Moko mit einer Stange versah und um den Mast wickelte. 2 Gewehre, 3 Revolver, ausreichend Munition, 3 Reisedecken, Nahrungsmittel, Wachshauben für eventuelles Regenwetter, 2 Ruder, dazu ein Ersatzpaar — mehr war für diesen kurzen Trip nicht erforderlich.

»Vergeßt nicht die Karte, in die ihr bei Gelegenheit neue Namen eintragen könnt.«

Am 4. Februar gegen 8 Uhr verabschiedeten sich Briant, Jacques und Moko und schifften sich am Ufer des Rio Sealand ein, von Südwesten her wehte eine leichte Brise. Moko hißte das Segel und setzte sich dann ans Steuer, Briant hielt die Schote des Segels und Jacques saß neben dem Mast. Nach einer Stunde Fahrt verschwand der Kamm des Auckland-hill am Horizont, das entgegengesetzte Seeufer war noch nicht zu erkennen. Gegen Mittag flaute der Wind ab.

»Wie unangenehm, daß der Wind nicht den ganzen Tag über anhält.«

»Nicht so unangenehm wie Gegenwind, Herr Briant«, sagte Moko.

»Du bist der reinste Philosoph!«

»Ich habe nur gelernt, nicht die Nerven zu verlieren und alles zu nehmen, wie es eben kommt.«

»Genau das verstehe ich unter Philosophie!«

»Versuchen wir, das andere Ufer noch vor Einbruch der Dunkelheit zu erreichen, das scheint mir wichtiger zu sein als Gespräche über Philosophie, dabei kommt wahrscheinlich doch nie was heraus!«

»Ganz recht«, lächelte Briant, »ich nehme jetzt das eine Ruder, du das andere; Jacques soll das Steuer führen.«

»Sag mir, wie man steuert«, sagte Jacques zu Moko.

Moko zog das Segel ein, danach aßen sie eine Kleinigkeit. Moko erklärte Jacques einige Handgriffe, dann setzten sich Briant und Moko an die Ruder und arbeiteten. Die kräftig vorangetriebene Jolle glitt in schräger Richtung, laut Kompaß nach Nordosten, schnell dahin. Gegen 15 Uhr meldete der durchs Fernrohr schauende Moko Land voraus. Gegen 16 Uhr zeigten sich die ersten Baumkronen über einem ziemlich niedrigen Ufer, was nachträglich erklärlich machte, warum Briant es vom False-sea-point aus nicht hatte wahrnehmen können. Also war die zwischen der Sloughi-Bai und dem Family-lake verlaufende Bergkette des Auckland-hill die einzige Erhebung auf der Insel Chairman. Briant und Moko legten sich kräftig in die Ruder, was wegen der Hitze doch reichlich anstrengend war. Die Oberfläche des Sees glich einem Spiegel. Man konnte sogar einige Meter tief hinab auf den Grund schauen, wo unzählige Fische in Schwärmen vorüberhuschten. Gegen 18 Uhr endlich stieß die Jolle an Land.