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»Bleiben wir der Mündung des Rio möglichst nahe!«

Bald war eine Höhle ausgewählt, sie stand der von French-den in nichts nach.

»Geben wir dem Hafen einen Namen«, sagte Croß. »Seht diesen Felsen an, der sieht aus, als hätte ein Bildhauer einen Bären meißeln wollen. Nennen wir den Hafen also Bear-rock-harbour!«

»Einverstanden«, sagten die anderen.

Am Nachmittag stiegen Doniphan und Wilcox auf den Bear-rock, um eine möglichst weite Aussicht über die Bai zu haben. Doch sahen sie auch von hier oben weder ein Schiff noch eine Insel im Osten. Der weißliche Fleck, den Briant seinerzeit im Nordosten entdeckt haben wollte, war jetzt nicht zu erkennen. Nach dem Abendessen wurde die Frage der Rückkehr erörtert.

»Der Weg nach French-den ist weit, gehen wir also so bald wie irgend möglich zurück«, sagte Webb.

»Wenn wir dann nach hier zurückkehren, nehmen wir am besten die Jolle, dann segeln wir über den See und können abkürzen. Das hat Briant so gemacht, warum sollten wir es nicht genauso machen?«

»Bin ich auch dafür!« stimmte Webb seinem Freund Wilcox zu.

»Wie denkst du darüber?« fragte Croß Doniphan. Doniphan überlegte eine Weile.

»Ich bin an sich schon für die Jolle, aber dann müßten wir Moko mitnehmen, denn nur er beherrscht das Fahrzeug.«

»Puh, das dürfte schwierig sein.«

»Weshalb? Steht es mir nicht ebenso wie Briant zu, Befehle zu erteilen? Übrigens handelt es sich nur um die Fahrt über den Family-lake.«

»Er muß uns einfach hinüberbringen, wie sollen wir denn sonst unser gesamtes Material hierher schaffen?«

»Und wenn uns Briant die Jolle nicht überläßt?«

»Das werden wir sehen. Er hat kein Recht, uns die Jolle vorzuenthalten.«

»Aber immerhin ist er das gewählte Oberhaupt der Kolonie!«

»Quatsch nicht. Entscheiden wir lieber, wann wir nach French-den zurückkehren sollen.«

»Am besten schon morgen!«

»Nein«, antwortete Doniphan, »ich möchte erst noch das Land jenseits der Bai untersuchen, um auch den nördlichen Teil der Insel kennenzulernen. In 48 Stunden können wir bis zur äußersten Nordspitze kommen und wieder zurück sein. Vielleicht gibt es dort eine Insel oder Festland, das unser Frangois Baudoin übersehen hatte. Es scheint mir unklug, sich hier festzusetzen, bevor wir die Insel nicht bis ins kleinste Detail kennen.«

Die anderen stimmten diesem Vorschlag zu. Am Morgen des 14. Oktober brachen sie auf. Ohne den Küstenstreifen zu verlassen, wanderten sie nach Norden. Das Frühstück wurde auf Mittag verschoben. An der Raststelle mündete ein weiterer Rio ins Meer.

»Seine Richtung läßt eindeutig erkennen, daß er nicht in den Family-lake fließt. Taufen wir ihn North- creek, da er doch eher ein Bach ist als ein Fluß.«

Mit dem Halkett-boat setzten sie über. Unterwegs schossen Doniphan und Croß Wild, doch beide gingen mit ihrer Munition sparsam um, sie wußten, daß sie ihre Vorräte rationieren mußten. Auch in diesem Inselteil wuchs alles üppig und wild durcheinander, vor allem fielen Tausende und aber Tausende von Buchen auf.

»Nennen wir diese Gegend einfach Beechs- forest, einverstanden?«

Wilcox trug die neuen Namen in die Karte ein. Am Abend hatten sie insgesamt 14 km zurückgelegt.

»Noch einmal so weit, dann haben wir die Nordspitze erreicht.«

»Aber jetzt wird erst einmal gepennt, mich bringen keine 20 Gäule von hier weg«, brummte Webb.

Am anderen Morgen, nach einer ruhigen Nacht, wurde der Marsch fortgesetzt.

»Beeilen wir uns, es scheint ein Unwetter zu geben.«

Der Himmel verdunkelte sich zusehends, der Wind frischte auf, schon wehten die ersten Böen durch den Buchenwald. »Hoffentlich regnet es nicht, alles andere ist halb so schlimm, wir können ja im Wald Schutz suchen.«

Keine Viertelstunde später brauste der Sturm mit unerhörter Gewalt über die Insel. Die Buchen wankten bedrohlich, hie und da krachte es bereits, Äste stürzten zu Boden, und es hagelte Blätter.

»Auf gehts, weiter!« ermahnte Doniphan seine Kameraden.

Gegen 20 Uhr, es war bereits dunkel geworden, der Sturm hatte nicht im geringsten nachgelassen, war die Brandung des Meeres hörbar, ein Beweis, daß auch hier ein Klippengürtel die Insel Chairman einschloß.

Erschöpft erreichten die Kinder das Ufervorland der nördlichen Küste. Plötzlich blieb Wilcox wie gebannt stehen! Mit der Hand wies er auf einen schwärzlichen Punkt nahe des Riffs.

»Ein Seetier?« flüsterte Wilcox.

»Vielleicht ein toter Wal«, sagte Webb leise.

Nach einer kurzen Pause sagte Doniphan:

»Nein, es ist ein Boot, das wahrscheinlich vom Sturm an die Klippen gespült wurde.« Da schreckte Doniphan zusammen. Neben dem Boot lagen 2 Körper!!

Waren es 2 Leichen? Waren es Überlebende eines Schiffbruches? Woher kam dieses Boot?

Während vom Meer her ein fürchterlicher Sturm über die Insel tobte, saßen die Kinder unter einem Baum und unterhielten sich über diese mysteriöse Entdeckung. Mit einem Mal glaubten sie Stimmen zu hören, Hilferufe vom Strand her. Wie viele Menschen waren an Land gespült worden? Waren sie vor irgend jemandem auf der Flucht? Aber sie hatten sich getäuscht, sie waren Halluzinationen erlegen.

»Versuchen wir zu schlafen, sonst wird es eine schreckliche Nacht werden!«

Aber keinem gelang es, einzuschlafen, sie waren viel zu aufgeregt, außerdem froren sie erbärmlich in ihren Decken. Sie lauschten, wenn der Sturm für einen Augenblick nachließ, aber sie hörten nichts. Die Hilferufe hatten sie sich lediglich eingebildet.

»Wenn es wieder hell wird, gehen wir hinunter und begraben die beiden Leichen«, sagte Doniphan.

»Eine endlose Nacht«, zischte Webb ängstlich.

»Hätten wir doch nur eine Uhr bei uns, dann könnten wir uns besser orientieren, aber so ist es zermürbend!«

»Wir haben ja eine Uhr bei uns, aber die ist stehengeblieben!«

»So ein hanebüchener Mist«, fluchte Croß in seine Decke. Der Sturm ließ noch immer nicht nach. Da endlich — nach wieviel Stunden? — hellte sich der Horizont auf, es wurde langsam wieder Tag.

»Gehen wir zum Strand hinunter!«

Die Kinder schleppten sich mühsam gegen die heftigen Sturmböen zum Strand. Sie mußten sich aneinander festhalten, um nicht umgeworfen zu werden. Plötzlich schrie Wilcox auf. Die beiden Körper waren verschwunden!

Doniphan und Wilcox untersuchten jetzt den Strand nach Fußspuren, aber sie entdeckten nichts, die Ebbeströmung hatte sie jedenfalls verwischt.

»Also doch keine Leichen!«

»Wo können sie sein?«

»Das Meer hat sie wieder hinausgespült«, sagte Doniphan mit ausgestreckter Hand.

Doniphan kletterte auf den Klippenrand und schaute mit dem Fernrohr über das aufgewühlte Meer.

»Komisch, man müßte doch wenigstens die Leichen schwimmen sehen!«

»Vielleicht sind sie untergegangen oder so weit hinausgeschwemmt worden, daß du sie nicht mehr wahrnehmen kannst.«

Sie waren ratlos. Auch das angespülte Boot war leer.

»Eine am Bug verdeckte Schaluppe. Die Planken der Steuerbordseite sind zerstört. Der Mast ist gebrochen. Kein Segel mehr.«

Am Heck zeigten 2 Namen das Schiff und den Heimathafen an:

Severn — San Franzisko

22

Das Leben der jungen Kolonisten in French-den verlief eintönig wie immer. Briant machte sich schwere Vorwürfe, daß gerade unter seiner Regentschaft diese schmerzliche und vielleicht tragische Trennung der Gruppe erfolgen mußte. Mehr als einmal versuchte Gordon, seinen Kameraden zu trösten.

»Sie werden zurückkommen, ich bin sicher, daß sie dieses Abenteuer nicht lange durchhalten werden. Die Verhältnisse sind stärker als der Starrsinn Doniphans. Ich wette, vor Winterbeginn sind sie wieder hier!«