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Jetzt also wußten es alle! Der lustigste Junge der Pension Chairman hatte die Taue gelöst, er war dafür verantwortlich, daß sie sich seit über einem Jahr hier in dieser Einöde befanden! Aber keiner dachte augenblicklich daran, Jacques mit Vorwürfen zu überschütten, sie drückten ihm lange die Hand und vergaben ihm von ganzem Herzen. Jacques selbst war überglücklich über die spontane Reaktion seiner Kameraden. Er stand wieder auf, wischte sich die Tränen aus den Augen und sagte :

»Ich werde nach oben steigen!«

»Nein, Jacques, ich werde steigen, ob dein Vergehen durch dich oder deinen Bruder Briant wettgemacht wind, das ist egal.«

Ohne sich auf weitere Debatten über dieses Thema einzulassen, bestieg Briant die Gondel und gab unverzüglich Befehl zum Aufsteigen.

»Laßt diesen Kasten los!« Der Apparat erhob sich langsam vom Boden. Baxter, Wilcox, Croß und Service bedienten die Winde, Garnett hielt den Signalbindfaden.

Nach 10 Sekunden war der Drachen im Dunkel der Nacht verschwunden. Diesmal begleitete kein Hurraruf die Fahrt. Briant hatte den Kindern befohlen, ganz still zu sein. Der Drachen stieg langsam, aber stetig höher hinauf. Die Brise über dem See wehte gleichmäßig. Briant verhielt sich vollkommen ruhig. Unter ihm war alles dunkel. Mit der einen Hand hielt er den Bindfaden mit der Kugel, mit der anderen hielt er das Fernrohr vor die Augen. See, Wälder und Steilufer bildeten nur eine verschwommene Masse, Einzelheiten waren nicht zu unterscheiden. Die Umrisse der Insel hingegen konnte er noch genau erkennen. Er bedauerte jetzt, daß er solche Manöver nicht bei Tage ausführen konnte, vielleicht sah man von hier oben das möglicherweise benachbarte amerikanische Festland oder aber eine der Inseln im Umkreis. Im Westen, Norden und Süden war der Himmel zu bewölkt. Nur im Osten war die Sicht einigermaßen frei. Briant schreckte plötzlich zusammen. »Dort! Das ist der Schein eines Feuers! Aber nein! Der Punkt war viel zu weitweg, er gehörte wahrscheinlich gar nicht mehr zur Insel. Aber was konnte es dann sein?«

Briant fiel ein, daß er damals einen weißlichen Punkt von der Deception-Bai aus wahrgenommen hatte.

»Ja, die Richtung stimmt, es war dort draußen. War dieser Fleck ein Gletscher? Dort im Osten muß Land sein, und zwar ziemlich nahe der Insel Chairman!«

Briant drückte sein Fernrohr fester ans Auge. Kein Zweifel, da draußen befand sich ein Vulkan!

Neben dem damals gesehenen Gletscher lag ein tätiger Vulkan. Die Entfernung konnte nicht mehr als 45 km betragen. In diesem Augenblick bemerkte Briant noch einen zweiten Lichtschein, der jedoch wesentlich näher lag. Dieser Schein stammte von dieser Insel!

»Jetzt steht es also fest: Walston und die anderen sind noch da, und zwar in der Nähe des Bear-rock.«

Briant durfte keine Minute länger oben bleiben, denn der Wind hatte merklich aufgefrischt. Er spannte den Faden und ließ die Kugel hinabsurren. Einige Sekunden später spürte er, wie der Drachen eingeholt wurde. Noch einmal erkannte er weit draußen eine Eruption des Vulkans, und weit näher den Schein des Lagerfeuers im Wald um den Bear- rock.

Die Kameraden warteten unten bereits mit größter Ungeduld, 20 Minuten war Briant in der Luft geblieben. Doniphan, Baxter, Wilcox, Service und Webb zogen mit vereinten Kräften an der Winde, sie mußten wegen des aufgekommenen Windes vorsichtiger sein als zuvor bei der Probefahrt. Plötzlich gab es einen Ruck! Die Kinder wurden zu Boden gerissen.

»Briant! . .. Briant!« schrien alle durcheinander.

Wenige Minuten später tauchte Briant am Ufer des Family-lake auf. Er war unverletzt. Aber der Drachen war von einer steifen Brise nach Nordosten geweht worden.

25

Für diese Nacht hatte Moko die Wache übernommen. Die anderen schliefen sehr lange, das gestrige Abenteuer hatte sie übermäßig ermüdet. Nach dem Frühstück setzten sich die Großen zu einem Gespräch über die Lage zusammen.

»Walston ist also noch da, ich habe es deutlich am Schein des Feuers gesehen!«

»Ihnen fehlen die nötigen Werkzeuge zum Reparieren der Schaluppe, sonst wären sie schon weg.«

»Aber so kaputt erschien mir die Schaluppe gar nicht«, sagte Doniphan. »Wäre unsere Sloughi nicht stärker demoliert worden, wir hätten nach einiger Zeit die Rückfahrt antreten können.«

»In keinem Fall denkt Walston daran, sich hier festzusetzen, das dürfte klar sein. Also wird er die Insel durchstreifen, um nach Werkzeugen und Material Ausschau zu halten.« »Und dann sind wir dran!«

»Sicher! Sie werden French-den finden.«

»Ich habe doch seinerzeit einen weißlichen Fleck von der Deception-Bai aus wahrgenommen«, unterbrach Briant diese Debatte, »als ich oben in der Gondel war, habe ich diesen Fleck wieder gesehen. Außerdem brach etwas daneben gerade ein Vulkan aus, ich sah es ganz deutlich am Widerschein der Wolken. Ich erkläre mit

Entschiedenheit, daß nach Osten hin in nicht allzu großer Entfernung Land liegt.«

»Wilcox und ich haben damals aber nichts dergleichen gesehen!« unterbrach Doniphan.

»Moko hat ihn auch gesehen«, beharrte Briant.

»Gut, gut! Du meinst also, daß wir nahe des Festlandes sind?«

»Der Lichtschein rührte von einem tätigen Vulkan her, der sich auf dem Festland befindet. Ich bin sicher, daß die Matrosen der Severn das auch wissen. Sie werden natürlich versuchen, dahin zu gelangen.«

»Klar! Hier haben sie ja auch nichts verloren!«

»Halten wir es jedenfalls wie bisher«, sagte Briant entschieden, »die Ausflüge bleiben prinzipiell untersagt, kein Schuß darf abgefeuert werden.«

»Auweia, da kann auch der stärkste Mann Angst bekommen. Walston braucht nur dem East-river bis zum See folgen, dann um ihn herumgehen, schon steht er vor unserer Tür. Ich werde kein Auge mehr zumachen können!«

»Apropos Tür. Tarnen wir die Eingänge von French-den mit Ästen und Zweigen, deckt auch die Stallungen etwas ab. Keiner betritt das Gebiet zwischen Family-lake und Auckland-hill.«

In jener schweren Zeit erlitt zu allem Unglück auch noch der kleine Costar einen Fieberanfall. Wäre nicht die gutmütige Kate gewesen, keiner der Jungen hätte mit den Medikamenten aus der Jacht­Apotheke etwas anfangen können. Aber Kate pflegte Costar nach und nach wieder gesund. Sie war wirklich unentbehrlich geworden. Sie sorgte auch für die Wäsche, die Schuhe und die Ernährung.

Die ersten 14 Novembertage waren total verregnet. Erst vom 17. an stieg das Barometer wieder, und die Sonne schien. Die Jungen fluchten natürlich, daß sie nicht aus der Höhle herauskonnten. Doniphan hätte zu gern wieder Wild gejagt, Wilcox nach den Fallen gesehen. Die Tage vergingen langsam. Alle waren entmutigt. Zudem wußten sie um die ihnen drohende Gefahr, das machte sie reizbar und nervös.

Am 21. November gegen 14 Uhr wurde der am Ufer des Family-lake angelnde Doniphan, er hatte die Erlaubnis Briant schwer genug abgerungen, von einem Schwarm wild auffliegender Vögel aufgeschreckt. Sie zogen immer engere Kreise über einem ganz bestimmten Punkt, dann stürzten sie mit wildem Gekrächze hinunter. Sofort rannte Doniphan nach French-den und bat Moko, ihn mit der Jolle über den Rio Sealand zu setzen. Briant willigte ein. Sie bestiegen das Boot und gingen 10 Minuten später drüben an Land. Im Wald entdeckte Doniphan den noch warmen Kadaver eines jungen Guanakos.

»Ganz frisch.«

»Hier ist die Einschußstelle.«

»Dieses Kaliber hier ist besonders auf Schiffen üblich, das zeigt die Kugel deutlich. Sie stammt also wahrscheinlich von Walston oder einem seiner Kumpane.«