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»Okay! Hauen wir wieder ab, bevor es Stunk gibt.« Sie überließen den Kadaver wieder den Vögeln, schlichen zum Ufer des Rio, setzten lautlos über und rannten eilig nach French-den. Briant und Gordon erwarteten sie mit Unruhe.

»Schaut mal her, keiner hat von uns in letzter Zeit einen Schuß abgegeben, also stammt die Kugel von den Gangstern. Moko bestätigte mir, daß derartige Kaliber auf Schiffen üblich sind.«

»Der Schuß muß vor etwa 5 bis 6 Stunden abgefeuert worden sein, das Guanako war noch warm.«

»Jetzt ist es also soweit. Die Matrosen sind in unmittelbarer Nähe unserer Behausung. Bereiten wir uns auf einen Großangriff vor, ladet die Waffen, stellt sie unter die Fenster.«

In den nächsten Tagen blieb noch alles ruhig. Nachts wurden schwerbewaffnete Wachen aufgestellt, French-den war so gut wie es eben ging mit Ästen und Zweigen getarnt, keiner durfte ohne ausdrückliche Erlaubnis Briants nach draußen. Auch in der Höhle hatten sich alle äußerst still zu verhalten. Am 24. gegen 9 Uhr hatten sich Briant und Gordon über den Rio Sealand begeben um zu erkunden, ob es ratsam sei, über den zwischen See und Sumpf verlaufenden Fußpfad eine Art Brustwehr aufzuschütten. Hier hätten dann die besten Schützen liegen können, wenn das Auftauchen Walstons rechtzeitig genug bekanntgeworden wäre. Plötzlich stieß Briant beim Gehen auf einen harten Gegenstand. Er wollte schon weitergehen, weil er glaubte, es sei nur eine etwas größere Muschel. Aber Gordon bückte sich.

»Warte, Briant, warte doch!«

»Was ist los?«

»Da schau her, eine Pfeife.«

»Von uns raucht keiner! Also wieder ein Zeichen für die Anwesenheit der Matrosen von der Severn.«

»Oder sie hat dem schiffbrüchigen Franzosen gehört!«

»Nein, die wäre entschieden dreckiger. Diese Pfeife hat einer der Matrosen hier verloren.«

Briant und Gordon kehrten unverzüglich nach French-den zurück. Sie zeigten Kate die gefundene Pfeife.

»Ja, ich habe sie in den Händen Walstons gesehen!«

»Dann verdoppeln wir die Wachen«, bestimmte Briant. »Jeden Moment können die Ganoven hier auftauchen. Was uns dann blüht, wissen wir!«

»Verteilen wir die Munitionskästen auf alle Seiten gleichmäßig, legen wir die Gewehre griffbereit, jeder von uns soll sich einen Revolver umhängen.«

»Zu schade, daß Evans nicht hier ist; er würde euch alle gern tatkräftig unterstützen«, klagte Kate.

»Bringt die Jolle von draußen herein und legt sie in den Materialraum«, befahl Briant.

Nach einem Tag drückender Schwüle brach am Abend des 27. November ein schweres Unwetter über die Insel Chairman herein. Gewaltige Blitze spalteten unter tiefem, nicht endenden Donnergrollen die Wolkendecke. Die Luft stand fast still, es regnete nicht. Nur Blitze und Donner wechselten sich ab. Der Himmel lag in grellem Rot, über dem See schien ein gewaltiges Feuer zu lodern. Erst gegen Mitternacht ließ die Kraft des Unwetters etwas nach. Da begannen die Stürme herüberzuwehen, kurze Zeit später prasselte der Regen wie aus Kübeln herunter. Plötzlich knurrte Phann. »Was ist?« fuhr Briant auf.

»Phann täuscht sich nicht, das wissen wir. Irgend etwas stimmt also nicht.«

»Keiner geht raus. Stellen wir uns neben die Fenster.«

Alle griffen nach den Gewehren und Revolvern. Keiner hörte bis jetzt etwas Verdächtiges. Phann war noch immer unruhig, da bellte er laut, auch Gordon konnte ihn nicht mehr beruhigen.

»Scheiße, das hören die da draußen natürlich«, brummte Doniphan.

Plötzlich krachte ein Schuß.

»Ruhig, bleibt ruhig«, flüsterte Briant.

»Der Schuß wurde höchstens 200 Schritte von hier abgegeben.«

Jeder hatte den Finger am Abzug, jeder versuchte so unauffällig, wie es die Dunkelheit zuließ, nach draußen zu spähen. Plötzlich hörte man von draußen Hilferufe.

»Zu Hilfe! Kommt mir zu Hilfe!«

Die Stimme kam immer näher.

»Er ist es!« rief auf einmal Kate.

»Wer?« fragte Briant kurz.

»Laßt ihn herein! Öffnet schnell die Tür!«

Briant sprang zu der schon halb verbarrikadierten Tür und riß sie auf.

Ein völlig durchnäßter Mann stürzte herein.

Es war Evans!

26

Evans verschloß sofort wieder die Tür und lauschte angestrengt nach draußen. Als er sicher war, seinen Verfolgern entronnen zu sein, ging er langsam in die Halle hinein.

»Aber das kann doch nicht wahr sein«, stotterte er, »nur Jungen, nichts als Jungen?!«

Da entdeckte er im Hintergrund Kate.

»Kate?! Sie leben noch?!«

»Ja, ich konnte entkommen! Ein Glück, Evans, daß Sie jetzt hier sind, um uns zu helfen.«

Evans schaute sich ungläubig im Kreise um.

»15 Jungens!«

»Sagen Sie, Master Evans, sind wir augenblicklich .bedroht?« fragte Briant.

»Nein, im Moment nicht.«

»Was hat sich seit Kates Flucht ereignet?«

Die Jungen waren wieder hellwach, keiner dachte jetzt an Schlaf, sie wollten hören, was Evans zu berichten hatte.

»Entschuldigt, aber erst muß ich mich umziehen, ich bin klitschnaß. Außerdem habe ich volle 12 Stunden nichts mehr gegessen.«

Briant führte Evans nach hinten und händigte ihm einen passenden Matrosenanzug aus. Moko machte ihm inzwischen etwas zu essen.

»Die erste Nacht schliefen wir unter den Bäumen . . .«

»... an den Severn-shores; so haben wir diesen Küstenabschnitt getauft!«

»Am nächsten Morgen gingen wir zur Schaluppe zurück und versuchten, die zerstörten Planken auszubessern. Aber da wir nur eine Axt besaßen, war eine Reparatur unmöglich. Wir verließen also die Severn-shores, um einen Lagerplatz zu suchen und etwas Wild zu schießen. Wir brauchten Süßwasser. 18 km unterhalb der Küste erreichten wir einen Rio . . .«

»... den East-river!«

»Dicht dahinter lag eine weite Bucht. . .«

»... Deception-Bai!«

»Dort entdeckten wir auch einen natürlichen Hafen...«

»... der Hafen des Bear-rock!«

»Finde ich gut, daß ihr allen Punkten der Insel einen Namen gegeben habt. Also : an dieser Stelle wollten wir uns festsetzen. Walston schlug vor, die Schaluppe hierher zu bringen, um sie hier wieder seetüchtig zu machen. Das alles war ziemlich schwierig. Die Schaluppe liegt jetzt beim Bear-rock. Nur fehlen die nötigen Werkzeuge zur Reparatur.«

»Wir haben sie«, sagte Doniphan schadenfroh.»

Das vermutete Walston auch, nachdem er entdeckt hatte, daß die Insel bewohnt ist.«

»Aber wie hat er das herausgekriegt?«

»Ganz einfach. Vor 8 Tagen zogen Walston, seine Gefährten und ich quer durch den Wald um die Gegend auszukundschaften. Nach etwa 4 Stunden kamen wir an den Binnensee; und dort fanden wir einen angeschwemmten, seltsamen Apparat, ein Rohrgerippe mit Leinwandbespannung . . .«

»Unseren Drachen!«

»Ja, wir hatten einen Drachen konstruiert, der vom Wind weggetragen wurde!«

»Was es nun war, wußte keiner genau. Aber daß er auf dieser Insel hergestellt worden war, unterlag keinem Zweifel. Die Insel mußte also bewohnt sein. Aber von wem? Das wollte Walston natürlich wissen. Seit dieser Entdeckung versuchte ich, den Burschen zu entfliehen. Wer diese Bewohner auch immer sein mögen, sagte ich mir, schlimmer als diese Ganoven können sie nicht sein. Aber selbstverständlich wurde ich nun strenger als je zuvor bewacht.«

»Aber wie wurde French-den entdeckt?«

»Darauf komm ich gleich. Aber vorher möchte ich gern wissen, weshalb ihr diesen gewaltigen Drachen gebaut habt.«

»Wir wollten von einem sehr hoch gelegenen Punkt die Insel überschauen, um herauszufinden, ob Walston noch da ist. Briant und Baxter haben diesen Drachen mit der daran hängenden Gondel konstruiert, Briant wurde nachts hochgelassen.«