»6 Jungen und 1 Mann gegen 7 kräftige Burschen, das wird sicherlich kein Spaziergang!«
»Sie sind also auch nicht gerade hoffnungsfroh!«
»Wir werden es schon schaffen, wenngleich ich natürlich weiß, wie gefährlich die Angreifer sind«, sagte Evans.
»Forbes ist nicht so schlimm wie die anderen«, mischte sich da Kate ein.
»Was macht das schon, der ballert auch mit und tötet auch, wenn's sein muß. Da ist kein Unterschied, liebe Kate! Der Schurke hat mich wie verrückt verfolgt und sogar auf mich geschossen. Forbes verschont keinen von uns!«
Evans wunderte sich nach einigen Tagen, daß bisher noch kein Vorstoß auf French-den erfolgt war, er hatte ja die Pläne Walstons mit anhören können.
»Vielleicht ändern sie die Taktik! Sie werden es möglicherweise mit List statt mit Gewalt versuchen!«
»Aber wie?«
»Solange wir uns in der Höhle aufhalten, ist Walston gezwungen, die ganze Bude zu stürmen. Das ist nicht einfach. Er wird also zu einer List greifen, die mir eben durch den Kopf geht. Kate und ich sind die einzigen Personen, durch die ihr von einem Angriff auf French-den erfahren haben könnt. Nun hält uns Walston aber für tot. Kate ist für sie bei der Strandung ertrunken, ich vorschriftsmäßig im Rio. Ich habe ja mit angehört, wie Forbes und Rock zurückgegangen sind. Das ist aber nun unser großer Vorteil! Walston nimmt an, daß ihr von ihrerAnwesenheit nichts wißt, deshalb werden sie wahrscheinlich die armen, bescheidenen Schiffbrüchigen spielen, um hier hereinzukommen.«
»Der Plan ist nicht schlecht, muß ich zugeben«, sagte Briant. »Wenn sie unsere Gastfreundschaft beanspruchen, werden wir ihnen einige harte Bleikugeln in den Magen schießen, für den Hunger!« sagte Doniphan.
»Nein, vielleicht ist es besser, zuerst mitzuspielen und die Mützen zu ziehen«, schlug Gordon vor.
»Großartig! List gegen List«, sagte Evans bewundernd, »wir müssen ebenso klug vorgehen wie die anderen.«
Der Vormittag des folgenden Tages verlief ruhig. Begleitet von Doniphan und Baxter, wagte sich Evans in die Nähe der Traps-woods, wo alle 3 hinter dicken Bäumen am Fuße des Auckland-hill Deckung suchten. Phann, der sie begleitete, schlug nicht an. Die Luft war also noch rein. Gegen Abend jedoch kurz vor Sonnenuntergang, meldeten die Wache schiebenden Webb und Croß 2 Männer, die auf French-den zukamen. Kate und Evans zogen sich in den Materialraum der Höhle zurück, um nicht gesehen zu werden. Von dort aus spähten sie durch die Schießscharten und erkannten kurz darauf Rock und Forbes.
»Unser Instinkt hat uns nicht betrogen, sie versuchen es also doch mit List!«
»Was sollen wir jetzt machen?« fragte Briant.
»Nehmt sie hier auf.«
»Ich kann das nicht.«
»Laß, ich werde es tun«, erbot sich Gordon.
»Nichts von unserer Anwesenheit verraten. Kate und ich werden uns schon zeigen, wenn es Zeit ist.«
Gordon und Baxter gingen langsam zum Ufer des Rio Sealand.
Beide gaben sich höchst verwundert, als sie die Schurken erblickten.
»Wer seid ihr?« rief Gordon ihnen zu.
»Schiffbrüchige, die im Süden dieser Insel mit der Schaluppe des Dreimasters Severn gestrandet sind.«
»Engländer?«
»Nein, Amerikaner!«
»Und eure Gefährten?«
»Alle tot! Nur uns gelang es, zum Strand zu kommen. Und wer seid ihr?«
»Die Kolonisten der Insel Chairman!«
»Wir bitten euch um Mitleid und gastfreundliche Aufnahme, wir haben alles verloren.«
»Seid willkommen!« heuchelte Gordon.
Gordon gab Moko ein Zeichen, mit der Jolle überzusetzen und die beiden Schurken herüberzuholen. Sie sahen wirklich furchterregend aus mit ihren niedrigen Stirnen und den weit vorstehenden Kieferknochen.
»Können wir diese Nacht bei euch unterkommen?« fragte Rock. »Selbstverständlich, tretet nur ein!«
Man merkte den beiden Schurken an, daß sie über die an der Wand lehnenden Waffen und die Munitionskisten sehr erstaunt waren, aber sie stellten keine Fragen. Die jungen Kolonisten spielten also ihre Rolle weiter, da Rock und Forbes darum gebeten hatten, sich auf den Matratzen niederlegen zu dürfen.
»Habt ihr vielleicht noch so einen Raum wie diesen?« fragte Rock.
»Ja, der dient uns als Küche! Dort könnt ihr euch ausruhen!«
Sie gingen hinein und legten sich auf den Boden. Aber sie blieben nicht allein, Gordon hatte Moko zu ihnen geschickt, er sollte sie unauffällig beobachten. Er merkte bald, daß die beiden nur ein Auge zudrückten, mit dem anderen aber zur Tür spähten. Briant und die anderen waren in der Halle geblieben. Jetzt gesellten sich auch wieder Kate und Evans zu ihnen. Alles war so gekommen, wie es der Steuermann vorhergesehen hatte.
»Walston wartet jetzt nur auf den günstigsten Augenblick, um hier einzudringen«, flüsterte Evans.
2 Stunden vergingen. Moko fragte sich schon, ob die beiden den Angriff nicht vielleicht auf morgen verschoben hatten, als seine Aufmerksamkeit durch ein leichtes Geräusch erregt wurde. Im trüben Schein der Lampe sah er Rock und Forbes zur Tür schleichen. Sie begannen, die Steine einzeln abzutragen. Als sie damit gerade fertig waren, legte sich auf Rocks Schulter eine Hand. Blitzschnell drehten sich beide um. »Evans!! Du hier??! «
»Hierher, Jungs«, rief der Steuermann.
Forbes wurde von Baxter, Doniphan, Briant und Wilcox gepackt und zu Boden geworfen. Rock wehrte sich gegen Evans. Der Steuermann hatte sein Messer gezückt, traf aber Rock nur leicht am Oberarm. Rock entkam durch die jetzt aufgesprungene Tür. Er war noch keine 10 Schritte weit, als plötzlich ein Schuß krachte. Kein Aufschrei war zu hören.
»Verdammt. Ich habe danebengeschossen«, fluchte Evans. Da stürzte er sich mit dem Messer auf Forbes. »Gnade! Gnade!« winselte der
Schurke. Evans wollte zustechen, als Kate ihn am Arm zurückhielt.
»Evans, gewährt ihm das Leben, er hat auch mich gerettet!«
Evans steckte sein Messer zurück in die Scheide und nickte kurz. Sicher gefesselt wurde Forbes in eine der Nebenkammern gesperrt.
»Versperrt wieder alle Türen«, befahl Evans.
28
Bis zum Morgen blieb alles still.
»Nachdem die List mißlang, wird Walston wohl Gewalt anwenden«, prophezeite Evans.
»Leider ist Rock entkommen, er wird natürlich Walston von der Situation unterrichten. Sie werden versuchen, die Türen zu sprengen.«
Beim ersten Morgengrauen wagten sich Evans, Briant, Gordon und Doniphan aus der Höhle. Der Nebel lichtete sich langsam, bald war der Family- lake überschaubar.
»Überall Stille. Auch Phann zeigt keine Unruhe«, sagte Gordon.
»Das ist nur die Ruhe vor dem Sturm.«
»Schaut mal her, Jungens«, sagte Evans plötzlich und zeigte auf verschiedene Fußspuren, die sich nach allen Richtungen verloren.
»Bis hierher also waren sie bereits geschlichen.«
»Nicht ein Blutfleck zu sehen, also haben Sie ihn nicht einmal verletzt!«
»Tut mir wirklich leid, ich hätte ihn unbedingt erwischen müssen! Jetzt erzählt er natürlich Walston, daß ich hier bei euch bin, was die Lage wesentlich verschlechtert, denn sie werden um so brutaler vorgehen.«
»Sie müssen sich von allen Seiten angeschlichen haben!«
»Sieht so aus. Fragen wir am besten Forbes, der es ja wissen muß.«
Evans ging nach French-den zurück, öffnete die Kammertür, löste Forbes die Fesseln und führte ihn in die Halle.
»Forbes, hör mir mal gut zu. Euer Plan ist gescheitert! Ich würde gerne wissen, was Walston weiter geplant hat. Willst du mir das sagen?«
Forbes hielt die Augen geschlossen, er wagte nicht, Evans und Kate anzuschauen.