Walston und Brandt näherten sich schnell dem Rio. Cork wartete auf sie in der Jolle, die er aus dem Material raum hierher geschafft haben mußte. Waren sie erst einmal auf dem linken Rioufer, schien die Sache für sie gelaufen; sie würden Jacques und Costar als Geiseln mitnehmen, ohne daß man sie daran noch ernstlich hätte hindern können.
Evans, Briant, Gordon, Service und Wilcox liefen was sie konnten, um zur Sport-terrace zu kommen, bevor die Schurken über den Rio gesetzt hatten.
»Nicht schießen, sonst treffen wir womöglich Jacques und Costar«, befahl Evans.
Zum Glück hatten sie Phann bei sich, der ihnen vorausgelaufen war und Brandt an die Kehle sprang. Dieser mußte Costar jetzt loslassen, um sich gegen Phann zu wehren, der immer wieder an ihm hochsprang und zubiß. Plötzlich stürmte noch ein Mann aus der Tür. Das war Forbes.
»Hierher, Forbes! . . . Komm doch her!« rief Walston aufgeregt.
Evans war kurz stehengeblieben und wollte schon schießen, als er sah, wie Forbes sich auf Walston stürzte.
»Bist du verrückt, du Idiot«, schrie Walston und ließ wie verdutzt über diesen unvermuteten Angriff Jacques los. Walston zückte sein Messer und stieß zu. Forbes sank zu Boden. Evans und die anderen waren jetzt noch etwa 100 Schritte von der Terrasse entfernt.
Walston wollte Jacques wieder greifen, das mißlang, denn Jacques hatte einen Revolver bei sich. Er zielte kurz und schoß Walston in die Brust. Walston sprang auf, rannte aber weiter zum Ufer, wo Brandt in der Jolle auf ihn wartete. In dem Augenblick krachten mehrere Bleikugeln auf die Schurken herunter. Moko hatte die Kanone in Stellung bringen können und ballerte durch die Schießscharten von French-den. Diesem Kugelregen konnte keiner der Schurken entkommen.
»Mit Ausnahme von Rock und Cope, die uns in den Traps-woods entkommen sind, ist die Insel jetzt gesäubert«, sagte Evans und warf sein Gewehr wie einen Besen auf den Boden.
29
Inzwischen war Doniphan mit der Tragbahre nach French-den geschafft worden. Auch der verletzte Forbes wurde zur Höhle zurückgeschleppt. Kate, Evans, Briant, Gordon und Wilcox wachten bei den beiden Schwerverwundeten. Kate behandelte sie mit Medikamenten aus der Bord-Apotheke und verschiedenen Eigenrezepten frei Natur.
Nach einigen Tagen erholte sich Doniphan, während sich der Zustand Forbes' zusehends verschlimmerte. Gegen 4 Uhr früh starb er, nachdem ihm Kate im Namen aller Kinder seine Sünden vergeben hatte. Man begrub ihn neben dem schiffbrüchigen Franzosen.
»Noch ist die Luft nicht rein, Rock und Cope leben noch!« sagte Evans.
»Wir können nicht eher zum Bear-rock gehen, um die Schaluppe auszubessern, bevor wir nicht die beiden Halunken erledigt haben«, fügte Briant hinzu.
»Folgen wir Phann, der führt uns sicher auf die Fährte dieser beiden Typen«, sagte Gordon.
Gordon, Briant, Baxter, Wilcox und Steuermann Evans brachen noch am gleichen Tag schwerbewaffnet auf, um mit Hilfe des Hundes die Schurken Cope und Rock ausfindig zu machen und zu töten. Aber das war bereits erledigt! Nach einigen Stunden fand man die Leiche Copes, er war also doch tödlich getroffen worden, wenngleich er sich noch einige Schritte hatte weiterschleppen können. Auch Rock, der wie vom Erdboden verschluckt schien, wurde aufgefunden; er war in eine der ausgehobenen Fanggruben gestürzt.
»Das hätten wir also geschafft. Meinen Glückwunsch an alle!« sagte Evans und bedankte sich bei seinen treuen Kameraden.
»Wenn jetzt noch Doniphan wieder auf die Beine kommt, können wir die Insel Hannover verlassen!«
»Wie machen wir das mit der Schaluppe?« fragte Briant. »Ich würde vorschlagen, Briant und Baxter fahren mit mir über den Family-lake. Zum Glück ist ja die Jolle während der Schießerei heil geblieben! Wir nehmen die Werkzeuge mit und versuchen, das Boot auszubessern.«
Dieser Vorschlag wurde am 6. Dezember ausgeführt.
»Entgegen meiner ersten Annahme ist es doch unumgänglich, die Schaluppe nach French-den zu bugsieren, denn dort haben wir die nötigen Planken und Krummhölzer von der Sloughi«, entschied Evans, nachdem er das Boot genau untersucht hatte, »verstopfen wir hier nur die größten Lecks mit den mitgenommenen Wergpfropfen.«
»Wie bringen wir sie zum Rio Sealand?«
»Wir nehmen sie ins Schlepptau und fahren mit der ersten Flut den East-river bis zum See hoch.«
Die Ausbesserungsarbeiten waren gegen Abend beendet. Die Nacht verbrachten sie in einer der zahlreichen Grotten. Am frühen Morgen banden sie die Schaluppe an die Jolle und fuhren mit der eintretenden Flut los. Aber sie mußten noch eine
Nacht im Freien verbringen, da Evans nicht zu überreden war, die Nachtfahrt zu wagen.
»Machen wir jetzt keine Kapriolen mehr, sonst verscherzen wir die letzte Möglichkeit, von hier wegzukommen.«
Am nächsten Tag gegen 17 Uhr war das Unternehmen glücklich beendet.
»Was macht Doniphan?« war die erste Frage.
»Es geht ihm besser. Die Lunge hat doch nichts abbekommen, er kann schon wieder voll durchatmen«, antwortete Kate strahlend.
»Wunderbar! Bis wir die Schaluppe fahrbereit haben, wird er wieder gesund sein!«
»Ja, es ist nur noch eine Frage der Zeit!«
Evans überwachte die Ausbesserungsarbeiten, die schnell vorangingen. Es fehlte weder am nötigen Material noch an den Werkzeugen. Die Fugen wurden mit dem alten, eingedickten Fichtensaft und dem darin eingeweichten Werg vollständig abgedichtet.
»Die Bramstenge der Sloughi wird unser Großmast. Kate soll aus der Reserve-Brigantine der Jacht ein Focksegel nähen. Außerdem sollten wir die Hälfte der Schaluppe überdachen, damit bei Regen oder Sturm die Kleinsten geschützt sind.«
Die Vorschläge Evans wurden peinlich genau ausgeführt. Nach 30 Tagen war die Arbeit beendet. Moko sorgte für ausreichenden Proviant, der wiedergenesene Doniphan verpackte den eventuell notwendig werdenden Schießbedarf, Gordon verstaute das von der Sloughi herübergerettete Geld, Briant sorgte für die Kleidungsstücke und die
Bibliothek, Wilcox für die nautischen Instrumente, die jetzt besonders entscheidend werden konnten. Gordon ließ das Süßwasser in 10 kleine Fässer abfüllen, er verstaute auch die Vorräte an Gin, Brandy und den auf der Insel Chairman hergestellten Likören.
Am 3. Februar war die Schaluppe beladen. Die Abfahrt wurde auf den 5. festgelegt. Am Vorabend setzte Gordon die im Laufe der Zeit gefangenen Haustiere wieder in Freiheit. Am nächsten Morgen schifften sich die Kinder auf der Schaluppe ein, die Jolle wurde ins Schlepptau genommen. Evans saß am Steuer, Briant und Moko hielten vorne die Schoten der Segel. Der Wind wehte günstig, es ging sehr schnell voran. Auf der Höhe der Schlammlache mußte Evans Anker werfen.
»Warten wir die nächste Ebbe ab!«
Dieser Stopp dauerte 6 Stunden. Die Reisenden benutzten die Zeit zum Frühstücken. Vom Heck der Schaluppe aus gelang es Doniphan sogar, ein paar fette Tinamus zu erlegen.
»Nun schießt er wieder, Gott sei Dank«, sagte Briant. Erst spät abends erreichten sie die Mündung des Rio in die Bai.
»Warten wir den anderen Tag ab«, entschied der überaus vorsichtige Evans.
Die Nacht verlief ruhig. In der Sloughi-Bai herrschte tiefes Schweigen, das nur manchmal vom Krächzen der Felstauben und Möwen unterbrochen wurde.
Frühmorgens ließ dann Evans alle 3 Segel setzen. Der Anker wurde gelichtet, die Schaluppe trieb ins offene Meer hinaus. Am nördlichen
Horizont versank der letzte Ausläufer des Auckland-hill.
30
Die Fahrt durch die Kanäle des Magellanischen Archipels verlief ohne Zwischenfall. Unter günstigen Winden fuhr die Schaluppe am 11. Februar durch den Smyth-Sund, rechts erhob sich die St.-Anna- Spitze, links ragten jene Gletscher in die Höhe, die Briant vom Osten der Insel Hannover undeutlich wahrgenommen hatte. Am 12. erreichte man die Insel Tamar, deren Hafenbucht verlassen war. Evans schlug deshalb vor, Cap Tamar zu umschiffen und in südwestlicher Richtung durch die Magellan-Straße zu fahren. Am Morgen des 13. rief Service: