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Thom konnte eine Gaststube betreten, eine Geschichte erzählen, vielleicht etwas jonglieren, und ihn dann wieder verlassen, und er wusste genau, was jeden Mann dort beschäftigte. Mat vertraute auch Juilin — er war darin fast so gut wie Thom, auch ohne zu jonglieren oder Geschichten zu erzählen —, aber Juilin bestand immer darauf, Thera mitzunehmen, die sich geziert an seinem Arm festklammerte, wenn sie eine Stadt betraten. Damit sie sich wieder an ihre Freiheit gewöhnte, sagte er. Sie lächelte zu Juilin hinauf, ihre großen Augen leuchteten dunkel, und der volle kleine Mund bettelte darum, geküsst zu werden. Vielleicht war sie die Panarchin von Tarabon gewesen, so wie Juilin und Thom behaupteten, aber Mat fing an, daran zu zweifeln. Er hatte ein paar der Verrenkungskünstler darüber Witze reißen hören, wie die tarabonische Dienerin den tairenischen Diebefänger auslaugte, bis er kaum noch gehen konnte. Ob Thera aber nun Panarchin oder Dienerin war, sie fing noch immer an, sofort auf die Knie zu gehen, sobald sie einen lang gezogenen Akzent hörte. Mat ging davon aus, dass jeder Seanchaner, der ihr eine Frage stellte, ihr ganzes Wissen mitgeteilt bekommen würde, angefangen mit Juilin Sandar bis zu dem Wagen, in dem die Aes Sedai wohnten, und sie würde alle Antworten auf den Knien heraussprudeln. Seiner Meinung nach war Thera eine größere Gefahr als die Aes Sedai und Sul'dam zusammen. Aber Juilin sträubte sich bei der kleinsten Andeutung, seine Frau könnte unzuverlässig sein, und ließ den Bambusstab herumwirbeln, als wollte er Mat damit den Schädel einschlagen. Es gab keine Lösung, aber Mat fand einen Notbehelf, eine Methode, eine kleine Vorwarnung zu bekommen, falls das Schlimmste geschah.

»Natürlich kann ich ihnen folgen«, sagte Noal mit einem zahnlückigen Grinsen, das besagte, dass er es für ein Kinderspiel hielt. Er legte einen knotigen Finger an die schiefe Nase und schob die andere knubbelige Hand unter den Mantel, wo er seine Messer aufbewahrte. »Seid Ihr sicher, dass es nicht besser wäre, einfach dafür zu sorgen, dass sie mit keinem reden kann? Nur ein Vorschlag, mein Junge. Wenn Ihr Nein sagt, dann nicht.« Mat sagte ganz entschieden Nein. Er hatte in seinem Leben eine Frau getötet und eine andere zurückgelassen, damit man sie abschlachten konnte. Er würde keinen dritten Mord auf sein Gewissen laden.

»Es hat den Anschein, als hätte Suroth eine Allianz mit irgendeinem König geschlossen«, berichtete Juilin mit einem Lächeln bei einem Becher Wein. Immerhin schien Thera ihn öfter lächeln zu lassen. Sie hockte in dem engen Zelt neben Juilins Hocker, den Kopf auf seinen Schoß gelegt, und er streichelte ihr mit der freien Hand sanft über den Kopf. »Zumindest wird viel über einen mächtigen neuen Verbündeten gesprochen. Und diese Siedler haben alle schreckliche Angst vor den Aiel.«

»Die meisten Siedler scheinen nach Osten geschickt worden zu sein«, sagte Thom und schaute traurig in seinen Becher. Wo Juilin jeden Tag einen glücklicheren Eindruck machte, schien er trauriger zu werden. Noal war unterwegs und beschattete Juilin und Thera, und Lopin und Nerim saßen mit untergeschlagenen Beinen im hinteren Teil des Zeltes, aber die beiden Cairhiener hatten ihre Nähkörbe geholt und sahen Mats gute Mäntel aus Ebou Dar nach möglicherweise nötigen Ausbesserungen durch, sodass das kleine Zelt wieder überfüllt wirkte. »Und auch viele Soldaten«, fuhr Thom fort. »Alle sagen, sie werden wie ein Hammer auf Illian niedersausen.«

Nun, wenigstens wusste Mat, dass er die ungeschönte Wahrheit hörte, wenn sie von den beiden kam. Keine Aes Sedai, die die Worte auf den Kopf stellten, oder Sul'dam, die versuchten, sich bei ihm einzuschmeicheln. Bethamin und Seta hatten sogar gelernt, wie man einen Knicks machte. Irgendwie fühlte er sich wohler, wenn Renna sich bei ihrer Verbeugung fast doppelt schlug. Es erschien ehrlich. Seltsam, aber ehrlich.

Er selbst sah sich in den Dörfern und Städten nur rasch um, mit hochgeschlagenem Kragen und in die Stirn gezogener Mütze, bevor er zurück zum Zirkus eilte. Er trug nur selten einen Umhang. Ein Umhang konnte ihn daran hindern, die Messer einzusetzen, die er am Leib trug. Nicht, dass er erwartete, sie benutzen zu müssen. Es war nur eine angebrachte Vorsichtsmaßnahme. Es wurde weder getrunken noch getanzt und auch nicht gespielt. Vor allem nicht gespielt. Der Klang rollender Würfel auf einem Tisch im Gemeinschaftsraum eines Dorfgasthofs zog ihn an, aber seine Art von Glück bei den Würfeln würde unweigerlich Aufmerksamkeit auf sich ziehen, selbst wenn es nicht dazu führte, dass jemand ein Messer zog, und in diesem Teil von Altara trugen sowohl Männer wie auch Frauen Messer im Gürtel und waren bereit, sie auch zu benutzen. Er wollte unbemerkt bleiben, also ging er an den Würfelspielen vorbei, nickte den Schankmädchen, die ihn anlächelten, kühl zu und trank nie mehr als einen Becher Wein und für gewöhnlich nicht einmal den. Schließlich wartete beim Zirkus Arbeit auf ihn. Jedenfalls eine gewisse Art von Arbeit. Er hatte am ersten Abend nach dem Aufbruch von Ebou Dar damit begonnen, und es war eine harte Arbeit.

»Ihr müsst mich begleiten, ich brauche Euch«, hatte er gesagt und den Schrank geöffnet, der unter seinem Bett in die Wagenseite eingearbeitet war. Dort bewahrte er die Truhe mit seinem Gold auf, das er auf ehrliche Weise beim Glücksspiel verdient hatte. Jedenfalls so ehrlich, wie es möglich gewesen war. Der größte Teil stammte aus einem Pferderennen, und sein Glück war nicht besser als das eines jeden Mannes, wenn es um Pferde ging. Was den Rest betraf... Wenn ein Mann die Würfel werfen oder Karten spielen oder Münzen schnippen wollte, dann musste er bereit sein zu verlieren. Domon, der auf dem gegenüberliegenden Bett saß und sich mit der Hand über die Haarstoppeln auf seinem rasierten Schädel rieb, hatte diese Lektion gelernt. Der Bursche hätte bereit sein müssen, wie ein guter So'jhin auf dem Boden zu schlafen, aber am Anfang hatte er darauf bestanden, jeden Abend um das zweite Bett eine Münze zu werfen. Egeanin bekam natürlich das erste. Münzen zu werfen war genauso einfach wie zu würfeln. Solange die Münze nicht auf der Kante landete, was ihm gelegentlich passierte. Aber Domon hatte den Vorschlag gemacht, nicht er. Bis Mat viermal hintereinander gewonnen hatte, und am fünften Abend landete die Münze auf der Kante, dreimal hintereinander. Mittlerweile wechselten sie sich ab. Aber in dieser Nacht war Domon mit dem Boden dran.

Mat fand den kleinen Beutel aus Waschleder, stopfte ihn sich in die Manteltasche, stand auf und drückte den Schrank mit dem Fuß zu. »Irgendwann müsst Ihr Tuon gegenübertreten«, sagte er. »Und ich brauche Euch, um die Dinge zu glätten.« Er brauchte jemanden, der Tuons Zorn auf sich lenken konnte, jemanden, der ihn vergleichsweise akzeptabel aussehen ließ, aber das konnte er wohl kaum sagen, oder? »Ihr seid eine seanchanische Adlige, und Ihr könnt mich daran hindern, dummes Zeug zu reden.«

»Warum müsst Ihr die Dinge glätten?« Egeanins Akzent war so hart wie eine Säge. Sie stand mit in die Hüften gestemmten Fäusten in der Wagentür, die blauen Augen unter der langen schwarzen Perücke funkelten wild. »Warum müsst Ihr sie sehen? Habt Ihr nicht schon genug angerichtet?«

»Sagt mir nicht, Ihr habt Angst vor ihr«, spottete Mat und wich der Frage aus. Welche Antwort sollte er auch geben, die nicht völlig verrückt klang? »Ihr könntet sie Euch genauso leicht unter den Arm klemmen wie ich. Aber ich verspreche, ich werde nicht zulassen, dass sie Euch den Kopf abschlagen oder Euch prügeln lässt.«

»Egeanin keine Angst haben vor gar nichts«, knurrte Domon beschützend. »Wenn sie nicht gehen will, dann zieht Ihr allein los, um das Mädchen zu umwerben. Bleibt über Nacht, wenn Ihr wollt.«