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Er begegnete Selucias kaltem Blick mit einem Lächeln und riss den Hut herunter, um vor Tuon einen eleganten Kratzfuß zu machen. Nichts Übertriebenes, nur mit einem kleinen Herumwirbeln des Umhangs. »Seid Ihr zum Einkaufen bereit?« Beinahe hätte er sie meine Lady genannt, aber solange sie nicht bereit war, seinen Namen...

»Ich bin schon seit einer Stunde bereit, Spielzeug«, erwiderte Tuon kühl. Sie ergriff seinen Umhang an einer Ekke, hob sie hoch und betrachtete das rote Futter und seinen Mantel, bevor sie den Umhang wieder losließ. »Spitze steht Euch. Vielleicht lasse ich Eure Gewänder mit Spitze schmücken, wenn ich Euch zu einem Pokalträger mache.«

Einen Augenblick lang ließ ihn sein Lächeln im Stich. Konnte sie ihn auch dann noch zu einem Da'covale machen, wenn sie ihn heiratete? Er würde Egeanin danach fragen müssen. Beim Licht, warum konnten es Frauen einem niemals leicht machen?

»Soll ich Euch begleiten, mein Lord?«, fragte Gorderan langsam, der sich jetzt bemühte, die Frauen nicht direkt anzuschauen. Er schob die Daumen hinter den Gürtel und bemühte sich, auch Mat nicht direkt anzusehen. »Zum Tragen vielleicht?«

Tuon sagte kein Wort. Sie stand einfach da und schaute zu Mat hoch, abwartend, mit ihren großen Augen, deren Blick mit jeder Sekunde kühler wurde. Die Würfel rollten und klapperten in seinem Kopf. Nun, er zögerte nur einen Herzschlag lang, bevor er die Rotwaffe mit einer Kopfbewegung fortschickte. Vielleicht waren es auch zwei Herzschläge. Er musste seinem Glück vertrauen. Ihrem Wort vertrauen. Vertrauen ist das Geräusch des Todes. Er trat hart auf diesen Gedanken. Das hier war kein Lied, und keine alte Erinnerung konnte ihn führen. Die Würfel in seinem Kopf rollten weiter.

Mit einer leichten Verbeugung bot er ihr den Arm, den Tuon betrachtete, als hätte sie noch nie zuvor einen Arm gesehen; sie schürzte die vollen Lippen. Dann ergriff sie ihren Umhang und ging mit Selucia im Schlepptau los, sodass er hinter ihr hereilen musste. Nein, Frauen machten es einem nie leicht.

Trotz der frühen Stunde bewachten bereits zwei stämmige Burschen mit Keulen den Eingang, ein dritter hielt einen Glaskrug für die Münzen, die dann durch den Schlitz der mit Eisen beschlagenen Truhe am Boden geworfen wurden. Sie sahen alle zu ungeschickt aus, um ein Kupferstück zu stehlen, ohne dabei aufs Gesicht zu fallen, aber Luca ging kein Risiko ein. Es warteten bereits zwanzig oder dreißig Leute innerhalb der schweren Taue, die zum Eingang führten, und unglücklicherweise war auch Latelle da; ihr Kleid war mit blutrotem Flitter verziert, ihr Umhang mit blauem. Lucas Frau dressierte Bären. Mat glaubte, dass die Bären ihre Kunststücke vorführten, weil sie Angst hatten, von ihr gebissen zu werden.

»Ich habe alles im Griff«, sagte er zu ihr. »Glaubt mir, es gibt keinen Grund zur Sorge.« Er hätte sich seinen Atem genauso gut sparen können.

Latelle ignorierte ihn und warf Tuon und Selucia besorgte Blicke zu. Sie und ihr Mann waren die Einzigen vom Wanderzirkus, die wussten, wer sie wirklich waren. Es hatte keinen Grund gegeben, sie von dem morgendlichen Ausflug in Kenntnis zu setzen. Luca wäre ausgerastet. Der Blick, den Latelle für Mat übrig hatte, war nicht besorgt, sondern nur so hart wie ein Stein. »Vergesst nicht«, sagte sie leise, »wenn Ihr uns zum Galgen schickt, dann geht Ihr mit.« Dann schnaubte sie und musterte wieder die Leute, die auf den Einlass warteten. Latelle war sogar noch besser als Luca darin, das Gewicht eines Geldbeutels zu schätzen, bevor die Schnüre geöffnet wurden. Außerdem war sie zehnmal so hart wie ihr Mann. Die Würfel rollten weiter. Was auch immer sie in Bewegung gesetzt hatte, Mat hatte noch nicht den schicksalhaften Augenblick erreicht. Den entscheidenden Augenblick.

»Sie ist eine gute Frau für Meister Luca«, murmelte Tuon, als sie sich ein Stück weit entfernt hatten.

Mat sah sie von der Seite an und rückte den Hut auf seinem Kopf zurecht. In ihrem Tonfall hatte kein Spott gelegen. Hasste sie Luca denn so sehr? Oder verkündete sie, welche Art von Ehefrau sie sein würde? Oder... Sollte man ihn doch zu Asche verbrennen, wenn er versuchte, diese Frau zu enträtseln, würde er noch genauso verrückt werden, wie Domon ihn schon hielt. Sie musste der Grund für die Würfel in seinem Kopf sein. Was würde sie tun?

Es war ein kurzer Weg im Licht der aufgehenden Sonne bis zur Stadt, auf einer ungepflasterten Straße, die über baumlose Hügel führte, aber auf ihr wimmelte es von Leuten, so wie es auf den Hügeln von Windmühlen und Salzteichen wimmelte. Sie starrten stur geradeaus und bewegten sich so zielgerichtet, dass sie niemanden vor sich wahrzunehmen schienen. Mat ging um einen Mann mit einem Mondgesicht herum, der beinahe in ihn hineingelaufen wäre, was wiederum dazu führte, dass er einem weißhaarigen alten Burschen aus dem Weg springen musste, der auf dürren Beinen ein beachtliches Tempo vorlegte. Das brachte ihn direkt vor ein fettes Mädchen, das mit ihm zusammengestoßen wäre, wäre er nicht erneut zur Seite gesprungen.

»Übt Ihr einen Tanz, Spielzeug?«, sagte Tuon und schaute über eine schlanke Schulter zu ihm hoch. Ihr Atem gefror vor der Kapuze zu einem unscheinbaren weißen Wölkchen. »Er ist nicht sehr anmutig.«

Er öffnete den Mund, um sie darauf hinzuweisen, wie belebt die Straße war, und plötzlich wurde ihm bewusst, dass da nur noch sie und Selucia waren. Die Leute, die gerade noch dort gegangen waren, waren verschwunden, die vor ihnen liegende Straße lag bis zur nächsten Biegung verlassen da. Langsam drehte er den Kopf. Zwischen ihm und dem Wanderzirkus war auch keiner, nur die Leute, die in der Schlange warteten, und die sah auch nicht länger als zuvor aus. Jenseits des Zirkus schlängelte sich die Straße in die Hügel und führte in Richtung eines in der Ferne liegenden Waldes, und sie war leer. Es war nicht eine Menschenseele in Sicht. Er drückte die Finger gegen die Brust und tastete durch den Mantel nach dem Fuchskopf-Medaillon. Bloß ein Stück Silber an einer Lederschnur. Er wünschte sich, es wäre so kalt wie Eis gewesen. Tuon hob eine Braue. Selucias starrer Blick schalt ihn als einen Narren.

»Wenn wir hier herumstehen, kann ich Euch kein Kleid kaufen«, sagte er. Das war der Sinn dieser Expedition, sein Versprechen, für Tuon etwas Besseres zu finden als Kleider, die unförmig an ihr herunterhingen und sie wie ein Kind in einem Erwachsenenkleid aussehen ließen. Jedenfalls war er sich ziemlich sicher, dass er etwas dergleichen versprochen hatte, und sie war fest davon überzeugt. Die Nadelkunst der Zirkusnäherin fand Tuons Zustimmung, aber nicht der zur Verfügung stehende Stoff. Artistenkostüme glitzerten mit Flitter und Perlen und hellen Farben, aber der Stoff war für gewöhnlich der billigste, den sie finden konnten. Die Leute, die Besseren hatten, verwahrten ihn und benutzten ihn, bis er verschlissen war. Jurador machte sein Geld mit Salz, und mit Salz ließ sich viel Geld verdienen. Die Geschäfte der Stadt sollten jeden Stoff führen, den sich eine Frau nur wünschen konnte.