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Für nichts, dachte Mat düster. Er sank auf eines der Betten und stützte die Ellbogen auf die Knie, was ihm einen scharfen Blick von Latelle einbrachte. Vermutlich hielt allein Tuons Anwesenheit sie davon ab, ihm eine Kopfnuss zu verpassen!

Tuon hob entschieden die Hand, eine schwarze Porzellanpuppe, aber trotz des schäbigen und zu groß geratenen Kleids jeden Fingerbreit eine Königin. »Ihr werdet das nicht benutzen, außer in großer Not, Meister Luca. Großer Not!«

»Natürlich, Hochlady; natürlich.« Luca verbeugte sich so oft, dass es den Anschein hatte, als würde er gleich den Boden küssen.

Alles verdammt noch mal für nichts!

»Ich habe genau aufgeführt, wer nicht unter meinem Schutz steht, Spielzeug.« Tuon biss in einen Kuchen und strich sich mit einem Finger ganz langsam einen Krümel von der Lippe. »Könnt Ihr erraten, wessen Name die Liste anführt?« Sie lächelte. Es war kein bösartiges Lächeln. Sondern wieder eines jener Lächeln, die für sie selbst bestimmt waren, Amüsement oder Entzücken wegen etwas, das er nicht erkennen konnte. Plötzlich bemerkte er etwas. Der kleine Strauß Seidenrosen, den er ihr gegeben hatte, war an ihrer Schulter festgesteckt.

Mat fing an zu lachen; er konnte einfach nicht anders. Er warf den Hut auf den Boden und lachte. Trotz allem, trotz all seiner Bemühungen, kannte er diese Frau nicht im Mindesten! Nicht einmal annähernd! Er lachte, bis ihm die Rippen wehtaten.

30

Was der Eidstab leisten kann

Die Sonne stand am Horizont und machte den Turm der Weißen Burg in der Ferne zu einer perfekten Silhouette, aber die Kälte der vergangenen Nacht schien stärker zu werden, und die dunkelgrauen Wolken am Himmel kündeten von Neuschnee. Der Winter zog sich zurück, aber er klammerte sich noch zu einer Zeit fest, in der der Frühling längst hätte Einzug halten müssen, und er löste seinen Griff launenhaft. Der morgendliche Lärm drang in Egwenes Zelt, so isoliert von allem es auch stand. Das Lager schien zu vibrieren. Arbeiter würden Wasser von den Quellen bringen, dazu auf Karren Feuerholz und Holzkohle. Dienerinnen würden das Frühstück der Schwestern holen, und Novizinnen des zweiten Ranges zu dem ihren eilen, die des ersten und dritten aber zum Unterricht. Es war ein Tag von entscheidender Bedeutung, auch wenn das keiner von ihnen wusste. Vermutlich würde der heutige Tag das Ende der vorgetäuschten Verhandlungen bringen, die in Darein stattfanden, an einem Tisch unter einem Pavillon am Fuß der Brücke nach Tar Valon. Vorgetäuscht von beiden Seiten. Elaidas Kommandotrupps schlugen weiterhin frech auf beiden Seiten des Flusses zu. Auf jeden Fall würde das heutige Treffen das letzte für absehbare Zeit sein.

Egwene schaute auf ihr Frühstück nieder, seufzte und fischte einen kleinen schwarzen Flecken aus dem dampfenden Haferbrei, den sie ohne genau hinzusehen, ob es nun ein Kornkäfer war, an einer Leinenserviette abwischte. Wenn man nicht sicher sein konnte, dann machte man sich weniger Sorgen darüber, was noch in der Schüssel war. Sie schob einen Löffel voll in den Mund und versuchte sich auf die süßen Aprikosenstücke zu konzentrieren, die Chesa hineingetan hatte. Zersprang da etwas unter ihren Zähnen?

»Alles füttert den Magen, pflegte meine Mutter zu sagen, also achtet nicht darauf«, murmelte Chesa, als würde sie mit sich selbst sprechen. Auf diese Weise gab sie Egwene Ratschläge, ohne die Grenze zwischen Herrin und Dienerin zu überschreiten. Jedenfalls gab sie Ratschläge, wenn Halima nicht da war, und die andere Frau war an diesem Morgen in aller Frühe gegangen. Chesa saß auf einer Kleiderkiste, nur für den Fall, dass Egwene etwas haben wollte oder ein Botengang erledigt werden musste, aber gelegentlich wanderte ihr Blick zu dem Kleiderstapel, der heute zu den Waschfrauen gebracht werden sollte. Sie hatte keine Probleme damit, vor Egwenes Augen zu stopfen und zu flicken, aber nach ihren Regeln hätte das Sortieren der Wäsche die Grenze überschritten.

Egwene zwang die Grimasse von ihrem Gesicht und wollte der Frau sagen, sie solle frühstücken gehen — Chesa betrachtete es ebenfalls als Grenzüberschreitung, zu essen, bevor Egwene fertig war —, aber bevor sie den Mund öffnen konnte, drängte sich Nisao ins Zelt, vom Schein Saidars umgeben. Als die Eingangsplane zurückfiel, erhaschte Egwene einen Blick auf Sarin, Nisaos kahlen, schwarzbärtigen Klotz von Behüter, der draußen wartete. Die Kapuze der Schwester lag zurückgeschlagen auf ihren Schultern, sorgfältig so arrangiert, dass das gelbe Samtfutter zu sehen war, aber sie hielt den Umhang umklammert, als würde sie schwer unter der Kälte leiden. Sie sagte kein Wort, sondern warf Chesa nur einen scharfen Blick zu. Chesa wartete Egwenes Nicken ab, dann nahm sie ihren Umhang und eilte hinaus. Sie konnte das Licht der Macht zwar nicht wahrnehmen, aber sie wusste, wann Egwene allein sein wollte.

»Kairen Stang ist tot«, sagte Nisao ohne Vorwarnung. Ihr Antlitz war glatt, ihre Stimme beherrscht und kühl. Klein genug, dass sich Egwene groß vorkam, schien sie dazustehen, als wollte sie einen zusätzlichen Fingerbreit dazugewinnen. Für gewöhnlich tat Nisao das nicht. »Sieben Schwestern hatten sie bereits auf den Rückstand untersucht, bevor ich da war. Es besteht kein Zweifel, dass sie mit Saidin getötet wurde. Ihr Genick ist gebrochen. Zerschmettert. Als hätte man ihren Kopf einmal ganz herumgedreht. Wenigstens ist es schnell gegangen.« Nisao holte tief und unsicher Luft, dann erkannte sie, was sie da getan hatte, und stellte sich noch aufrechter hin. »Ihr Behüter ist zu einem Mord bereit. Jemand hat ihm einen Kräutertrank gegeben, um ihn in Schlaf zu versetzen, aber sobald er aufwacht, wird man ihn nur mühsam kontrollieren können.« Sie verzichtete auf die übliche abschätzige Art, die Gelbe so an sich hatten, wenn Kräuter erwähnt wurden, ein Zeichen dafür, wie aufgebracht sie war, wie reglos ihr Gesicht auch aussehen mochte.

Egwene legte den Löffel auf den kleinen Tisch und lehnte sich zurück. Plötzlich war ihr Stuhl nicht länger bequem. Die Nächstbeste nach Leane war jetzt Bode Cauthon. Eine Novizin. Sie versuchte nicht daran zu denken, was Bode sonst noch war. Nach den zusätzlichen Übungsstunden konnte Bode die Arbeit fast so gut wie Kairen erledigen. Fast. Aber das erwähnte sie nicht. Nisao kannte einige der Geheimnisse, aber nicht alle. »Anaiya, jetzt Kairen. Beide Blaue Ajah. Kennt Ihr eine weitere Verbindung zwischen ihnen?«

Nisao schüttelte den Kopf. »Anaiya war fünfzig oder sechzig Jahre lang Aes Sedai, als Kairen in die Burg kam, wenn ich mich recht entsinne. Vielleicht hatten sie gemeinsame Bekannte. Ich weiß es einfach nicht, Mutter.« Jetzt klang sie müde, ihre Schultern sackten leicht nach vorn. Ihre verstohlene Untersuchung von Anaiyas Tod hatte nirgendwo hingeführt, und sie musste wissen, dass Egwene Kairen mit auf die Liste setzen würde.

»Findet es heraus«, befahl Egwene. »Diskret.« Dieser zweite Mord würde für genug Unruhe sorgen, da musste sie sie nicht noch zusätzlich schüren. Einen Augenblick lang studierte sie die Schwester. Nisao mochte hinterher Entschuldigungen vorbringen, wenn etwas zur Tatsache geworden war, oder behaupten, dass sie ja von Anfang an gegen etwas gewesen war, aber bis dahin war sie immer das perfekte Vorbild für das Selbstbewusstsein und die absolute Sicherheit einer Gelben Ajah. Doch im Moment war das anders. »Gehen viele Schwestern umher und halten Saidar umarmt?«

»Ich habe einige bemerkt, Mutter«, sagte Nisao steif. Ihr Kinn hob sich mit einem Bruchteil Trotz. Aber einen Augenblick später erlosch der Glanz um sie. Sie zog den Umhang enger, als wäre ihr auf einmal kalt. »Ich bezweifle, dass es Kairen etwas genutzt hätte. Ihr Tod kam zu plötzlich. Aber es lässt einen sich... sicherer fühlen.«

Nachdem die kleine Frau gegangen war, saß Egwene da und rührte ihren Haferbrei mit dem Löffel um. Sie entdeckte keine weiteren schwarzen Flecken mehr, aber der Appetit war ihr vergangen. Schließlich stand sie auf, legte die siebenfarbige Stola um den Hals und warf sich den Umhang um. Heute würde sie nicht in Verzweiflung hier sitzen. Gerade am heutigen Tag musste sie ihrer Routine ganz genau folgen.