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Romanda führte den Tee an die Lippen, dann hielt sie die Tasse wortlos auf der Untertasse zur Seite. Theodrin schoss aus der Ecke herbei, um die Tasse zum Tablett zu tragen und Honig hinzuzufügen, bevor sie sie wieder der Sitzenden brachte und sich in ihre Ecke zurückzog. Romanda probierte den Tee erneut und nickte zustimmend. Theodrins Gesicht rötete sich.

»Die Gespräche werden verlaufen, wie sie verlaufen werden«, sagte Egwene unbestimmt. Romanda hatte sich gegen jede Art von Verhandlungen ausgesprochen, ob sie nun vorgetäuscht waren oder nicht. Und sie wusste, was in der Nacht geschehen würde. Den Saal darüber im Unklaren zu lassen war als unnötiger Schlag ins Gesicht erschienen.

Der straffe Haarknoten in Romandas Nacken wippte, als sie nickte. »Eines haben sie uns bereits deutlich gezeigt. Elaida wird den Sitzenden, die in ihrem Namen sprechen, nicht erlauben, auch nur einen Fingerbreit nachzugeben. Sie hat sich in die Burg gekrallt wie eine Ratte in eine Wand. Die einzige Möglichkeit, sie da herauszubekommen, besteht darin, ihr Frettchen hinterherzuschicken.« Myrelle gab einen Laut von sich, was ihr einen überraschten Blick von Maigan einbrachte. Romandas Augen blieben unbewegt auf Egwene gerichtet.

»Elaida wird auf die eine oder andere Weise entfernt«, sagte Egwene beherrscht und stellte die Teetasse auf der Untertasse ab. Ihre Hand zitterte nicht. Was hatte die Frau erfahren? Und wie?

Romanda verzog das Gesicht, als sie trank, als würde dem Tee doch Honig fehlen. Vielleicht auch aus Enttäuschung, weil Egwene nicht mehr gesagt hatte. Die Frau setzte sich auf ihrem Hocker zurecht wie eine Schwertkämpferin, die sich auf ihren nächsten Angriff vorbereitete und die Klinge hob. »Ihr habt Dinge über die Kusinen gesagt, Mutter. Dass es nicht nur ein paar Dutzend, sondern über tausend sind. Dass einige von ihnen fünfhundert oder sechshundert Jahre alt sind.« Diese Unmöglichkeit ließ sie den Kopf schütteln. »Wie könnten so viele der Burg entkommen sein?« Das war keine Frage, sondern eine Herausforderung.

»Wir haben erst kürzlich in Erfahrung gebracht, wie viele Wilde es beim Meervolk gibt«, erwiderte Egwene ruhig. »Und wir sind uns noch immer nicht sicher, wie viele es genau sind.« Romanda verzog jetzt angewidert das Gesicht. Es waren Gelbe gewesen, die bestätigt hatten, dass es allein in Illian Hunderte von Wilden aus dem Meervolk gab. Der erste Treffer ging an Egwene.

Aber ein Treffer reichte nicht, um Romanda zu erledigen. Oder sie auch nur schwer zu verletzen. »Wir werden sie jagen und gefangen nehmen müssen, sobald unsere Arbeit hier getan ist«, sagte sie grimmig. »Ein paar Dutzend in Ebou Dar und Tar Valon unbehelligt zu lassen, damit wir Ausreißerinnen besser aufspüren können, war eine Sache, aber wir können unmöglich tausend Wilden erlauben, sich zu... organisieren.« In das letzte Wort, die Vorstellung, dass sich Wilde organisierten, legte sie weit mehr Verachtung als in den Rest. Myrelle und Maigan beobachteten alles genau und spitzten die Ohren. Maigan beugte sich sogar gespannt vorwärts. Keine wusste mehr als die Geschichten, die Egwene verbreitet hatte und von denen jedermann annahm, dass sie von Siuans Augen-und-Ohren stammten.

»Nun, es sind weit mehr als tausend«, korrigierte Egwene sie, »und nicht eine davon ist eine Wilde. Sie alle sind Frauen, die von der Burg fortgeschickt wurden, abgesehen von ein paar hundert Ausreißerinnen, die der Gefangenschaft entgangen sind.« Sie hob ihre Stimme nicht, aber sie brachte jedes Argument energisch vor und erwiderte Romandas Blick. »Wie dem auch sei, wie wollen wir sie Eurer Ansicht nach aufspüren? Es gibt sie in jedem Land, sie üben alle möglichen Berufe aus. Ebou Dar war der einzige Ort, in dem sie je bewusst zusammengekommen sind, und sie sind alle geflohen, als die Seanchaner einfielen. Seit den Trolloc-Kriegen haben die Kusinen die Burg nur das wissen lassen, was sie sie wissen lassen wollten. Zweitausend Jahre, die sie sich unter der Nase der Burg verborgen haben. Ihre Zahl ist angewachsen, während die der Burg abgenommen hat. Was schlagt Ihr vor, wie sollen wir sie jetzt finden unter all den Wilden da draußen, die die Burg immer ignoriert hat, weil sie ›zu alt‹ waren, um Novizinnen zu werden? Die Kusinen ragen in keiner Weise aus der Masse heraus, Romanda. Sie benutzen die Macht fast so oft wie die Aes Sedai, aber ihnen ist ihr Alter wie jedem anderen auch anzusehen, wenn auch nur langsamer. Wenn sie sich versteckt halten wollen, dann werden wir sie niemals finden.« Und das waren mehrere Treffer für Egwene, und sie hatte keinen einstecken müssen. Romandas Stirn glänzte vor Schweiß, bei einer Aes Sedai ein sicheres Anzeichen für Verzweiflung. Myrelle saß ganz still da, aber Maigan schien kurz davor zu stehen, von ihrem Hocker zu fallen, ganz egal, wie standfest er auch war.

Romanda befeuchtete sich die Lippen. »Wenn sie die Macht lenken, dann müssten sie auch das dazugehörige Aussehen haben. Wenn sie altern, können sie die Macht nicht sehr oft ergreifen. Und auf keinen Fall können sie fünfhundert oder gar sechshundert Jahre alt werden!« Anscheinend gab es keinen Raum mehr für Heimlichkeiten.

»Es gibt nur einen gravierenden Unterschied zwischen Aes Sedai und Kusinen«, sagte Egwene leise. Die Worte erschienen dennoch laut. Sogar Romanda schien die Luft anzuhalten. »Sie haben die Weiße Burg verlassen, bevor sie auf den Eidstab schwören konnten.« Da! Endlich war es ausgesprochen!

Romanda zuckte zusammen, als hätte sie einen tödlichen Schlag erhalten. »Ihr habt die Eide noch nicht abgelegt«, sagte sie heiser. »Wollt Ihr darauf verzichten? Wollt Ihr die Schwestern bitten, darauf zu verzichten?« Myrelle oder Maigan keuchte auf. Vielleicht auch alle beide.

»Nein!«, erwiderte Egwene scharf. »Die Drei Eide machen uns erst zu Aes Sedai, und ich werde auf den Eidstab schwören, sobald er uns gehört!« Sie holte tief Luft und milderte ihren Tonfall. Aber sie beugte sich der anderen Frau entgegen und versuchte sie mit einzuschließen. Sie zu überzeugen. Beinahe hätte sie die Hand ausgestreckt. »Im Moment ziehen sich Schwestern zurück, um ihre letzten Jahre in Frieden zu verbringen, Romanda. Wäre es nicht besser, wenn es nicht ihre letzten Jahre wären? Wenn die Schwestern sich bei den Kusinen zur Ruhe setzen würden, dann könnten sie die Kusinen an die Burg binden. Dann wäre auch eine sinnlose Jagd nicht nötig.« Sie war schon so weit gegangen, dann konnte sie auch genauso gut den letzten Schritt machen. »Der Eidstab kann binden, aber auch entbinden.«

Maigan landete mit einem dumpfen Knall auf den Knien und kämpfte sich vom Teppich hoch, dabei strich sie indigniert über die Röcke, als hätte man sie gestoßen. Myrelles dunkles Gesicht sah etwas blass aus.

Mit langsamen Bewegungen stellte Romanda ihre Tasse auf dem Rand des Schreibtischs ab, sie stand auf und richtete die Stola. Ausdruckslos schaute sie auf Egwene herunter, während Theodrin den gelbverzierten Umhang auf ihre Schultern legte, die goldene Spange schloss und die Falten so sorgfältig drapierte, wie es jede Zofe getan hätte. Erst dann ergriff Romanda wieder das Wort, und ihre Stimme klang wie Stein. »Als ich ein kleines Mädchen war, habe ich davon geträumt, Aes Sedai zu werden. Von dem Tag an, an dem ich die Weiße Burg betrat, habe ich versucht, wie eine Aes Sedai zu leben. Ich habe als Aes Sedai gelebt, und ich werde als Aes Sedai sterben. Das darf man nicht zulassen!«

Sie drehte sich anmutig um, stieß aber den Hocker um, auf dem sie gesessen hatte, anscheinend ohne es zu bemerken. Theodrin eilte ihr hinterher. Seltsamerweise mit besorgter Miene.

»Mutter?« Myrelle holte tief Luft, während sie an den grünen Röcken zupfte. »Mutter, schlagt Ihr allen Ernstes vor...« Sie verstummte, anscheinend unfähig, es auszusprechen. Maigan saß auf ihrem Hocker, als würde sie sich zwingen, sich nicht nach vorn zu beugen.

»Ich habe die Fakten genannt«, sagte Egwene ruhig.