Die Anregung zu »1922« gab das Sachbuch Wisconsin Death Trip (1973) mit Texten von Michael Lesy und Fotos aus der Kleinstadt Black River Falls, Wisconsin. Ich war von der ländlichen Einsamkeit dieser Aufnahmen und der Rauheit und den Entbehrungen auf den Gesichtern vieler der Abgebildeten beeindruckt. Diese Stimmung wollte ich in meine Story übernehmen.
Als ich im Jahr 2007 auf der Interstate 84 unterwegs war, um im Westen von Massachusetts Bücher zu signieren, hielt ich bei einer Raststätte, um eine typische Gesundheitsmahlzeit à la Steve King einzunehmen: eine Limo und einen Schokoriegel. Als ich aus dem Schnellimbiss kam, sah ich eine Frau mit einem Platten, die ernsthaft mit einem neben ihr parkenden Fernfahrer sprach. Er lächelte ihr zu und kletterte aus seinem Fahrerhaus.
»Kann ich irgendwas für Sie tun?«, fragte ich.
»Nein, nein, ich mach das schon«, sagte der Trucker.
Bestimmt hat die Lady ihren Reifen gewechselt bekommen. Ich bekam ein Three Musketiers und die Idee zu einer Story, aus der dann »Big Driver« wurde.
An meinem Wohnort Bangor gibt es eine am Flughafen vorbeiführende Straße, die Hammond Street Extension heißt. Wenn ich zu Hause bin, wandere ich jeden Tag drei bis vier Meilen und bin oft dort draußen unterwegs. Ungefähr auf halber Strecke liegt am Flughafenzaun eine mit Kies bestreuter kleine Fläche, auf der sich im Lauf der Jahre einige Straßenhändler etabliert haben. Mein Favorit, den die Einheimischen Golf Ball Guy nennen, kreuzt immer im Frühjahr auf. Sobald es warm wird, fährt Golf Ball Guy zum städtischen Golfplatz in Bangor hinaus und sammelt Hunderte von Golfbällen auf, die unter dem Schnee liegen geblieben sind. Er wirft die wirklich schlechten weg und verkauft
Die letzte Story dieses Bandes ist mir eingefallen, nachdem ich einen Artikel über Dennis Rader, den berüchtigten FFT-Mörder (fesseln, foltern und töten) gelesen hatte, der über ungefähr sechzehn Jahre hinweg zehn Menschen - vor allem Frauen, aber auch zwei Kinder - ermordet hatte. In vielen Fällen hatte er der Polizei Stücke von Ausweisen seiner Opfer geschickt. Paula Rader war vierunddreißig Jahre lang mit diesem Ungeheuer verheiratet, und in Wichita und Umgebung, wo Rader seine Opfer fand, wollen viele nicht glauben, sie habe mit ihm zusammenleben und keine Ahnung von seinen Untaten haben können. Ich habe es geglaubt - ich glaube es immer noch - und diese Erzählung geschrieben, um auszuloten, was in solch einem Fall passieren könnte, wenn die Ehefrau plötzlich auf das schreckliche Hobby ihres Mannes stieße. Ich habe sie auch geschrieben, um dem Gedanken nachzugehen, dass es unmöglich ist, jemanden ganz zu kennen - auch unsere Liebsten nicht.
Nun gut, jetzt sind wir lange genug hier unten im Dunkel gewesen, finde ich. Oben existiert eine ganze weitere Welt. Nehmen Sie meine Hand, treuer Leser, dann führe ich Sie gern in den Sonnenschein zurück. Ich gehe gern dorthin zurück, weil ich glaube, dass die meisten Menschen im Grunde genommen gut sind. Ich weiß, dass ich es bin.
Was Sie betrifft, bin ich mir da nicht ganz so sicher.
Bangor, Maine
23. Dezember 2009