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»Wenn Sie glauben, dort draußen säen und ernten zu können, irren Sie sich gewaltig. Wenn Sie auch nur ein einziges Saatkorn ausbringen, sehen wir uns vor Gericht wieder.«

»Ich bin mir sicher, dass Sie von ihr hören werden, sobald sie abgebrannt ist«, sagte ich.

In Wirklichkeit wollte ich sagen: Nein, das Land gehört nicht mir … aber auch nicht Ihnen. Es wird einfach dort draußen liegen. Und das ist in Ordnung, denn in sieben Jahren wird es mir gehören, wenn ich zum Gericht gehe, um sie amtlich für tot erklären zu lassen. Ich kann warten. Sieben Jahre, ohne Schweinemist zu riechen, wenn der Wind aus Westen kommt? Sieben Jahre, ohne die Schreie verendender Schweine (die den Schreien einer Sterbenden so ähnlich sind) zu hören oder ihre Eingeweide einen von ihrem Blut roten Bach hinabtreiben zu sehen? Das kommt mir wie sieben wundervolle Jahre vor.

»Noch einen schönen Tag, Mr. Lester, und nehmen Sie sich auf der Rückfahrt vor der Sonne in Acht. Sie brennt am Spätnachmittag ziemlich herunter, und Sie haben sie genau im Gesicht.«

Er stieg wortlos in den Lieferwagen. Lars winkte mir zu, und Lester blaffte ihn an. Lars bedachte ihn mit einem Blick, der zu sagen schien: Du kannst knurren und fauchen, so viel du willst, nach Hemingford City zurück sind’s trotzdem zwanzig Meilen.

Als von ihnen nur noch eine Staubfahne zu sehen war, kam Henry wieder auf die Veranda heraus. Er sah älter aus, wie ein junger Mann statt eines Jungen. »Hab ich es richtig gemacht, Papa?«

Ich ergriff sein Handgelenk, drückte es und tat so, als merkte ich nicht, wie das Fleisch unter meiner Hand sich vorübergehend versteifte, als müsste er den Impuls unterdrücken, es mir zu entziehen. »Genau richtig. Perfekt.«

»Füllen wir den Brunnen morgen auf?«

Ich dachte sorgfältig darüber nach, weil unser Leben davon abhängen konnte, wie ich mich entschied. Sheriff Jones wurde allmählich älter und schwergewichtiger. Er war nicht faul, aber es war schwierig, ihn ohne guten Grund dazu zu bringen, sich in Bewegung zu setzen. Lester würde Jones irgendwann davon überzeugen, dass er zu uns hinausfahren müsse, aber vermutlich nicht, bevor Lester dafür sorgte, dass einer der beiden quirligen Söhne Cole Farringtons den Sheriff anrief und ihn daran erinnerte, welche Firma der größte Steuerzahler in der Hemingford County war (von den benachbarten Countys Clay, Fillmore, York und Seward ganz zu schweigen). Trotzdem glaubte ich, dass uns noch mindestens zwei Tage blieben.

»Nicht morgen«, sagte ich. »Übermorgen.«

»Warum erst dann, Papa?«

»Weil der Sheriff rauskommen wird. Sheriff Jones ist zwar alt, aber nicht dumm. Ein bereits aufgefüllter Brunnen könnte ihn neugierig machen, warum er erst kürzlich aufgefüllt wurde und so. Aber einer, der gerade erst aufgefüllt wird … und das noch aus gutem Grund …«

»Welcher Grund? Sag schon!«

»Bald«, sagte ich. »Bald.«

Den ganzen nächsten Tag warteten wir auf eine auf unserer Straße heranbrodelnde Staubwolke, die nicht von Lars Olsens Lieferwagen, sondern vom Dienstwagen des County Sheriffs stammte. Aber sie kam nicht. Stattdessen kam Shannon Cotterie vorbei - die in ihrer Baumwollbluse und dem karierten Rock recht hübsch aussah -, um zu fragen, ob Henry wieder gesund sei und ob er mit ihr und ihrer Mama und ihrem Papa zu Abend essen könne, wenn er’s sei.

Henry sagte, er fühle sich wohl, und ich beobachtete mit großer Sorge, wie sie Hand in Hand die Straße entlang davongingen. Er hütete ein schreckliches Geheimnis, und schreckliche Geheimnisse wiegen schwer. Sie mit anderen teilen zu wollen ist die natürlichste Sache der Welt. Und er liebte das Mädchen (oder glaubte sie zu lieben, was aufs Gleiche herauskommt, wenn man noch keine 15 ist). Zu allem Übel musste er eine Lüge erzählen, und sie würde vielleicht erkennen, dass es eine Lüge war. Liebende Augen sind angeblich blind, aber das ist eine törichte Annahme. Manchmal sehen sie viel zu viel.

Ich jätete im Garten (und zog mehr Erbsen heraus als Unkraut), dann setzte ich mich auf die Veranda, rauchte eine Pfeife und wartete darauf, dass er zurückkam. Was kurz vor Mondaufgang der Fall war. Sein Kopf war gesenkt, seine Schultern hingen herab, und er schlurfte mehr, als er ging. Es tat mir weh, ihn so zu sehen, aber ich war

»Du hast es so erzählt, wie wir es beschlossen haben?«, fragte ich ihn, als er sich setzte.

»Wie du es beschlossen hast. Ja.«

»Und sie hat versprochen, ihren Eltern nichts zu sagen?«

»Ja.«

»Aber wird sie’s tun?«

Er seufzte. »Wahrscheinlich, ja. Sie liebt ihre Eltern, und die lieben sie. Sie werden etwas auf ihrem Gesicht sehen, schätze ich, und es aus ihr rauskriegen. Und selbst wenn sie’s nicht tun, wird sie’s vermutlich dem Sheriff erzählen. Das heißt, wenn er sich überhaupt die Mühe macht, mit den Cotteries zu reden.«

»Lester wird dafür sorgen, dass er das tut. Er wird Sheriff Jones ankläffen, weil seine Bosse in Omaha ihn ankläffen. So geht’s rundum im Kreis weiter, und wo alles endet, weiß niemand.«

»Wir hätten es nie tun sollen.« Er überlegte, dann wiederholte er den Satz, wobei er grimmig flüsterte.

Ich sagte nichts. Eine Zeit lang schwieg auch er. Wir beobachteten, wie der Mond rot und schwanger aus dem Mais aufstieg.

»Papa? Kann ich ein Glas Bier haben?«

Ich sah ihn an - überrascht und doch nicht überrascht. Dann stand ich auf, ging hinein und schenkte uns beiden ein Glas Bier ein. Ich gab ihm eines davon und sagte dabei: »Morgen oder übermorgen gibt’s keins, merk dir das.«

»Ist gut.« Er nippte, verzog das Gesicht und nahm dann einen kleinen Schluck. »Ich hab’s gehasst, Shan anzulügen, Papa. An der Sache ist alles schmutzig.«

»Schmutz lässt sich abwaschen.«

»Der nicht«, sagte er und nahm noch einen Schluck. Diesmal verzog er das Gesicht nicht mehr.

Kurze Zeit später, nachdem der Mond silbern geworden war, ging ich ums Haus, um den Abort zu benutzen und darauf zu horchen, wie der Mais und die Nachtbrise einander die alten Geheimnisse der Erde erzählten. Als ich auf die Veranda zurückkam, war Henry verschwunden. Sein Bierglas stand halb leer auf dem Geländer an der Treppe. Dann hörte ich ihn im Stall sagen: »Braves Mädchen. Brav.«

Ich ging hinüber, um nach ihm zu sehen. Er hatte die Arme um Elpis’ Hals geschlungen und streichelte sie. Ich glaubte zu sehen, dass er weinte. Ich beobachtete ihn eine Weile, sagte dann aber doch nichts. Ich ging ins Haus zurück, zog mich aus und legte mich in das Bett, in dem ich meiner Frau die Kehle durchgeschnitten hatte. Es dauerte lange, bis ich Schlaf fand. Und wenn Sie nicht den Grund verstehen, weshalb - alle Gründe, weshalb -, hat es keinen Zweck, dass Sie weiterlesen.

Ich hatte allen unseren Kühen die Namen griechischer Nebengöttinnen gegeben, aber Elpis erwies sich als schlechte Wahl - beziehungsweise eine Ironie des Schicksals. Sollte Ihnen entfallen sein, wie das Böse auf unsere traurige alte Welt gekommen ist, will ich es Ihnen ins Gedächtnis zurückrufen: Alles Böse entwich, als Pandora ihrer Neugier nachgab und die ihr zur Aufbewahrung anvertraute Büchse öffnete. Als sie so weit zu sich kam, dass sie den Deckel wieder schloss, befand sich nur noch Elpis, die Göttin der Hoffnung, in der Büchse. Aber in jenem Sommer 1922 gab es für unsere Elpis keine Hoffnung mehr. Sie war alt und griesgrämig, sie gab nicht mehr viel Milch, und wir hatten es fast aufgegeben, dieses bisschen zu melken, denn sobald

»Und sie wäre zäh«, hatte Arlette gesagt (die eine heimliche Zuneigung für Elpis empfunden hatte, vielleicht weil sie sie nie hatte melken müssen). »Lassen wir sie einfach friedlich weiterleben.« Aber nun hatten wir eine Verwendung für Elpis, und ihr Tod konnte einen weit nützlicheren Zweck erfüllen, als ein paar zähe Steaks zu liefern.

Zwei Tage nach Lesters Besuch legten mein Sohn und ich ihr ein Halfter an und führten sie um den Stall herum. Auf halbem Weg zum Brunnen blieb Henry stehen. Seine Augen glitzerten vor Verzweiflung. »Papa! Ich rieche sie!«