Nachdem ich alles mir Mögliche getan hatte, um eine Infektion zu verhindern, machte ich mich mit den Putzlumpen daran, das Erbrochene aufzuwischen. Gute Arbeit zu leisten war wichtig, denn wie jeder Farmer bestätigen kann, wird Raubwild von Erbrochenem ebenso stark angezogen wie von einer unsorgfältig abgedeckten Müllgrube. Waschbären und Waldmurmeltiere, versteht sich, aber vor allem Ratten. Ratten haben eine Vorliebe für das, was Menschen von sich geben.
Ich hatte ein paar Putzlappen übrig, aber diese ehemaligen Geschirrtücher aus Arlettes Küche waren für mein nächstes Vorhaben zu klein. Ich nahm die Sichel von ihrem Haken, ging mit der Lampe zum Holzstapel hinaus und hackte ein ausgefranstes Quadrat aus dem schweren Segeltuch, mit dem er abgedeckt war. Im Stall bückte ich mich und hielt die Lampe dicht an die Rohröffnung, weil ich sichergehen einziger Durchgang -, und sie würden ihn so lange sauber halten, wie sie ihr Geschäft noch draußen erledigen konnten.
Ich stopfte das Segeltuch ins Rohr. Es war so steif und sperrig, dass ich zuletzt den Besenstiel benutzen musste, um es ganz hineinzustopfen, aber ich schaffte es. »Da!«, sagte ich. »Mal sehen, wie euch das gefällt. Erstickt daran!«
Ich ging zurück, um noch einmal nach Achelois zu sehen. Sie stand still da, und als ich ihre Flanke tätschelte, bedachte sie mich mit einem milden Blick über die Schulter. Ich wusste damals wie heute, dass sie bloß eine Kuh war - Farmer hegen nur wenige romantische Vorstellungen von der Natur, werden Sie feststellen -, aber trotzdem ließ dieser Blick mir die Tränen in die Augen steigen, und ich musste ein Schluchzen unterdrücken. Ich weiß, dass du dein Bestes getan hast, besagte der Blick. Ich weiß, dass das alles nicht deine Schuld ist.
Aber es war meine.
Ich ging ins Haus zurück und schlich auf Zehenspitzen den Flur entlang. Hinter seiner geschlossenen Tür konnte ich Henry schnarchen hören. Ich rechnete damit, lange nicht einschlafen zu können, und wenn ich endlich schlief, würde ich von der Ratte träumen, die mit der rosigen Zitze in der Schnauze durchs Heu auf dem Stallboden zu ihrem Notausgang flitzte, aber ich schlief fast augenblicklich ein, und mein Schlaf war traumlos und erholsam zugleich. Als ich aufwachte, überflutete das Morgenlicht den Raum, und ich hatte den Verwesungsgeruch der Leiche meiner Frau dick
Ich erwartete, dass der Rattenbiss sich trotz der Salbe entzünden würde, was aber nicht der Fall war. Achelois sollte später in jenem Jahr verenden, aber nicht deshalb. Sie gab jedoch nie mehr Milch; keinen einzigen Tropfen. Ich hätte sie schlachten lassen sollen, aber das brachte ich nicht übers Herz. Sie hatte durch meine Schuld zu viel durchleiden müssen.
Am nächsten Tag gab ich Henry eine Einkaufsliste und wies ihn an, mit dem Lastwagen nach Hemingford Home zu fahren und die aufgeschriebenen Sachen zu holen. Auf seinem Gesicht erschien ein verblüfftes breites Grinsen.
»Mit dem Lastwagen? Ich? Ganz allein?«
»Du kennst immer noch alle Vorwärtsgänge? Und kannst immer noch den Rückwärtsgang finden?«
»Klar doch, Mann!«
»Dann bist du schon so weit, finde ich. Vielleicht noch nicht für Omaha - oder auch nur Lincoln -, aber wenn du langsam fährst, müsstest du in Hemingford Home gut zurechtkommen.«
»Danke!« Er umarmte mich überschwänglich und küsste mich auf die Wange. Einen Augenblick lang schienen wir wieder Freunde zu sein. Ich ließ mich das sogar ein wenig glauben, obwohl ich es im Innersten besser wusste. Wir hatten jetzt etwas zwischen uns. Der Beweis mochte unter der Erde liegen, aber zwischen uns stand die Wahrheit - jetzt und für alle Zeiten.
Ich gab ihm eine lederne Geldbörse. »Die hat deinem Großvater gehört. Am besten behältst du sie gleich ganz; ich wollte sie dir ohnehin im Herbst zum Geburtstag schenken. Sollte etwas von dem Geld darin übrig bleiben, kannst du’s behalten.« Beinahe hätte ich hinzugefügt: und bring keine streunenden Hunde mit nach Hause, konnte es mir aber gerade noch verkneifen. Das war immer die witzig gemeinte Standardermahnung seiner Mutter gewesen.
Er setzte dazu an, mir nochmals zu danken, schaffte es aber nicht. Es war wohl alles einfach zu viel.
»Auf der Rückfahrt machst du bei Lars Olsens Schmiede halt, um zu tanken. Vergiss das nicht, sonst bist du zu Fuß statt hinter dem Lenkrad, wenn du heimkommst.«
»Ich denke daran. Und, Papa?«
»Ja.«
Er trat von einem Fuß auf den anderen und sah mich dann schüchtern an. »Kann ich bei den Cotteries vorbeifahren und Shan fragen, ob sie mitkommen mag?«
»Nein«, sagte ich, und er machte schon ein langes Gesicht, bevor ich hinzufügte: »Du fragst Sallie oder Harlan, ob Shan mitkommen darf. Und erzähl ihnen unbedingt, dass du zum ersten Mal allein in die Stadt fährst. Ich verlasse mich auf dein Ehrenwort, Sohn.«
Als ob wir beide noch eine Ehre gehabt hätten.
Ich stand am Tor und beobachtete, wie unser alter Lastwagen in einer Staubwolke verschwand. Mir steckte ein Kloß in der Kehle, den ich nicht hinunterschlucken konnte. Ich hatte die überaus starke, wenngleich törichte Vorahnung, dass ich ihn nie wiedersehen würde. So empfinden vermutlich die meisten Eltern, wenn sie ein Kind allein fortgehen oder wegfahren sehen und dabei erkennen, dass ein Kind, das alt genug ist, um Aufträge selbstständig auszuführen, eigentlich kein Kind mehr ist. Aber ich durfte mich nicht zu
Als Erstes sah ich nach Achelois, die zwar matt, aber nicht ernstlich krank wirkte. Dann kontrollierte ich das Eisenrohr. Es war weiter blockiert, aber ich machte mir keine Illusionen; es würde einige Zeit dauern, aber letztlich würden die Ratten sich durch das Segeltuch nagen. Ich musste bessere Arbeit leisten. Ich schleppte einen Sack Portlandzement zum Brunnen hinter dem Haus und rührte ihn in einem alten Eimer an. Während ich im Stall darauf wartete, dass der Mörtel dicker wurde, stopfte ich das Segeltuch tiefer ins Rohr hinein. Auf diese Weise machte ich gut einen halben Meter frei, den ich anschließend mit dem Mörtel verschloss. Bis Henry zurückkam (und das in bester Laune; er hatte Shannon tatsächlich mitgenommen, und das Wechselgeld hatte für das Eiscremesoda gereicht, das sie sich geteilt hatten), hatte er abgebunden. Vermutlich waren einige wenige Ratten auf Nahrungssuche außerhalb unterwegs gewesen, aber ich bezweifelte nicht, dass ich die meisten - auch die eine, die die arme Achelois verstümmelt hatte - dort unten im Dunkel eingemauert hatte. Und dort unten im Dunkel würden sie verenden. Wenn sie nicht erstickten, dann würden sie verhungern, sobald ihr entsetzlicher Nahrungsvorrat erschöpft war.
Das glaubte ich zumindest.
In den Jahren zwischen 1916 und 1922 ging es in Nebraska selbst dummen Farmern gut. Harlan Cotterie, der keineswegs dumm war (und nur drei Mäuler zu stopfen hatte), war erfolgreicher als die meisten, wie seine Farm eindrucksvoll Mir hat er den Hof gemacht, das stimmt - mit matter, ausdrucksloser Stimme, die so gar nicht zu ihr passte, ohne mich weiter zu beachten, während sie die Silhouette des Mähdreschers und die hinter ihm herstapfenden Aufklauber betrachtete.
Es war gegen Ende September, als die Maisernte nach einem harten Jahr Arbeit bereits eingebracht war, während es im Garten noch viel zu ernten gab. Als Shannon an einem Samstagnachmittag unter der Dusche stand, kam ihre Mutter mit einem Armvoll Wäsche, die sie vorzeitig von der Leine genommen hatte, weil es nach Regen aussah, den rückwärtigen Flur entlang. Shannon glaubte vermutlich, sie hätte die Badezimmertür ganz zugemacht - die meisten Frauen wollen bei der Körperpflege im Bad allein sein, und als der Sommer 1922 in den Herbst überging, hatte Shannon Cotterie dazu noch einen speziellen Grund -, aber vielleicht war sie aufgesprungen und stand halb offen. Ihre Mutter sah zufällig hinein, und obwohl das alte Laken, das jetzt als Duschvorhang diente, ganz um die U-förmige Schiene herumgezogen war, hatte der Wasserstaub es durchscheinend Gestalt des Mädchens, diesmal ohne eines der weiten Quäkerkleider, das ihre Umrisse verbarg. Ein einziger Blick genügte. Shannon war im fünften Monat oder kurz davor; sie hätte ihr süßes Geheimnis vermutlich ohnehin nicht mehr lange verbergen können.