Выбрать главу

»Deine?«, fragte Tom.

»Du weißt, dass es sie ist.«

»Was ist mit dem Augenbrauenstift?«

»Diese Dinger werden in Drugstores in ganz Amerika zu Tausenden ver…«

»Ist das deine?«

»Ja. Das ist meine.«

»Bist du jetzt überzeugt?«

»Ich …« Tess schluckte trocken. Sie empfand etwas, aber sie wusste nicht genau, was. Erleichterung? Entsetzen? Beides? »Ich denke schon. Aber warum? Wieso waren beide darin verwickelt?«

Tom gab keine Antwort. Das war auch überflüssig. Doreen hätte es vielleicht nicht gewusst (oder es nicht zugeben wollen, weil die alten Ladys, die ihren Abenteuern nachgingen, kein ekliges Zeug mochten), aber Tess glaubte es zu wissen. Weil Mama beide versaut hatte. Das würde ein Psychiater sagen. Lester war der Vergewaltiger gewesen; Alvin war der Fetischist gewesen, der indirekt daran partizipiert hatte. Vielleicht hatte er bei einer oder sogar beiden Frauen in der Röhre mitgeholfen. Was sie aber niemals mit Sicherheit wissen würde.

»Das ganze Haus zu durchsuchen würde vermutlich bis Tagesanbruch dauern«, sagte Tom, »aber du kannst den Rest dieses Raums unter die Lupe nehmen, Tessa Jean. Wahrscheinlich hat er alles aus der Handtasche vernichtet - die Kreditkarten zerschnitten und in den Colewich River geworfen, würde ich mal vermuten -, aber du musst sichergehen, weil irgendetwas mit deinem Namen darauf die Polizei geradewegs zu dir führen würde. Fang mit dem Schrank an.«

In dem Einbauschrank fand Tess weder ihre Kreditkarten noch sonst etwas, was ihr gehörte, aber sie fand etwas anderes. Es lag im obersten Fach. Sie stieg von dem Stuhl, auf dem sie gestanden hatte, herab und betrachtete es mit wachsender Verzweiflung: eine Plüschente, die einst das Lieblingsspielzeug eines Kindes gewesen sein mochte. Sie hatte nur noch ein Auge, und ihr Nylonplüsch war verfilzt. An einigen Stellen fehlte er sogar ganz, als wäre die Ente halb totgeschmust worden.

Der verblasste gelbe Schnabel hatte einen dunklen kastanienbraunen Fleck.

»Ist es das, was ich vermute?«, fragte Tom.

»Oh, Tom, ich fürchte, ja.«

»Die Leichen, die du in der Wellblechröhre gesehen hast … war eine davon klein? Könnte es eine Kinderleiche gewesen sein?«

Nein, klein war keine der beiden gewesen. Aber vielleicht war der Durchlass unter der Stagg Road nicht das einzige Leichenversteck der Brüder Strehlke gewesen.

»Leg sie wieder hin, wo du sie gefunden hast. Die Polizei soll sie finden. Du musst dich davon überzeugen, dass er keinen Computer hat, in dem Zeug über dich gespeichert ist. Danach musst du schleunigst verschwinden.«

Etwas Feuchtkaltes schnüffelte an ihrer Hand. Sie hätte beinah aufgeschrien. Es war Goober, der mit glänzenden Augen zu ihr aufsah.

»Mehr Fleisch!«, sagte Goober, und Tess gab ihm noch etwas.

»Wenn Al Strehlke einen Computer hat«, sagte Tess, »kannst du dir sicher sein, dass er mit einem Passwort geschützt ist. Und seiner wird nicht eingeschaltet sein, damit ich darin herumschnüffeln kann.«

»Dann nimmst du ihn mit und wirfst ihn auf der Heimfahrt in den gottverdammten Fluss. Soll er doch bei den Fischen schlafen.«

Aber hier gab es keinen Computer.

An der Haustür verfütterte Tess das restliche Hackfleisch an Goober. Vielleicht würde er alles auf den Teppich kotzen, aber das würde Big Driver nicht mehr stören.

»Bist du nun zufrieden, Tessa Jean?«, fragte Tom. »Bist du jetzt davon überzeugt, keinen Unschuldigen getötet zu haben?«

Das würde sie wohl sein müssen, weil Selbstmord keine Option mehr zu sein schien. »Was ist mit Betsy Neal, Tom? Was ist mit ihr?«

Tom gab keine Antwort … weil das wieder überflüssig war. Schließlich war sie er.

Oder etwa nicht?

Das wusste Tess nicht genau. Aber spielte das eine Rolle, solange sie wusste, was sie als Nächstes zu tun hatte? Was morgen betraf, war das ein anderer Tag. Zumindest damit hatte Scarlett O’Hara recht gehabt.

Am wichtigsten war, dass die Polizei von den Frauenleichen in dem Durchlass unter der Straße erfahren musste. Und sei es nur, weil es Freunde und Angehörige gab, die sich ihretwegen noch sorgten. Außerdem auch …

»Weil die Plüschente darauf schließen lässt, dass es weitere geben könnte.«

Das war ihre eigene Stimme.

Und das war in Ordnung.

46

Um halb acht Uhr am folgenden Morgen, nach weniger als drei Stunden unruhigen, von Albträumen gestörten Schlafs, fuhr Tess ihren Computer hoch. Aber nicht, um zu schreiben. Nichts hätte ihr ferner liegen können.

War Betsy Neal ledig? Tess glaubte es. Sie hatte an jenem Tag in Neals Büro keinen Ehering bemerkt, den sie aber übersehen haben konnte, und dort hatte es auch keine Familienbilder gegeben. Das einzige Bild, an das sie sich erinnern konnte, war ein gerahmtes Foto von Barack Obama … und der war schon verheiratet. Also ja - Betsy Neal war vermutlich ledig oder geschieden. Und sie stand vermutlich nicht im Telefonbuch. In diesem Fall würde eine Computerrecherche ihr überhaupt nichts nutzen. Tess hätte natürlich zum Stagger Inn hinausfahren und sie dort aufsuchen

»Wieso machst du die Sache künstlich schwierig?«, fragte Fritzy vom Fensterbrett aus. »Sieh wenigstens im Telefonbuch von Colewich nach. Und was rieche ich da an dir? Ist das etwa Hund

»Ja. Das ist Goober.«

»Verräterin«, sagte Fritzy verächtlich.

Im Telefonbuch standen genau ein Dutzend Neals. Ein Eintrag lautete E Neal. E wie Elizabeth? Das ließ sich nur auf eine Weise feststellen.

Ohne zu zögern - jedes Zögern hätte ihr bestimmt den Mut geraubt -, tippte Tess die Nummer ein. Sie schwitzte, und ihr Herz jagte.

Das Telefon klingelte einmal. Zweimal.

Wahrscheinlich ist sie das nicht. Das könnte eine Edith Neal sein. Eine Edwina Neal. Sogar eine Elvira Neal.

Dreimal.

Wenn das Betsy Neals Telefon ist, dann ist sie bestimmt nicht zu Hause. Sie macht wahrscheinlich Urlaub in den Catskills …

Viermal.

… oder ist mit einem der Zombie Bakers zusammen, wie wäre das? Mit dem Lead-Gitarristen. Vielleicht singen sie unter der Dusche »Can Your Pussy Do the Dog?«, nachdem sie …

Am anderen Ende wurde abgenommen, und Tess erkannte die Stimme aus dem Hörer sofort.

»Hallo, hier ist der Anschluss von Betsy, aber ich kann gerade nicht ans Telefon kommen. Jetzt folgt ein Piepston, und ihr wisst, was ihr dann tun könnt. Schönen Tag noch.«

Ich hatte einen schlimmen Tag, danke, und die Nacht war noch weit …

Der Piepston kam, und Tess hörte sich sprechen, bevor sie überhaupt wusste, dass sie das wollte. »Hallo, Ms. Neal, hier ist Tessa Jean - die Willow-Grove-Lady? Wir haben uns im Stagger Inn kennengelernt. Sie haben mir mein TomTom zurückgegeben und mich um ein Autogramm für Ihre Oma gebeten. Sie haben gesehen, wie ich zugerichtet war, und ich habe Ihnen ein paar Lügen erzählt. Es war nicht mein Freund, Ms. Neal.« Tess begann rascher zu sprechen, weil sie fürchtete, das Tonband könnte zu Ende sein, bevor sie alles erzählt hatte … und entdeckte, dass sie unbedingt alles erzählen wollte. »Ich bin vergewaltigt worden, und das war schlimm, aber dann wollte ich mich dafür rächen und … Ich … ich muss mit Ihnen darüber reden, weil …«

Ein Klicken in der Leitung, dann hörte Tess Betsy Neals Stimme. »Fangen Sie noch mal von vorn an«, sagte sie, »aber reden Sie langsam. Ich schlafe noch halb.«