Streeter begutachtete den Tisch, sah nichts, was zu verkaufen war (außer vielleicht der Fernseher), und lächelte. »Ich kann nicht wirklich ein Kunde sein, Mr. …?«
»George Elvid«, sagte der pummelige Mann. Er stand auf und streckte eine ebenso pummelige Hand aus.
Streeter schüttelte sie. »Dave Streeter. Und ich kann nicht wirklich ein Kunde sein, weil ich keine Ahnung habe, was Sie verkaufen. Auf den ersten Blick habe ich gedacht, auf dem Schild stünde Haarverlängerung.«
»Wünschen Sie denn eine Haarverlängerung?«, fragte Elvid und musterte ihn kritisch. »Das frage ich, weil Ihres schütter zu werden scheint.«
»Bald ist es ganz weg«, sagte Streeter. »Ich mache eine Chemo.«
»Du meine Güte. Das tut mir leid.«
»Danke. Was eine Chemo allerdings nutzen soll, wenn …« Er zuckte mit den Achseln. Irgendwie staunte er darüber, wie leicht es war, solche Dinge einem Fremden anzuvertrauen. Er hatte noch nicht einmal seine Kinder eingeweiht, obwohl Janet natürlich Bescheid wusste.
»Keine großen Chancen?«, fragte Elvid. In seiner Stimme lag einfaches Mitgefühl - nicht mehr und nicht weniger -, und Streeter spürte, wie seine Augen sich mit Tränen füllten. Vor Janet zu weinen war ihm entsetzlich peinlich, und er hatte es nur zweimal getan. Hier, vor diesem Fremden, schien das in Ordnung zu sein. Trotzdem zog er sein Taschentuch aus der Hüfttasche und fuhr sich damit über die Augen. Über dem Flugplatz setzte jetzt ein Sportflugzeug zur Landung an. Vor der roten Sonne wirkte seine Silhouette wie ein schwebendes Kruzifix.
»Gar keine Chance, heißt es«, sagte Streeter. »Also ist die Chemo wohl nur … ich weiß nicht …«
»Augenwischerei?«
Streeter lachte. »Genau das ist sie!«
»Vielleicht sollten Sie daran denken, die Chemo gegen zusätzliche Schmerzmittel einzutauschen. Sie könnten aber auch einen kleinen Handel mit mir abschließen.«
»Wie ich anfangs schon gesagt habe, kann ich nicht wirklich ein Kunde sein, bevor ich weiß, was Sie verkaufen.«
»Na ja, die meisten Leute würden es Schlangenöl nennen«, sagte Elvid lächelnd und wippte hinter seinem Tisch auf den Fußballen. Streeter beobachtete mit gewisser Faszination, dass sein Schatten so lang und krank aussah wie sein eigener, obwohl George Elvid doch pummelig war. Aber wahrscheinlich sah jedermanns Schatten kurz vor Sonnenuntergang krank aus - vor allem im August, wenn das Ende der Tage sich schleichend lange hinauszog und irgendwie nicht ganz angenehm war.
»Ich sehe keine Fläschchen«, sagte Streeter.
Elvid stützte alle zehn Finger auf den Tisch, lehnte sich darauf und wirkte plötzlich geschäftsmäßig. »Ich verkaufe Verlängerungen«, sagte er.
»Was den Namen dieser Straße als hübschen Zufall erscheinen lässt.«
»So habe ich’s noch nie betrachtet, aber wahrscheinlich haben Sie recht. Obwohl manchmal eine Zigarre nur eine Zigarre und ein Zufall nur ein Zufall ist. Jeder will eine Verlängerung, Mr. Streeter. Wären Sie eine junge Frau, die Shopping liebt, würde ich Ihnen eine Kreditverlängerung anbieten. Wären Sie ein Mann mit einem kleinen Penis - Vererbung kann so grausam sein -, würde ich Ihnen eine Pimmelverlängerung anbieten.«
Streeter fand diese Direktheit erstaunlich und erheiternd. Erstmals seit einem Monat - seit der Diagnose - vergaß er, dass er an einer aggressiven und sich rasend schnell ausbreitenden Krebsart litt. »Sie scherzen.«
»Oh, ich bin ein großer Scherzbold, aber übers Geschäft mache ich keine Witze. Ich habe zu meiner Zeit Dutzende von Pimmelverlängerungen verkauft und war in Arizona eine Zeit lang als El Pene Grande bekannt. Ich bin ganz ehrlich, aber zum Glück bin ich weder darauf angewiesen noch erwarte ich, dass Sie das glauben. Kleine Männer wollen oft eine Körperverlängerung. Würden Sie mehr Haar wollen, Mr. Streeter, wäre ich sehr gern bereit, Ihnen eine Haarverlängerung zu verkaufen.«
»Könnte ein Mann mit großer Nase - Sie wissen schon, wie Jimmy Durante - eine kleinere bekommen?«
Elvid schüttelte lächelnd den Kopf. »Jetzt scherzen Sie. Die Antwort lautet nein. Wenn Sie eine Verkleinerung brauchen, müssen Sie anderswo hingehen. Ich bin nur auf Verlängerungen spezialisiert, ein sehr amerikanisches Produkt. Ich habe Liebesverlängerungen, manchmal Liebestränke
Streeter grinste amüsiert. Eigentlich waren derartige Späße für ihn jetzt außer Reichweite, aber das Leben war voller Überraschungen.
Elvid grinste ebenfalls, als wäre dies ein ausgezeichneter Witz, den sie sich teilten. »Und einmal«, sagte er, »habe ich für einen Maler - sehr begabter Mann -, der dabei war, in paranoide Schizophrenie abzurutschen, eine Realitätsverlängerung bewirkt. Die war teuer.«
»Wie teuer? Darf ich das fragen?«
»Eines seiner Gemälde, das jetzt mein Heim schmückt. Sie würden den Namen kennen; ein berühmter italienischer Renaissancemaler. Sie haben ihn vermutlich studiert, falls Sie im College einen Kurs in Kunstbetrachtung belegt hatten.«
Streeter grinste weiter, machte aber vorsichtshalber einen Schritt rückwärts. Er hatte die Tatsache akzeptiert, dass er sterben musste, aber das bedeutete nicht, dass er das heute, unter den Händen eines Kerls, der vielleicht aus der Irrenanstalt Juniper Hill in Augusta - wo geistesgestörte Straftäter einsaßen - ausgebrochen war, tun wollte. »Was soll das also heißen? Dass Sie sozusagen … ich weiß nicht … unsterblich sind?«
»Jedenfalls sehr langlebig«, sagte Elvid. »Was uns zu dem bringt, was ich für Sie tun könnte, glaube ich. Sie hätten vermutlich gern eine Lebensverlängerung.«
»Nicht zu machen, wie?«, sagte Streeter. In Gedanken berechnete er die Entfernung zu seinem Wagen und wie lange er brauchen würde, um ihn zu erreichen.
»Natürlich ist das zu machen … aber es hat seinen Preis.«
Streeter, der früher ein begeisterter Scrabble-Spieler gewesen war, hatte sich die Buchstaben von Elvids Namen bereits auf Spielsteinen vorgestellt und neu angeordnet. »Geld? Oder reden wir von meiner Seele?«
Elvid winkte mit einer Hand ab und begleitete die Geste mit einem schelmischen Augenrollen. »Ich würde, wie man so sagt, eine Seele nicht erkennen, wenn sie mich in den Hintern bisse. Nein, wie so häufig ist Geld die Antwort. Fünfzehn Prozent Ihres Einkommens in den kommenden fünfzehn Jahren müssten reichen. Als Vermittlungsgebühr, könnte man sagen.«
»Das wäre die Dauer meiner Verlängerung?« Streeter überdachte die Idee, noch fünfzehn Jahre länger leben zu können, mit wehmütiger Gier. Das erschien ihm wie eine sehr lange Zeit, vor allem wenn er sie mit dem verglich, was ihm tatsächlich bevorstand: sechs Monate Erbrechen, zunehmende Schmerzen, Koma, Tod. Dazu ein Nachruf, in dem zweifellos die Phrase »nach langem, tapferem Kampf gegen den Krebs« stehen würde. Yada-yada, wie sie bei Seinfeld sagten.
Elvid hob die Hände mit einer überschwänglichen Werweiß-Geste bis in Schulterhöhe. »Könnten auch zwanzig sein. Lässt sich nicht bestimmt voraussagen; es handelt sich hier um keine exakte Wissenschaft. Aber wenn Sie Unsterblichkeit erwarten, vergessen Sie’s. Ich verkaufe nur eine faire Verlängerung. Das Beste, was ich tun kann.«
»Genügt mir«, sagte Streeter. Der Kerl hatte ihn aufgeheitert, und wenn er einen Stichwortgeber für seine Gags brauchte, war Streeter ihm gern gefällig. Jedenfalls bis zu einem gewissen Punkt. Noch immer lächelnd, streckte er die Rechte über den Tisch aus. »Fünfzehn Prozent, fünfzehn Jahre. Obwohl ich Ihnen sagen muss, dass Sie mit