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»Das ist noch nicht alles«, sagte Elvid.

»Natürlich nicht«, sagte Streeter. Er seufzte und zog die Hand zurück. »Mr. Elvid, es war sehr nett, mit Ihnen zu plaudern, Sie haben mich aufgeheitert, wie ich es nie für möglich gehalten hätte, und ich hoffe, dass Sie Hilfe bei Ihren psychischen Proble…«

»Still, Sie dummer Kerl!«, sagte Elvid, und obwohl er weiter lächelte, hatte das jetzt nichts Angenehmes mehr an sich. Er wirkte plötzlich größer - mindestens eine Handbreit größer - und nicht mehr so pummelig.

Es ist das Licht, dachte Streeter. Das Licht bei Sonnenuntergang kann täuschen. Und der unangenehme Geruch, der ihm plötzlich auffiel, war vermutlich nur verbranntes Kerosin, das ein zufälliger Windhauch zu diesem kleinen mit Kies bestreuten Platz außerhalb des Metallzauns hinübergetragen hatte. Das klang alles vernünftig … aber er schwieg wie angewiesen.

»Wozu braucht ein Mann oder eine Frau eine Verlängerung? Haben Sie sich das schon mal gefragt?«

»Natürlich habe ich das«, sagte Streeter mit einem Anflug von Schroffheit. »Ich arbeite bei einer Bank, Mr. Elvid - Derry Savings. Kunden bitten mich dauernd, ihre Kredite zu verlängern.«

»Dann wissen Sie, dass Leute Verlängerungen brauchen, um Defizite zu kompensieren - kurzfristige Geldverlegenheit, kurzer Pimmel, Kurzsichtigkeit et cetera.«

»Genau, wir leben in einer kleinärschigen Welt«, sagte Streeter.

»Ganz recht. Aber sogar Dinge, die nicht da sind, haben Gewicht. Negatives Gewicht, was die schlimmste Sorte ist. Gewicht, das von Ihren Schultern genommen wird, muss Psychische Physik, könnte man sagen.«

Streeter studierte Elvid fasziniert. Der vorübergehende Eindruck, der Mann sei größer (und lasse beim Lächeln zu viele Zähne sehen), war verschwunden. Es war nur ein kleiner pummeliger Mann, der wahrscheinlich die grüne Karte eines ambulanten Patienten in Juniper Hill oder im Acadia Mental Health in seiner Geldbörse hatte. Falls er eine Geldbörse hatte. Aber er hatte auch eine äußerst detaillierte Landschaft aus Wahnvorstellungen in seinem Kopf, die ein faszinierendes Studienobjekt war. Vielleicht nur deshalb, weil das Ende des Tages mit seiner Flut aus rotem Licht so seltsam schwebend erschien.

»Kann ich zur Sache kommen, Mr. Streeter?«

»Bitte.«

»Sie müssen die Last verlagern. Ganz einfach gesagt: Sie müssen jemanden ins Unglück stürzen, wenn das Unglück

von Ihnen genommen werden soll.«

»Ich verstehe.« Und das tat er. Elvid sprach wieder verständlich, und seine Botschaft war ein Klassiker.

»Aber es kann nicht einfach irgendwer sein. Das alte anonyme Opfer ist versucht worden, aber es funktioniert nicht. Es muss jemand sein, den Sie hassen. Gibt es jemanden, den Sie hassen, Mr. Streeter?«

»Ich bin nicht allzu begeistert von Kim Jong-il«, sagte Streeter. »Und ich finde, dass für die Schweine, die den Anschlag auf die USS Cole verübt haben, eine Haftstrafe viel zu gut ist, aber sie werden wohl nie …«

»Ernsthaft oder fort mit Ihnen«, sagte Elvid und wirkte wieder größer. Streeter fragte sich, ob das irgendeine verrückte Nebenwirkung seiner Medikamente sein konnte.

»Wenn Sie mein Privatleben meinen, da hasse ich niemanden. Es gibt Leute, die ich nicht besonders mag - Mrs. Denbrough von nebenan stellt ihre Mülltonne immer

»Wenn ich den verstorbenen Dino Martino mal falsch zitieren darf, Mr. Streter, hasst jedermann irgendwann einmal jemanden.«

»Will Rogers hat gesagt …«

»Er war ein Lasso schwingender Hochstapler, der seinen Hut tief in die Stirn gedrückt getragen hat wie ein kleiner Junge, der Cowboy spielt. Aber wenn sie wirklich niemanden hassen, können wir nicht ins Geschäft kommen.«

Streeter dachte darüber nach. Er starrte seine Schuhspitzen an und sprach mit dünner Stimme, die er kaum als seine eigene erkannte. »Vermutlich hasse ich Tom Goodhugh.« Obwohl es dabei in Wirklichkeit kein vermutlich gab.

»Wer ist er in Ihrem Leben?«

Streeter seufzte. »Seit der Grundschule mein bester Freund.«

Nun folgte kurzes Schweigen, bevor Elvid schallend laut zu lachen begann. Er stürzte hinter dem Kartentisch hervor, klopfte Streeter auf den Rücken (mit einer Hand, die sich kalt anfühlte, und Fingern, die lang und dünn statt kurz und pummelig zu sein schienen), dann ging er mit großen Schritten zu seinem Klappstuhl zurück. Er ließ sich hineinfallen, prustete und grölte weiter. Sein Gesicht war puterrot, und auch die Lachtränen, die ihm übers Gesicht liefen, sahen im Licht der untergehenden Sonne rot - tatsächlich blutig - aus.

»Seit der Grund… Ihr bester … Oh, das ist …«

Elvid konnte sich nicht länger beherrschen. Er brach in Lachsalven und Freudengeheul und Lachkrämpfe aus, die seinen Wanst beben ließen, wobei sein Kinn (eigenartig spitz für ein so rundliches Gesicht) vor dem unschuldigen (aber dunkler werdenden) Sommerhimmel auf und ab wippte. Schließlich gewann er die Selbstbeherrschung wieder.

»Das ist ausgezeichnet, Mr. Streeter«, sagte er. »Wir können ins Geschäft kommen.«

»He, das ist großartig«, sagte Streeter und machte einen weiteren Schritt rückwärts. »Ich genieße meine fünfzehn zusätzlichen Jahre schon jetzt. Aber ich parke auf dem Radweg, und das ist strafbar. Dafür könnte ich einen Strafzettel bekommen.«

»Machen Sie sich deswegen keine Sorgen«, sagte Elvid. »Wie Sie vielleicht gemerkt haben, ist hier kein einziges ziviles Fahrzeug vorbeigekommen, seit wir zu feilschen begonnen haben - von einem Gesetzeshüter ganz zu schweigen. Der Verkehr stört nie, wenn ich mit einem ernsthaften Menschen ernstlich zu verhandeln beginne; dafür sorge ich.«

Streeter sah sich unbehaglich um. Es stimmte. Er konnte drüben auf der Witcham Street zwar den Verkehr hören, der zum Upmile Hill unterwegs war, aber hier war Derry völlig verlassen. Natürlich, sagte er sich, ist der hiesige Verkehr nach Büroschluss immer schwach.

Aber abwesend? Völlig abwesend? Das würde man um Mitternacht erwarten, aber nicht um halb acht Uhr abends.

»Erzählen Sie mir, weshalb Sie Ihren besten Freund hassen«, forderte Elvid ihn auf.

Streeter erinnerte sich daran, dass dieser Mann verrückt war. Was Elvid vielleicht weitererzählte, würde kein Mensch glauben. Das war ein befreiender Gedanke.

»Tom hat besser ausgesehen, als wir Jungen waren, und er sieht jetzt viel besser aus. Er war in drei Schulmannschaften; der einzige Sport, in dem ich auch nur einigermaßen gut bin, ist Minigolf.«

»Ich glaube nicht, dass es dafür Cheerleaderformationen gibt«, sagte Elvid.

Streeter lächelte grimmig und erwärmte sich allmählich für sein Thema. »Tom ist echt clever, aber er war in der Derry High stinkfaul. Seine Ambitionen, aufs College zu gehen, waren gleich null. Aber wenn seine Noten so schlecht wurden, dass ihm der Ausschluss aus Schulmannschaften drohte, ist er in Panik geraten. Und wer sollte ihm dann helfen?«

»Sie!«, rief Elvid aus. In seiner Stimme schwang joviales Bedauern mit. »Der alte Mr. Zuverlässig. Sie haben ihm Nachhilfe gegeben, was? Vielleicht ein paar Arbeiten selbst geschrieben? Darauf geachtet, die Wörter falsch zu schreiben, die Toms Lehrer bei ihm falsch geschrieben zu sehen erwarteten?«

»Schuldig im Sinne der Anklage. In der Abschlussklasse - in dem Jahr, in dem Tom in Maine als Sportler des Jahres ausgezeichnet wurde - war ich in Wirklichkeit zwei Schüler: Dave Streeter und Tom Goodhugh.«

»Schlimm.«

»Wissen Sie, was noch schlimmer war? Ich hatte damals eine Freundin. Eine Schönheit namens Norma Witten. Dunkelbraunes Haar, ebensolche Augen, makelloser Teint, wundervolle Backenknochen …«