Charlie Sheen, Tori Spelling und David Hasselhoff ließen sich scheiden, aber in Derry feierten David und Janet Streeter ihren dreißigsten Hochzeitstag. Es gab eine große Party. Gegen Ende zu führte Dave seine Frau in den Garten. Er hatte ein Feuerwerk bestellt. Alle klatschten, nur Carl Goodhugh nicht. Er versuchte es, aber seine Hände
Im Jahr 2007 wurde Kiefer Sutherland wegen Trunkenheit am Steuer zu einer Haftstrafe verurteilt (nicht zum ersten Mal), und Gracie Goodhugh-Dickersons Ehemann kam bei einem Verkehrsunfall ums Leben. Ein betrunkener Autofahrer geriet auf die Gegenfahrbahn, auf der Andy Dickerson aus dem Büro heimfuhr. Die gute Nachricht war, dass der Betrunkene nicht Kiefer Sutherland war. Die schlechte Nachricht war, dass Gracie Dickerson im vierten Monat schwanger und pleite war. Ihr Mann hatte seine Lebensversicherung gekündigt, um Geld zu sparen. Gracie zog wieder bei ihrem Vater und ihrem Bruder Carl ein.
»Bei ihrem Pech wird das Baby missgebildet geboren«, sagte Streeter eines Nachts, als er neben seiner Frau im Bett lag, nachdem sie miteinander geschlafen hatten.
»Still!«, rief Janet schockiert aus.
»Wenn man’s sagt, trifft’s nicht ein«, behauptete Streeter, und wenig später schliefen die beiden Schmusehäschen in enger Umarmung ein.
Der diesjährige Scheck für den Kinderfonds belief sich auf dreißigtausend Dollar. Streeter schrieb ihn ohne Gewissensbisse aus.
Gracies Baby wurde im Februar 2008 mitten in einem Schneesturm geboren. Die gute Nachricht war, dass es nicht missgebildet war. Die schlechte Nachricht war, dass es eine Totgeburt war. Dieser verdammte in der Familie liegende Herzfehler. Gracie - ohne Zähne, ohne Ehemann und ohne Geruchssinn - verfiel in eine tiefe Depression. Streeter fand, das beweise ihre grundlegende geistige Gesundheit. Wäre sie »Don’t Worry, Be Happy« pfeifend herumgelaufen, hätte
Ein Flugzeug mit zwei Musikern der Rockband blink-182 stürzte ab. Schlechte Nachricht, vier Tote. Gute Nachricht, diesmal überlebten die Rocker zur Abwechslung … obwohl einer von ihnen später Selbstmord verüben würde.
»Ich habe Gott gegen mich aufgebracht«, sagte Tom bei einem der Dinner, die die beiden Männer jetzt ihre »Junggesellenabende« nannten. Streeter hatte Spaghetti von Cara Mama mitgebracht und seinen Teller leergegessen. Tom Goodhugh hatte sein Essen kaum angerührt. Nebenan sahen Gracie und Carl American Idol, Grace finster schweigend, der frühere Emerson-Student johlend und brabbelnd. »Ich weiß nicht, wodurch, aber ich hab’s getan.«
»Sag das nicht, weil es nämlich nicht stimmt.«
»Das weißt du nicht.«
»Doch, ich weiß es«, sagte Streeter nachdrücklich. »Du redest dummes Zeug.«
»Wie du meinst, Kumpel.« Toms Augen füllten sich mit Tränen. Sie liefen ihm über die Wangen. Eine blieb an seinem unrasierten Kinn hängen, baumelte einen Augenblick dort und platschte dann in seine Spaghetti, die er kaum angerührt hatte. »Ich danke Gott so sehr für Jacob. Mit ihm ist alles in Ordnung. Arbeitet derzeit bei einem Fernsehsender in Boston, und seine Frau ist Buchhalterin im Brigham and Women’s. Sie kommen gelegentlich mit May zusammen.«
»Das hört man gern«, sagte Streeter herzlich, während er im Stillen hoffte, Jake werde seine Tochter nicht irgendwie durch seine Nähe anstecken.
»Und du kommst noch immer und besuchst mich. Ich verstehe, was Jan fernhält, und nehm es ihr nicht übel, aber … ich freue mich auf diese Abende. Sie sind wie ein Bindeglied zu den alten Zeiten.«
Ja, dachte Streeter, zu den alten Zeiten, in denen du alles und ich Krebs hatte.
»Du wirst immer mich haben«, sagte er und nahm eine von Goodhughs leicht zitternden Händen in seine. »Freunde bis zuletzt.«
2008 - was für ein Jahr! Heiliger Scheiß! Olympische Spiele in China! Chris Brown und Rihanna wurden Schmusehäschen! Banken brachen zusammen! Der Aktienmarkt war im Keller! Und im November schloss die Umweltschutzbehörde EPA den Mount Trashmore, Tom Goodhughs letzte Einnahmequelle. Die Behörde gab bekannt, sie beabsichtige, ein Verfahren wegen Grundwasserverseuchung und illegaler Lagerung von Krankenhausmüll einzuleiten. Die Zeitung The Derry News deutete an, es könne sogar ein Strafverfahren gegen den Deponiebetreiber geben.
Streeter fuhr abends oft zur Harris Avenue Extension hinaus und hielt Ausschau nach einem gelben Schirm. Er wollte nicht feilschen; er wollte nur ein bisschen quatschen. Aber er bekam den Schirm oder seinen Besitzer nie wieder zu sehen. Er war enttäuscht, aber nicht überrascht. Solche Geschäftemacher waren wie Haie; sie mussten in Bewegung bleiben, sonst gingen sie ein.
Er stellte einen Scheck aus und schickte ihn der Bank auf den Kaimaninseln.
Im Jahr 2009 schlug Chris Brown sein Schmusehäschen Nummer eins nach der Verleihung der Grammy Awards grün und blau, und einige Wochen später verprügelte Jacob Goodhugh, der Exfootballspieler, seine muntere Frau Cammy, nachdem sie in seiner Jackentasche ein bestimmtes Stück Damenunterwäsche und ein halbes Gramm Kokain entdeckt hatte. Als sie weinend auf dem Fußboden lag, nannte
Sein Pflichtverteidiger war zu dämlich, um eine Herabsetzung der Kaution zu erreichen. Jake Goodhugh appellierte an seinen Vater, der kaum imstande war, seine Ölrechnung zu bezahlen, und erst recht keinen teuren Bostoner Anwalt für seinen Sohn, der seine Frau misshandelt hatte, engagieren konnte. Goodhugh wandte sich an Streeter, der seinen alten Freund kaum ein Dutzend Worte seiner schmerzhaft eingeübten Rede sprechen ließ, bevor er Machen wir! sagte. Er dachte daran, wie Jacob seinen Alten so ungeniert auf die Wange geküsst hatte. Und weil er das Anwaltshonorar übernahm, konnte er den Strafverteidiger zu Jakes Geisteszustand befragen, der nicht gut war; er litt unter Schuldgefühlen und war zutiefst deprimiert. Der Anwalt erklärte Streeter, der Junge werde vermutlich fünf Jahre bekommen, davon hoffentlich drei auf Bewährung.
Wenn er wieder draußen ist, kann er heimkommen, dachte Streeter. Er kann sich mit Gracie und Carl American Idol ansehen, wenn die Castingshow dann noch läuft. Was sie vermutlich tut.
»Ich habe meine Versicherung«, sagte Tom Goodhugh eines Abends. Er hatte viel Gewicht verloren, und seine Kleidung hing sackartig an ihm. Seine Augen waren trübe. Er litt an Schuppenflechte und kratzte sich ruhelos die Arme, so dass auf der weißen Haut lange rote Kratzspuren zurückblieben. »Ich würde Selbstmord begehen, wenn ich dächte, ich könnte damit durchkommen, ihn wie einen Unfall aussehen zu lassen.«
»Solches Gerede will ich nicht hören«, sagte Streeter. »Bestimmt geht’s bald wieder aufwärts.«
Im Juni kratzte Michael Jackson ab. Im August tat Carl Goodhugh es ihm nach, indem er an einem Stück Apfel erstickte. Sein Betreuer hätte den Heimlich-Handgriff durchführen und ihn retten können, aber der Betreuer war sechzehn Monate zuvor wegen Geldmangels entlassen worden. Gracie hatte Carl noch gurgeln hören, aber geglaubt, das sei »bloß sein üblicher Scheiß«, wie sie später sagte. Die gute Nachricht war, dass auch Carl eine Lebensversicherung hatte. Nur eine kleine, die aber immerhin die Bestattungskosten deckte.
Nach der Beerdigung (Tom Goodhugh schluchzte die ganze Zeit und klammerte sich haltsuchend an seinen alten Freund) hatte Streeter eine großzügige Anwandlung. Er ermittelte Kiefer Sutherlands Studioadresse und schickte ihm ein Big Book der Anonymen Alkoholiker. Es würde vermutlich gleich in den Müll fliegen (wie die zahllosen anderen Big Books, die Fans ihm im Lauf der Jahre geschickt hatten), aber man konnte nie wissen. Manchmal geschahen Wunder.
Anfang September 2009, an einem heißen Sommerabend, fuhren Streeter und Janet zu der Straße hinaus, die hinter dem Derry County Airport vorbeiführte. Auf dem mit Kies bestreuten Platz außerhalb des Metallzauns wartete niemand auf Kunden, also parkte er mit seinem blauen Pathfinder dort und legte den rechten Arm um seine Frau, die er inniger und rückhaltloser liebte als je zuvor. Die Sonne ging als rote Kugel unter.