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Sie fummelte nach den drei Schaltern neben der Tür, fand sie und drückte sie mit dem Handballen hoch. Die Neonröhren an der Decke flammten summend auf. Die Garage war geräumig und sauber, das Werkzeug hing an Haken in Lochplatten, und Bobs Werkbank war ordentlich aufgeräumt. Der Zementestrich des Fußbodens war in Schlachtschiffgrau gestrichen. Auf dem Fußboden waren keine Ölflecken zu sehen, Bob sagte, Ölflecken bedeuteten, dass die Leute, denen die Garage gehörte, Schrottautos fuhren oder Wartungsarbeiten schlampig ausführten. Der ein Jahr alte Prius, mit dem er werktags nach Portland pendelte, stand hier; nach Vermont war er mit seinem SUV-Dinosaurier gefahren, der schon viele Meilen auf dem Tacho hatte. Ihr Volvo war draußen geparkt.

»Es ist genauso leicht reinzufahren«, hatte Bob mehr als einmal gesagt (nach siebenundzwanzig Ehejahren waren originelle Kommentare eher dünn gesät). »Du brauchst nur den Toröffner an der Sonnenblende zu benutzen.«

»Ich habe ihn lieber dort, wo ich ihn sehen kann«, antwortete sie immer, obwohl sie in Wirklichkeit befürchtete, sie könnte beim Zurückstoßen den linken oder rechten Torrahmen streifen. Sie hasste das Rückwärtsfahren. Und sie vermutete, dass er das wusste … genau wie sie wusste, dass er merkwürdig zwanghaft darauf achtete, Banknoten immer richtig herum in seine Geldbörse zu stecken, und nie ein

Wenigstens war die Garage warm; große silberne Blechröhren (wahrscheinlich hießen sie Warmluftkanäle, aber Darcy war sich ihrer Sache nicht ganz sicher) verliefen kreuz und quer unter der Decke. Sie trat an die Werkbank, auf der mehrere sauber beschriftete quadratische Blechdosen aufgereiht waren: SCHRAUBEN, MUTTERN, SCHARNIERE, HASPEN & WINKEL, DICHTUNGEN und - das fand sie geradezu rührend - KRIMSKRAMS. An der Wand hing ein Kalender mit einer Badenixe aus Sports Illustrated, die deprimierend jung und sexy aussah; links neben dem Kalender waren mit Reißzwecken zwei Fotos befestigt. Eines war ein alter Schnappschuss von Donnie und Petra auf dem Little-League-Feld in Yarmouth, beide in Trikots der Boston Red Sox. Darunter hatte Bob mit Magic Marker DIE HEIMMANNSCHAFT, 1999 geschrieben. Das andere Foto, viel neuer, zeigte die fast zu einer Schönheit herangewachsene Petra mit ihrem Verlobten Michael, der einen Arm um sie gelegt hatte, in Old Orchard Beach vor einem Muschelstand. Unter diese Aufnahme hatte Bob mit Magic Marker geschrieben: DAS GLÜCKLICHE PAAR!

Das Schränkchen mit den Batterien trug einen Dymo-Tape-Streifen mit dem Wort ELEKTROKRAM und hing links neben den Fotos. Darcy bewegte sich in diese Richtung, ohne darauf zu achten, wohin sie ging - weil sie sich auf Bobs fast manische Ordnungsliebe verließ -, und stolperte über einen nicht ganz unter die Werkbank geschobenen Karton. Sie taumelte und klammerte sich dann im letzten Augenblick an die Werkbank. Sie brach sich dabei einen Fingernagel ab - schmerzhaft und ärgerlich -, bewahrte sich aber vor einem hässlichen Sturz, was gut war. Sehr gut, wenn man bedachte, dass niemand im Haus gewesen wäre, um die Notrufnummer zu wählen, wenn sie

Sie hätte den Karton einfach mit dem Innenrist unter die Werkbank zurückschieben können - das würde sie später erkennen und angestrengt darüber nachgrübeln wie ein Mathematiker, der eine abstrus komplizierte Gleichung zu lösen versuchte. Schließlich hatte sie es eilig. Aber sie sah oben in dem Karton einen Strickwarenkatalog von Patternworks und kniete nieder, um ihn an sich zu raffen und mit den Batterien ins Haus mitzunehmen. Aber als sie ihn herausnahm, lag darunter ein Katalog von Brookstone, den sie verlegt zu haben glaubte. Und darunter Paula Young … Talbots … Forzieri … Bloomingdale’s …

»Bob!«, rief sie, nur kam sein Name in zwei empörten Silben heraus (wie manchmal, wenn er Schmutz ins Haus schleppte oder seine nassen Handtücher auf dem Fußboden im Bad liegen ließ, als wäre dies ein Luxushotel mit Zimmermädchen), nicht wie Bob, sondern als BO-hob! Weil sie wirklich in ihm lesen konnte wie in einem Buch. Er fand, sie bestelle zu viel aus Versandhauskatalogen, hatte einmal sogar behauptet, sie sei süchtig nach ihnen (was lächerlich war; es waren Butterfinger, nach denen sie süchtig war). Diese kleine psychologische Analyse hatte ihm eine zweitägige kalte Schulter eingebracht. Aber er wusste, wie ihr Verstand arbeitete und dass sie bei Dingen, die nicht unbedingt lebenswichtig waren, das originale »Aus den Augen, aus dem Sinn«-Mädchen war. Daher hatte er ihre Kataloge eingesammelt, der Leisetreter, und hier aufbewahrt. Als Nächstes wären sie vermutlich in den Papiercontainer geflogen.

Danskin … Express … Computer Outlet … Macworld … Monkey Ward … Layla Grace …

Je tiefer sie grub, desto empörter wurde sie. Man hätte glauben können, sie stünden wegen ihrer Verschwendungssucht Two and a Half Men war längst vergessen; sie überlegte bereits, wie sie Bob die Meinung sagen würde, wenn er aus Montpelier anrief (er rief immer an, wenn er zu Abend gegessen hatte und wieder in seinem Motel war). Aber als Erstes würde sie alle diese Kataloge in das verflixte Haus zurückschaffen, auch wenn sie dazu drei- oder viermal gehen musste, weil der Stapel mindestens einen halben Meter hoch und diese Hochglanzkataloge schwer waren. Wirklich kein Wunder, dass sie über den Karton gestolpert war.

Tod durch Kataloge, dachte sie. Was für eine verrückte Art, aus dem Leben …

Dieser Gedanke brach so sauber ab wie ein dürrer Ast. Sie hatte beim Nachdenken weitergeblättert, war jetzt im zweiten Viertel des Stapels und stieß unter Gooseberry Patch (County Décor) auf etwas, das kein Katalog war. Nein, überhaupt kein Katalog. Es war ein Magazin, das Bondage Bitches hieß. Sie nahm es beinahe nicht heraus und hätte es vermutlich nicht angefasst, wenn sie es in einer seiner Schubladen oder in dem oberen Fach bei den Wunderhaarwuchsmitteln gefunden hätte. Aber weil sie es hier fand, in einem Stapel von mindestens zweihundert Katalogen - ihren Katalogen - versteckt … nun, darin lag etwas, was über die Verlegenheit hinausging, die ein Mann wegen bizarrer sexueller Vorlieben empfinden mochte.

Die Frau auf dem Cover war an einen Stuhl gefesselt und bis auf eine schwarze Kapuze nackt, aber die Kapuze bedeckte nur ihre obere Gesichtshälfte, so dass zu sehen war, wie sie schrie. Sie war mit dicken Stricken gefesselt, die in Brüste und Bauch einschnitten. An Kinn, Hals und Armen hatte sie Theaterblut. Unten auf dem Cover stand in schrillem Gelb eine widerliche Anpreisung: BAD BITCH BRENDA WOLLTE ES HABEN UND KRIEGT ES AUF SEITE 49!

Darcy hatte nicht die Absicht, Seite neunundvierzig oder irgendeine andere Seite aufzuschlagen. Sie erklärte sich bereits selbst, was das war: männlicher Forscherdrang. Darüber Bescheid wusste sie aus einem Artikel im Cosmo, den sie beim Zahnarzt im Wartezimmer gelesen hatte. Eine Frau hatte an einen der vielen Ratgeber der Zeitschrift geschrieben (in diesem Fall an die fest angestellte Psychologin, die auf das oft rätselhafte Sexualleben von Männern spezialisiert war), weil sie im Aktenkoffer ihres Mannes ein paar Schwulenmagazine gefunden hatte. Sehr deutliche Darstellungen, hatte die Leserin geschrieben, und nun mache sie sich Sorgen, ihr Mann könne heimlich schwul sein. Aber wenn er das sei, fügte sie hinzu, verberge er das im Schlafzimmer recht gut.

Keine Sorge, sagte die Briefkastentante. Männer seien von Natur aus abenteuerlustig, und viele von ihnen interessierten sich für sexuelle Verhaltensweisen, die alternativ - schwuler Sex an erster Stelle, gleich dahinter Gruppensex - oder fetischistisch seien: Natursekt, Crossdressing, Sex in der Öffentlichkeit, Latex. Und natürlich Bondage. Sie hatte hinzugefügt, es gebe auch Frauen, die von Bondage fasziniert seien, was Darcy ein Rätsel gewesen war, aber sie hätte als Erste zugegeben, nicht alles zu wissen.