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Männlicher Forscherdrang, mehr steckte nicht dahinter. Vielleicht hatte er das Magazin an irgendeinem Zeitungsstand gesehen (als Darcy sich diesen speziellen Titel an einem Zeitungsstand vorzustellen versuchte, streikte allerdings ihr Verstand) und war neugierig gewesen. Oder vielleicht hatte er es in einem Tankstellenshop aus einem Abfallkorb geangelt. Er hatte es mit nach Hause genommen, hatte es hier draußen in der Garage durchgeblättert, war ebenso entsetzt gewesen wie sie (das Blut an dem Penthouse - sie wusste, dass die meisten Männer auf Spitzen und Seide standen, und Bob war da keine Ausnahme -, aber nichts mehr im Genre von Bondage Bitches.

Als sie den Titel erneut betrachtete, fiel ihr etwas Seltsames auf: Er trug keinen Preisaufdruck. Auch keinen Strichcode. Weil sie neugierig war, was solch ein Magazin kosten konnte, sah sie sich die Rückseite an und zuckte wegen des dortigen Bildes noch mal zusammen: eine nackte Blondine war auf etwas festgeschnallt, was ein stählerner Operationstisch zu sein schien. Ihr entsetzter Gesichtsausdruck wirkte jedoch ungefähr so echt wie ein Dreidollarschein, was irgendwie beruhigend war. Und der Dicke, der mit etwas, was wie ein Ginsu-Messer aussah, über ihr stand, sah mit den Armstulpen und dem Lederslip ebenso lächerlich aus - mehr wie ein Buchhalter als jemand, der gleich die Bondage Bitch du jour zerstückeln würde.

Bob ist ein Buchhalter, warf ihr Verstand ein.

Ein dummer Gedanke aus dem leider nur allzu großen Dummen Bereich ihres Gehirns. Sie schob ihn von sich weg, genau wie sie das bemerkenswert widerliche Magazin wieder unter die Kataloge schob, nachdem sie sich davon überzeugt hatte, dass auch hinten kein Preis aufgedruckt war. Und als sie den Karton unter die Werkbank zurückschob - sie wollte die Kataloge nun doch nicht ins Haus mitnehmen -, fiel ihr die Lösung des Kein-Preis/kein-Strichcode-Rätsels ein. Es handelte sich um eines der Magazine, die in einer festen Plastikhülle verkauft wurden, die

Vielleicht hat er es übers Internet gekauft. Bestimmt gibt es Anbieter, die auf solchen Schund spezialisiert sind. Von jungen Frauen, die wie Zwölfjährige angezogen und zurechtgemacht sind, ganz zu schweigen.

»Schon gut«, sagte sie und nickte einmal knapp. Damit wäre das erledigt, abgehakt, aus und vorbei. Würde sie ihren Fund am Telefon erwähnen, wenn er später anrief - oder nach seiner Rückkehr -, würde er beschämt und defensiv reagieren. Er würde sie wahrscheinlich sexuell naiv nennen, was sie vermutlich auch war, und ihr eine Überreaktion vorwerfen, die sie aber unbedingt vermeiden wollte. Was sie tun wollte, war: Roll widdit, Baby. Eine Ehe glich einem ständig im Bau befindlichen Haus, das jedes Jahr um neue Zimmer erweitert wurde. Eine Ehe im ersten Jahr war ein Cottage; nach siebenundzwanzig Jahren war sie eine riesige, weitläufige Villa. Darin musste es Winkel und Lagerräume geben, von denen manche ein paar unangenehme Relikte enthielten, die man lieber nicht gefunden hätte. Aber das war kein Drama. Man warf diese Relikte auf den Müll oder gab sie für karitative Zwecke im Goodwill Store ab.

Dieser Gedanke (der ihr schlüssig erschien) gefiel ihr so gut, dass sie ihn laut aussprach: »Kein Drama.« Und um sich das zu beweisen, schob sie den Karton mit beiden Händen kräftig an, so dass er bis an die Wand rutschte.

Wo ein Poltern zu hören war. Was war das?

Ich will’s gar nicht wissen, sagte sie sich, und war sich ziemlich sicher, dass dieser Gedanke nicht aus dem Dummen, sondern aus dem Cleveren Bereich kam. Unter der

Darcy stand auf, klopfte sich die Knie ab und verließ in ihrem Hausmantel die Garage. Auf halbem Weg ins Haus hörte sie das Telefon klingeln.

3

Sie war schon in der Küche, bevor der Anrufbeantworter sich einschaltete, aber sie wartete. Wenn es Bob war, würde sie das Gerät antworten lassen. Sie wollte nicht gleich jetzt mit ihm reden. Sie befürchtete, er könnte etwas in ihrer Stimme hören. Er würde annehmen, sie sei zum Laden an der Ecke oder vielleicht zum Video Village gefahren, und in einer Stunde noch einmal anrufen. In einer Stunde, wenn ihre unangenehme Entdeckung Zeit gehabt hatte, sich etwas zu setzen, würde sie wieder weitgehend normal sein, so dass sie sich angenehm unterhalten konnten.

Aber es war nicht Bob, es war Donnie. »Ach, Mist, eigentlich wollte ich mit euch reden.«

Sie nahm den Hörer ab, lehnte sich an die Arbeitsplatte und sagte: »Dann red. Ich war nur in der Garage.«

Donnie sprudelte geradezu über vor Neuigkeiten. Er lebte jetzt in Cleveland, Ohio, und nach zweijähriger undankbarer Plackerei in untergeordneter Stellung in der größten Werbeagentur der Stadt hatten sein Freund und er beschlossen, sich selbstständig zu machen. Bob hatte ihm nachdrücklich davon abgeraten und Donnie erklärt, sein Partner und er hätten keine Chance, den Gründerkredit zu bekommen, den sie brauchten, um das erste Jahr zu überstehen.

»Wach auf!«, hatte er gesagt, nachdem Darcy ihm das Telefon übergeben hatte. Das war im zeitigen Frühjahr gewesen, als sich unter Bäumen und Büschen im Garten noch vereinzelte Schneereste gehalten hatten. »Du bist vierundzwanzig, Donnie, und dein Kumpel Ken ist so alt wie du. Ihr beiden Lümmel könnt noch ein weiteres Jahr lang keine Kaskoversicherung für eure Autos bekommen, nur eine Haftpflichtversicherung. Keine Bank gibt euch siebzigtausend Dollar Gründerkredit - erst recht nicht in diesen schwierigen Zeiten.«

Aber sie hatten den Kredit bekommen, und jetzt hatten sie zwei Großkunden gewonnen, beide am gleichen Tag. Einer war ein Autohändler, der einen neuen Ansatz für eine Werbekampagne suchte, die Mittdreißiger ansprechen sollte. Der andere war dieselbe Bank, die Anderson & Hayward den Gründerkredit gewährt hatte. Donnie jubelte geradezu, und seine Mutter stimmte freudig ein. Sie sprachen ungefähr zwanzig Minuten miteinander. Einmal wurde ihr Gespräch durch das Doppelpiepsen unterbrochen, mit dem ein eingehender Anruf gemeldet wurde.

»Willst du den annehmen?«, fragte Donnie.

»Nein, das ist nur dein Vater. Er ist in Montpelier und besichtigt eine Sammlung von Stahlpennys. Er ruft noch mal an, bevor er ins Bett geht.«

»Wie geht’s ihm denn?«

Gut, dachte sie. Entwickelt neue Interessen.

»Aufrecht und die Luft schnüffelnd«, sagte sie. Das war einer von Bobs Lieblingsausdrücken, und er brachte Donnie zum Lachen. Sie liebte es, ihn lachen zu hören.

»Und Pets?«

»Ruf an und frag sie selbst, Donald.«

»Das werde ich, das werde ich. Irgendwann komme ich schon dazu. Bis dahin reicht mir eine Kurzfassung.«

»Ihr geht es sehr gut. Macht Heiratspläne.«

»Man könnte glauben, die Hochzeit wäre schon nächste Woche - nicht erst im kommenden Juni.«

»Donnie, wenn du dich nicht bemühst, Frauen zu verstehen, wirst du nie heiraten.«

»Das hat keine Eile. Ich amüsiere mich zu gut.«

»Aber hoffentlich vorsichtig.«

»Ich bin sehr vorsichtig und sehr höflich. Ich muss jetzt weg, Ma. In einer halben Stunde treffe ich mich mit Ken auf einen Drink. Wir wollen mit dem Brainstorming wegen dieser Autosache anfangen.«

Sie hätte ihn beinahe ermahnt, nicht zu viel zu trinken, hielt sich aber gerade noch zurück. Er sah vielleicht noch immer wie ein Highschool-Junior aus, und ihr stand sehr deutlich vor Augen, wie er als Fünfjähriger in einem roten Cordsamtjumper unermüdlich mit seinem Roller auf den betonierten Wegen im Joshua Chamberlain Park in Pownal unterwegs gewesen war, aber jetzt war er keiner dieser Jungen mehr. Er war ein junger Mann und - so unwahrscheinlich das klingen mochte - ein Jungunternehmer, der seinen Weg machen würde.